Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum



Aci, Galatea e Polifemo

Serenata (Cantata a tre)
Libretto: Nicola Giuvo
Musik: Georg Friedrich Händel, HWV 72

Aufführungsdauer: ca. zwei Stunden (eine Pause)

Konzertante Aufführung
Wiener Konzerthaus, 17. Januar 2009


Ercole sul Termodonte

Dramma per musica in drei Akten
Libretto: Antonio Salvi
Musik: Antonio Vivaldi (RV 710)
Rekonstruierte Fassung von Fabio Biondi

Aufführungsdauer: ca. 3:15h (zwei Pausen)

Konzertante Aufführung
Wiener Konzerthaus, 25. Januar 2009

Logo:

Wiener Konzerthaus
(Homepage)

Barockes Musiktheater konzertant

Von Bernhard Drobig

Zwei reizolle Raritäten barocken Musiktheaters waren der festliche Rahmen der RESONANZEN, jenes vielerlei Gattungen gewidmeten Festivals der Alten Musik, das auch beim heuer 17. Zyklus wie seit seiner Gründung einmal mehr volle Säle sah: Georg Friedrich Händels 1708 für eine neapolitanische Fürstenhochzeit entstandene Serenata (Cantata a tre) "Aci, Galatea e Polifemo" an ihrem Beginn, und Antonio Vivaldis, von Fabio Biondi aus verschiedenen Überlieferungen wieder gewonnenes dramma per musica "Ercole sul Termodonte" zu ihrem Abschluss.

Georg Friedrich Händel
Aci, Galatea e Polifemo

Natürlich erzählt auch Händels frühe auf ein Libretto des Abbate Nicola Giuvo entstandene Serenata die gleiche ovidianische Mär der von einem eifersüchtigen Riesen gestörten Liebesidylle zwischen dem Königssohn Acis und der Meeresnymphe Galatea so, wie die wesentlich bekanntere, 10 Jahre später entstandene englische von John Gay getextete Masque es tut. Und doch ist es ein völlig anderes Werk, nicht nur, weil es lediglich drei Personen ohne Chor aufweist, sondern vor allem, weil Händel mit Ausnahme der Rahmensätze für eine jede Arie bzw jedes Duett und Terzett eine andere Tonart gewählt hat, mehr noch trotz der üblichen Streicherbesetzung mit Basso continuo und gelegentlich hinzutretenden Flöten, Oboen und Trompeten ein wahres Kabinettstück an sich von Arie zu Arie ändernden Instrumentalfarben geschaffen hat.

Keine Frage, dass derlei Subtilitäten auf kleinere Räume als den großen Konzertsaal des Wiener Konzerthauses hin konzipiert worden sind, und so sich denn Paul McCreesh veranlasst sah, weniger auf ein kammermusikalisches als ein opernähnliches Ensemble zu setzen, was er auch dadurch unterstrich, dass er zum Eingang die Sinfonia zur wohl 1708 in Rom begonnenen "Agrippina" erklingen ließ, übrigens passend zu manch anderem in dieser späteren Oper zu findenden Satz der Cantata. Zum anderen hat sich McCreesh wohl von den in dieser Ouvertüre anzutreffenden Instrumentalbravouren anregen lassen, sowohl dort wie in vergleichbaren Arien der Cantata mit überschnellen Tempi höchsten Virtuosenglanz aufzubieten, auch wenn er damit nicht nur seine Künstler an den Rand des Leistbaren drängte, sondern auch dem bukolischen Flair des Ganzen Abbruch tat, der doch, von der Arie des sterbenden Acis her zu schließen, seinem Blick nicht fremd war. Jedenfalls geriet in dieser Rolle die in ihren Koloraturen souveräne, ohnehin ziemlich burschikos wirkende Sopranistin Gillian Webster bei ihrem Bemühen um Ausdrucksgestaltung häufig in unausgewogene Betonungen, während die Mezzosopranistin Barbara Kozelj als Galatea sich auf ein Minimum an Emotionalität beschränkte. Dass Christopher Purves, sich mit stentoralem Bass in zweieinhalb Oktaven behauptend, manch bizarre Akzentuierung einbrachte, konnte man als rollengemäß hinnehmen, auch, dass er weder geheimnisvoll zu flirten noch so zu lesen vorgab.


FAZIT

Mit seinem auf Virtuosenglanz hin ausgerichteten Zugriff entrissen Paul McCreesh und seine Künstler die als solche höchst reizvolle Cantata zwar ihrem Schattendasein, blieben aber eine sensiblere Auslotung ihres bukolischen Flairs und damit auch Wesentliches von Händels Differenzierungsreizen schuldig.



Antonio Vivaldi
Ercole sul Termodonte

Wesentlich eindrucksvoller präsentierte sich Vivaldis wiedergewonnenes dramma per musica "Ercole sul Termodonte" im Abschlusskonzert des einwöchigen Festivals, obwohl hier der jeder Arie folgende Spontanbeifall ihren musikalischen Aufbau kaum noch erkennen ließ. Uraufgeführt wurde das dreiaktige Werk mit dem Libretto von Antonio Salvi anno 1723 im Teatro Capranica zu Rom unter der Leitung des Komponisten. Ausgehend von diesem Libretto hat Fabio Biondi, der musikalische Leiter der konzertanten Wiedergabe, verschiedene europäische Bibliotheken durchforstet mit dem Ergebnis, der nur teilweise erhaltenen Oper Vivaldis ihre ursprüngliche Geschlossenheit wiederzugeben, wennschon jetzt nur 27 der - wie es heißt - insgesamt 42 Arien und Duette zu hören waren und unklar blieb, welche davon neue Kompositionen für diese Oper waren, welche Vivaldi selbst früheren Werken entnahm, und welche Biondi im Parodieverfahren zurückgewinnen konnte. Wie immer dem sei, unberücksichtigt ließ Biondi, dass bei der Uraufführung alle acht Vokalpartien von Männern gesungen wurden, weil den Frauen seinerzeit Bühnenauftritte untersagt waren: er setzte im Quartett der Griechen mit einer Ausnahme Herren ein.

