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Cleopatra im Schaumbad
Von Joachim Lange / Fotos von Matthias Creutziger Gerade noch rechtzeitig, kurz vorm Ende des großen Gedenkjahres, brach jetzt in der Dresdner Semperoper Händels Giulio Cesare nach Ägypten auf. Diese populärste Oper des europäischen Barockmeisters liefert nicht nur wunderbaren, wie an einer Perlenschnur aufgefädelten Arien-Genuss der eher elegisch schwelgerischen Art, sondern eben auch eine Story, die den Zusammenprall der Kulturen auf geradezu beklemmend aktuelle Weise vorweg nimmt. Schon hier interveniert eine Führungsmacht, um ihre Weltherrschaft zu sichern; und an der Peripherie Ordnung zu schaffen. Dieser Giulio Cesare ist nach seiner Ankunft am Nil nämlich, ob er will oder nicht, in den Machtkampf zwischen Cleopatra und ihrem Bruder verwickelt. Geschwisterliebe auf ägyptisch: Tolomeo und seine Schwester Cleopatra
Dass es hier tatsächlich eher um einen Clash der Kulturen geht und weniger um ein Multikulti-Happening, ist für den Regisseur Jens-Daniel Herzog das Thema seiner Inszenierung. Dabei langt er tief in die Kiste mit den cineastischen Klischee-Vorräten, versucht sich an der vor allem choreographierten Parodie der Da-Capo Arien und hat offenbar keine Scheu davor, sie in die pure Albernheit eskalieren zu lassen. Manchmal behauptet er dann aber auch eine Fallhöhe von Ernst, die aber im nächsten Moment gleich wieder kassiert wird. Dafür hat Ausstatter Mathis Neidhardt Allzweck-Wände mit blätterndem Putz in warmen mediterranen Farben auf die Bühne gestellt, die den Einheits-Raum im Handumdrehen unterteilen und damit verwandeln können. Wenn die Römer, die hier aussehen wie kurzbehoste britische Kolonial-Soldaten aus dem vorigen Jahrhundert, am Nil landen, dann haben sie es ziemlich eilig, während der ägyptische Straßenkehrer in aller Ruhe seinem Tagwerk nachgeht. Diese eher harmlose Differenz zweier Kulturen in ihrem Verhältnis zur Zeit wird auf den poltischen Punkt gebracht, wenn die Ägypter ihren hohen Gast damit zu erfreuen hoffen, dass sie ihm seinen, innenpolitischen Gegner Pompeo übergeben, der zu ihnen geflohen war. Dass sie ihm freilich nur den Kopf überreichen, löst bei den Römern Entsetzen aus, während sich die ägyptischen Herrscher darüber vor Lachen ausschütten. Cleopatra kämpft um die Macht
Die Inszenierung von Herzog hat da ihre starken Momente, wo es gelingt, diese kulturelle Differenz schlüssig in ein Bild zu übersetzten. So wie bei der offiziellen Begegnung von Cäsar und Tolomeo, die sich zwar für die Pressebilder anlächeln, aber das, was sie denken, offensichtlich für sich behalten, während ihre Begleitung eine Art Staatsbesuchsballett aufführt. So schlüssig freilich bleibt es nicht immer. Cleopatra im Schaumbad - das kriegte Liz Taylor eben doch besser hin und der drollige Witz des zahmen Haus-Löwen zu ihren Füssen, der wird mit der Zeit auch zum Kalauer. Gänzlich vom immerhin atmosphärisch stimmigen cineastischen Klischee zum Comic wechselt die Szenerie, wenn Cäsar in Cleopatras Badezimmer ein halbes Dutzend Attentäter mit links erledigt und dann geradewegs durch die Wand verschwindet. Cleopatra nach dem Bade .. Cesar ist durch die Wand auf und davon
Um richtig klar zu machen, wer hier der eigentliche schlimmer Finger ist, erschießt Cleopatras böser Bruder bei seinem Putschversuch nacheinander sämtliche Gefolgsleute der gefangenen Schwester per Kopfschuss. Was da schon reichlich bemüht wirkt, wird aber nachträglich zum puren Gag, wenn Cleopatra diese Toten nacheinander durch Ohrfeigen oder energisches Aufstampfen mit dem Fuß wieder ins Leben zurückholt. Außer den verräterischen Achilla (Christian Pohl), der nicht nur vergeblich die Seiten wechselt und die versprochene Witwe Pompeos, Cornelia, nicht bekommt, sondern auch noch seinen Skalp verliert. Vorher hatte er noch einen Bombenkoffer für einen großen finalen Knall scharf gemacht. In der Schlussszene dann bei der politisch privaten Versöhnung, die mit gegenseitigen Geschenken und einer öffentlich zelebrierten Staatsliebschaft zwischen Cesare und Cleopatra in einem großen Prunkbett begangen wird, kann diese Koffer-Bombe zwar gerade noch entschärft werden, aber das gegenseitige Misstrauen explodiert dafür umso handgreiflicher. Barockoper als Diagnose für die heutige Weltlage. In Dresden greift die zumindest da, wo sie sich nicht in allzu blödelnder Albernheit verliert. Cesar in der Mitte seiner Truppen
Musikalisch bewältigt die Sächsische Staatskapelle den Ausflug auf das ihr ja doch eher fremde musikalische Terrain unter Alessandro De Marchis kenntnisreicher Leitung mit zunehmender Innigkeit. Anfangs etwas zu großgedacht, findet das Orchester auch jenseits der mittlerweile üblichen historischen Musizierweise zu einer überzeugenden Form. Auch wenn Anke Vondungs Stimme nicht immer die für die Semperoper eigentlich nötige Durchschlagskraft hat, ist sie doch ein geschmeidiger, technisch höchst überzeugender Cesare. Mit stimmlicher und darstellerischer Vehemenz profiliert Laura Aikin ihre Cleopatra. Herausragend ist Janja Vuletic als rachedurstiger Pompeo-Sohn Sesto an der Seite seiner Mutter Cornelia, die Christa Mayer mit dunkel leuchtenden Leidenstönen ausstattet. Sowohl Christopher Field als Cleopatras Vertrauter Nireno, vor allem aber Max Emanuel Cencic als Tolomeo steuern erstklassige Counterpartien bei.
Auch wenn diese Dresdner Händelproduktion nicht ganz die Möglichkeiten ausschöpft, die man heute im Umgang mit der Barockoper hat, ist sie doch eine insgesamt lohnende Ergänzung für ein Haus, in dem sonst Wagner und Strauss das Sagen haben. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreographie
Licht
Choreinstudierung
SolistenGiulio CesareAnke Vondung
Cornelia
Sesto
Cleopatra
Tolomeo
Achilla
Curio
Nireno
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