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Das Musikdrama zum Kostümschinken degradiert
Von Christoph Wurzel / Fotos von Monika Rittershaus
Nein, es war kein böses Omen, dass die Direktübertragung der Premiere im Deutschlandradio kurzfristig abgesagt wurde, weil Plácido Domingo sich seines späten Debüts in einer Baritonrolle angeblich nicht sicher war. Er hat es hervorragend bestanden, ja geradezu glänzend ist seine gesangliche Bewältigung dieser zu den schönsten Rollen Verdis zählenden Partie.
In den Armen seiner wiedergefundenen
Auch von regelrechten Schnitzern ist diese Regie nicht frei, etwa wenn das Volk während der vom Dogen listig eingefädelten öffentlichen Verfluchung des Verschwörers durch Paolo mit Fingern auf diesen zeigt, obwohl es noch nicht wissen kann, dass eben dieser selbst der Verbrecher ist. So wird im Interesse einer vordergründigen Deutlichkeit diesem Höhepunkt im Geschehen alle dramatische Kraft genommen. Auch wenn Tiezzi sich langatmig im Programmbuch über seine "Elemente für eine Regie" auslässt, zu finden sind sie in der Realisation auf der Bühne kaum. Tiezzi ist von Hause aus Kunsthistoriker, das hat ihn wohl animiert, die Handlung in der Manier historisierender Gemälde zu bebildern. Bühnenbild und Kostüme sind aufwändig dem Stil der Historienmalerei angelehnt. Aus anfangs starren Bildern schälen sich die Gestalten zu handelnden Figuren heraus und formieren sich zu arrangierten Tableaus. Eine Personenregie findet nicht statt, die Sänger sind sich selbst und ihren mehr, meistens weniger ausgeprägten darstellerischen Fähigkeiten überlassen. Man erlebt Rampensingen über weite Strecken.
Jetzt als Bariton im echten Kostüm:
Als begnadeten Darsteller kann man auch Plácido Domingo nicht bezeichnen. So feinfühlig und ausdrucksstark er die Rolle des Dogen auch singt, so wenig inspiriert und einförmig ist sein Spiel. Stimmlich aber kommt er in der Baritonrolle ohne jede Anstrengung und ohne Druck aus, lässt die Töne fließen und modelliert wunderbar warme, weiche melodische Phrasen, die seine immer noch verblüffend frisch klingende Stimme zum Leuchten bringen. Das Experiment, der Wechsel vom Tenor- ins Baritonregister gelingt auch deswegen so überzeugend, weil Domingo schon als Tenorissimo zu den unprätentiösen, natürlich singenden und farbenreich gestaltenden Vertretern gehörte. Diese hohe Gesangskultur kommt ihm in der Rolle des Simon Boccanegra vorzüglich zugute und macht seine Gestaltung so beeindruckend wahrhaftig.
Nur mühsam zurückzuhalten:
Einen großartigen Antipoden zum Titelhelden hat Verdi in der Gestalt Jocopo Fiescos entworfen - ein verbitterter, hasserfüllter alter Mann, der erst zu spät zur Einsicht kommt und zur Versöhnung findet. Ihm leiht Kwanchul Youn äußerst präsent Gestalt und Stimme. Er vermag es auch, darstellerisch der Rolle Profil zu geben. Stimmlich breitet er die Fülle des Wohllauts in aller Schwärze dieses Bühnencharakters aus. Eine nachhaltig eindrucksvolle Rollengestaltung. Dagegen legt Hanno Müller-Brachmann den Intriganten Paolo etwas zu eindimensional an. Die Ambivalenz dieses Charakters bleibt etwas unterbelichtet.
Lichtgestalt: Anja Harteros
Eingeführt wird sie zu Beginn des ersten Aktes mit ihrer Cavatine zum Sonnenaufgang über dem Meer, was im Orchester in flirrenden Streicherklängen und wellenartig fließenden Bewegungen imitiert wird. Solchen Zauber der orchestralen Stimmungsmalerei erreicht die Staatskapelle unter Daniel Barenboim nicht durchgängig in dieser Aufführung. An den lauten Stellen trumpft das Orchester zu sehr auf. Aber es gelingen auch berührende Momente wie das ergreifend im Piano verlöschende Finale mit dem Friedensgebet für den ermordeten Dogen. Barenboim realisiert die Partitur stellenweise zu sehr von ihrer Oberfläche her. Diese wundervolle Musik in ihrer geheimnisvollen Tiefe klanglich ganz ausgelotet zu hören, bleibt an diesem Abend allzu oft nur ein Wunsch. FAZITGroße Erwartungen konnten an diese erste Produktion der Staatsoper in ihrer letzten Spielzeit im alten Haus geknüpft werden. Sie wurden nur teilweise erfüllt: beeindruckend war sie zumeist hinsichtlich der sängerischen Qualität, enttäuschend aber was die szenische Realisierung betrifft. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video
Chorleiter
Dramaturgie
Solisten
Simon Boccanegra,
Maria Boccanegra,
Jacopo Fiesco,
Paolo Albiani,
Gabriele Adorno,
Pietro, aus dem Volk von Genua,
Ein Hauptmann
Eine Dienerin Amelias
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