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Zwischen Nobelküche und Russendisco
Von Roberto Becker / Fotos: Ruth Walz
Ärger im Hause Eisenstein: Rosalinde zwischen Gabriel und seinem Anwalt
Eine "Fledermaus" mit einer berlinernden Ida, das ist von vornherein ein Risiko. Immerhin gingen der Regisseur Christian Pade und sein Dramaturg Oliver Binder mit ihrer Neufassung der gesprochenen Dialoge nicht in die auf der Hand liegende "Und das ist auch gut so" Falle einer allzu anbiedernden Verlegung des Operetten-Klassikers nach Berlin. Weil sie die "Fledermaus" aber ernst nehmen wie eine Oper und Interpretationsehrgeiz entfalten (was völlig in Ordnung ist), befindet sich die bürgerliche Ent- und Vortäuschungsgemeinschaft der Eisensteins auf der Bühne der Lindenoper nicht im Wien des vorvorigen Jahrhunderts, sondern in einem Berliner Penthouse-Appartement von heute. Sparsamer Designerschick und Blick aufs Lichtermeer der Stadt. Vermutlich jedenfalls, denn Rosalinde kommt mit Einkaufstüten des Nobelkaufhauses KaDeWe angerauscht. Stelldichein über den Dächern von Berlin: Rosalinde zwischen Alfred und Gefängnisdirektor Frank
Es ist ein Berlin, wo die ausrangierten Insignien der "Hauptstadt der DDR", der ja der Teil Berlins, in dem die Lindenoper steht, auch war, im second-hand-Vertrieb von einem heruntergekommenen, aber ziemlich cleveren Frosch in wüstem Englisch bis nach Asien verhökert werden. Vom Telefon des Ex Stasi-Ministers Mielkes bis zu den Schlüpfern der Ex-First-Genossin Margot (Honecker). Diesen kalauernden Eiertanz kriegt Michael Maertens allerdings mit so traumwandlerischer Sicherheit hin, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlen muss. Das Bühnenbild des ersten und dritten Aktes assistiert da sinnstiftend mit einem Kopfstand. Denn die Nobelküche des ersten ist jetzt, im dritten, verkleinert an die Decke gespießt. Die sogenannte Wende als Kopfstand - das hat an diesem Ort durchaus einen gewissen Witz. Aber damit hatte es sich dann auch. Orlofsky lädt zur Nobeldisco
Dass sich der Tenor Alfred (beweglich spielend und durchaus mit Charme: Stephan Rügamer) am Anfang über den Balkon abseilt und den Einladungsbrief abliefert, also der Versuch die große Racheintrige Falkes als solche schlüssig zu zeigen, ist gut und schön, aber bleibt ohne wirkliche Bindungskraft. Vor allem, weil die Folgen durch den Mittelakt im Grunde zunichte gemacht werden. Denn der große Ball, der durch die Pause geteilt wird, findet in irgendeinem abgefahrenen Event-Nobelschuppen statt, der vermutlich von der Russenmafia betrieben wird, jedenfalls ziemlich nach Russendisko aussieht. Was aber leider überhaupt nicht funktioniert. Die ausgedehnten Balletteinlagen füllen inhaltlich den Raum nicht aus, den sie, rein rumhops-technisch, beanspruchen. Den aufgepankten Prinzen kostet sein nöliger Darsteller-Überdruck sogar den unvermeidlichen Szenenapplaus, der ja an dieser Stelle eigentlich so Sitte ist. Dass Stella Grigorian hier leer ausging, mag aber auch etwas am Publikum gelegen haben, denn die in Berlin offenbar über ihre Stimmkraft hinaus beliebte Christine Schäfer wird als Adele auch da bejubelt, wo sie kaum zu hören ist. Namentlich im Ballgetümmel geht sie auf der riesigen Treppenbrücke fast völlig unter, gewinnt eigentlich nur am Ende ein akzeptables Adeleformat. Frosch verhökert die Reste der DDR meistbietend
Bei den Herren ist Martin Gantner als Gabriel von Eisenstein am überzeugendsten, während Roman Trekel als jungendlich eleganter Strippenzieher dem Dr. Falke vokal doch eher fremd bleibt. Während Jochen Schmeckenbecher als Gefängnisdirektor Frank, Florian Hoffmann als Jungadvokat Dr. Blind und Helene Grass als deftige Ida solide ihren Mann und ihre Frau stehen, kommt die Rosalinde von Silvana Dussmann stimmlich auch nicht annähernd an ihre darstellerische Überzeugungskraft heran. Es reicht eben nicht, beim Csárdás fehlende Töne mit einem selbstironische Schlenker der Hand zu ergänzen. Blieb der stimmliche Glanz auf dem Weg von Wien nach Berlin also eher bescheiden, so kamen immerhin Zubin Mehta und die Staatskapelle der Fledermaus so weit in Richtung Wien entgegen, dass Schwung und Esprit aus dem Graben dann doch etliche Unzulänglichkeiten und Ärgernisse auf der Bühne zu überdecken vermochten. FAZITDie Fledermaus der Lindenoper kommt szenisch ziemlich zerfleddert im Berlin von heute an, wird insgesamt eher mittelmäßig gesungen, kann sich aber immerhin auf einen soliden Orchesterpart verlassen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Licht
Choreographie
Chorleiter
Dramaturgie
Solisten
Gabriel von Eisenstein
Rosalinde
Frank
Prinz Orlofsky
Alfred
Dr. Falke
Dr. Blind
Adele
Ida
Frosch
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