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Otello

Dramma lirico in vier Akten
Libretto von Arrigo Boito
nach Shakespeares Tragödie Othello, the Moor of Venice
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 30. Mai 2010


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Deutsche Oper Berlin
(Homepage)
Ausnahmezustand und Leidenschaft

Von Roberto Becker / Fotos: Barbara Aumüller im Auftrag der Deutschen Oper Berlin

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Desdemona (Anja Harteros) und Otello (José Cura) – hier ist noch Hoffnung

Die Neuproduktion von Verdis Otello an der Deutschen Oper Berlin könnte genauso gut eigentlich „Desdemona“ heißen. Und dass, obwohl die Deutsche Oper Berlin für Andreas Kriegenburgs Neuinszenierung von Verdis spätem Meisterwerk immerhin Tenorstar José Cura als Otello aufbieten konnte. Doch den Höhepunkt des Abends - einer von den seltenen Augenblicken, in denen man hören könnte, wenn die berühmte Stecknadel (oder in dem Falle besser das verhängnisvolle Taschentuch) zu Boden fiele - den verdankt das Publikum Anja Harteros. Wenn sie im nachtdunklen, fensterlosen Schlafgemach ihr traurig schönes Lied von der Weide singt und ihren gewaltsamen Tod vorausahnt, dann leuchtet jeder Ton, dann blüht ihre Stimme blüht betörend auf, dann zaubert sie die Piani wie aus dem Nichts, dann greift direkt ans Herz. Diese Desdemona der Anja Harteros hat Weltformat. Der Name ihres rasend eifersüchtigen und dann mörderischen Bühnen-Gatten ja eigentlich auch. Doch der Otello von José Cura ist keineswegs über jeden Zweifel erhaben. Er kann zwar strahlende Töne abfeuern, wirkt aber oft auch etwas eng und angestrengt in den Höhen. Und selbst Zeljko Lucic, der zu den besten Verdi-Baritonen schlechthin gehört, vermag sich nicht wirklich, von seiner mustergültig kultivierten Eloquenz in die düsteren Regionen des Erzschurken Jago aufzuschwingen. Wirklich jugendgefährdend, wie offenbar von der Regie vorgesehen, war sein Credo in Mitten einer Kinderschar jedenfalls nicht. Dennoch bleibt der musikalische Ertrag des Abends hoch. Was auch am Chor und nicht zuletzt am grundsoliden Einsatz des für den erkrankten Paolo Carignani eingesprungenen Patrick Summer am Pult des Orchesters der Deutschen Oper lag.

Foto

Jago (Zeljko Lukic) und Otello (José Cura) - Ausnahmezustand

Das Problem ist in diesem Fall erstaunlicherweise eher die Inszenierung von Andreas Kriegenburg. Diesmal hat er entgegen seiner sonstigen, erfolgreichen Praxis mit Harald Thor (Bühne) und Andrea Schraad (Kostüme) zusammengearbeitet. Die Erwartungen an den renommierten Schauspielregisseur waren nach seinen bisherigen Operninszenierungen in Magdeburg und München hochgesteckt. In Berlin blendet er jetzt das Intrigenspiel und die Eifersuchtstragödie vor eine bühnenfüllende Gerüstwand. Ein Riesenregal voller Männer, Frauen und Kinder. Etwa siebzig Verschläge mit Flüchtlingen. Oder Menschen, die so aussehen. Es ist die zu Bild gewordene Flüchtlingsrechnung kriegerischer Zeiten oder auch eine Metapher für die Verwerfungen der Globalisierung. Doch was durchaus an ein Auffanglager an der europäischen Peripherie von heute erinnern mag, bleibt letztlich als Bild autonom. Vor allem kann es weder Jagos Intrige noch Otellos Persönlichkeitsverfall wirklich aufhellen. Diese dominante Bild- und Raumidee, die wohl besser Janaceks sibirisches Totenhaus als Shakespeares und Verdis Zypern in die Gegenwart holen würde, wird als ausgebremste, gleichwohl beständig wuselnde Alltagsbanalität verspielt. Ebenso wie die Dauerpräsenz der Kinder. Vor denen verkündet nicht nur Jago sein Credo, hinter ihnen versteckt sich auch Otello, wenn Jago den Cassio (Yosep Kang) mit einer Plauderei über dessen Freundin in die Falle lockt. Doch die lieben Kleinen gehören wohl doch besser ins Bett als in diese geschlossene Gesellschaft. Kriegenburg findet auch für seine Protagonisten im Grunde keinen Ort in dieser Welt der Unbehausten. Für die intimen Schlafzimmer Szene senkt sich lediglich eine dunkle Rückwand wie ein Zwischenvorhang herab. Und da geht es dann ziemlich konventionell zur üblen Eifersuchts- und Selbstmord-Sache.

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Desdemona (Anja Harteros) und Otello (José Cura) – hier ist alles zu spät

Insgesamt aber verkleinert Kriegenburg durch seinen Raum die Figuren beinahe ins Unbedeutende, jedenfalls nicht tragische, Mittelmäßige. Cura gibt den etwas eindimensionalen Latin-Macho, der austickt. Und Lucic kommt über den gelangweilten Intriganten nicht hinaus. Da kann und muss dann die Desdemona mit ihrer berührend unverdorbenen Liebe und Menschenfreundlichkeit allein leuchten. Von den Abstechern des Schauspielregisseurs Andreas Kriegenburg auf die Opernbühne ist dieser in Berlin jedenfalls der bislang schwächste. Man kann nur hoffen, dass er bei seinem anvisierten Münchner Ring dann wieder auf der Höhe seiner enormen Möglichkeiten ist.


FAZIT
Der neue Otello an der Deutschen Oper wird auf der sicheren Basis des übrigen Ensembles durch die alles überragende Desdemona der Anja Harteros zu einem Ereignis. Die Regie von Andreas Kriegenburg bleibt allerdings hinter den hohen Erwartungen, die man an seinen ersten Verdi haben durfte, zurück.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patrick Summers

Inszenierung
Andreas Kriegenburg

Bühne
Harald Thor

Kostüme
Andrea Schraad

Licht
Stefan Bolliger

Chor
William Spaulding

Kinderchor
Dagmar Fiebach

Choreographie
Zenta Haerter

Dramaturgie
Katharina John 

Künstlerische Produktionsleitung
Christian Baier




Chor und Kinderchor der
Deutschen Oper Berlin

Orchester der
Deutschen Oper Berlin


Solisten

Otello
José Cura 

Jago
 Zeljko Lukic

Cassio
Josep Kang  

Rodrigo
Gregory Warren 

Lodovico
Hyung-Wook Lee 

Montano 
Jörn Schümann 

Desdemona
Anja Harteros

Emilia
Liane Keegan

Ein Herold
Lucas Harbour






Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

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