Thema der Oper ist die neunte der zwölf Aufgaben, die Herakles auf Weisung des delphischen Orakels zu vollbringen hatte, weil ihm die bei der Zeugung hintergangene Gattin des Zeus übel wollte: Bei den Amazonen am Thermodoron im pontischen Nordosten Kleinasiens soll er das Wehrgehenk ihrer Königin Antiope holen, was in der Sicht Salvis so vonstatten ging:
Nach allgemeinen Jagdanweisungen warnt Antiope ihre Tochter Martesia vor den Männern, doch ausgerechnet ihre Schwester Hippolyta und Theseus, der unterdes mit der Heraklesexpedition gelandet war, kommen sich näher, nachdem dieser sie vor einem wilden Tier bewahrt hat. Und während die von den Griechen gefangene Martesia schon Eifersüchteleien im Griechenlager auslöst, muss Herakles seine von Orizia, der zweiten Schwester Antiopes, in Brand gesetzte Flotte retten (I). Wenn dann Hippolyta vom Liebesglück mit Theseus träumt, führt Antiope bereits den gefangenen Theseus im Triumphzug vor, will sich rächen, obwohl er Hippolytas Leben gerettet hatte. Derweil lässt der Grieche Telamon die gefangene Orizia frei, um Theseus auszulösen. Sie und Hippolyta können verhindern, dass Antiope Theseus opfert (II). Bei neuen Angriffsvorbereitungen der Griechen bittet der inzwischen ins Griechenlager zurückgekehrte Theseus um die Verschonung der Hippolyta, entzieht zudem Martesia den Rivalitäten seiner Kameraden, indem er sie frei lässt, was es ihr ermöglicht, Antiopes Freitod zu verhindern. Orizia will zwar noch mit Antiopes Schwert gegen Herakles kämpfen, nimmt dann aber doch sein Friedensangebot an: Er erhält Antiopes Wehrgehenk, Orizia behält ihr Leben, Antiope ihr Reich und Theseus bekommt die geliebte Hippolyta (III).

Vom Eindruck der vorgetragenen Arien her zu urteilen stehen dem überwiegend martialischen Charakter der Handlung entsprechend solche voll praller rhythmischer Vitalität mit auffällig vielen Intervallsprüngen sowie ausgedehnten Koloraturen als Spiegel innerer Unruhe und leidenschaftlicher Erregung im Vordergrund, wobei in Einzelfällen noch markante Tempi- und Tonartwechsel, Oktavverlagerungen bei der Wiederholung ganzer Zeilen oder gar die erweiternde Abweichung von der gängigen Dacapo-Form das Übrige tun. Geht es um zartere Werte wie etwa Liebesträume, koloriert Vivaldi dergleichen melodischere Arien durch raffinierte Begleitung, zarte Pizzicati, einen Soloviolinpart oder Dialogisieren zwischen Vokalstimme und Violinen. Ansonsten findet die meist vierstimmige, oft aber auch nur unisono und colla parte geführte Streicherbegleitung nur selten, vornehmlich für kurze Schlacht- und Sieges-Sinfonie sowie Chöre ihre Erweiterung durch Hörner und Pauke.

Da die Ausführenden überwiegend Italiener waren, war schon deren mitreißend temperamentvolle Gestaltung der Rezitative mit zutreffend parlierendem Cembalo ein Genuss an sich, abgesehen davon, dass die hochrangig stilkundige Sängerriege die Aufführung insgesamt zu einem beglückenden Fest der Stimmen machte. Auf Seiten der Amazonen zeichnete Vivica Genaux deren Königin Antiope mit ihrem androgyn anmutenden Mezzo bis in ihre letzte Vendetta-Arie hinein als allzeit resolut entschlossene Führungsgestalt, während Roberta Invernizzi mit ihrem kraftvoll klaren Sopran der Vielfalt von innerer Zerrissenheit ob der Liebe zum feindlichen Griechen Theseus ebenso pathetische wie innige Werte verlieh. Mitreißend setzte auch Emanuela Galli ihren fülligen Sopran für die in ungewöhnlicher Linienführung gespiegelte Kampfbereitschaft der Orizia ein, gefühlvoll zeichnete Stefanie Irányi mit geschmeidigem Mezzo die Naivität der liebesunerfahrenen Antiopetochter Martesia. Auf Seiten der Griechen gab der baritonal timbrierte Carlo Alemanno dem Herakles reichlich laute Töne - wohlan, sie passten zur Rolle, doch konnte die herb viril anmutende Mezzostimme von Romina Basso seinem in Hippolyta verliebten und zunehmend um sie bangenden Mitstreiter Theseus ein stärker gefühlsbetontes und in Koloraturen geschmeidigeres Profil geben. Mit wunderschön klarem Falsett umwarb Philippe Jaroussky als Griechenfürst Alceste die Amazonin Martesia, leider ohne wirklich Gefühle zu zeigen, während der mehr lyrische Tenor Filippo Adami dem Liebesrivalen Telamone rührende Züge glücklosen Selbstbewusstseins verlieh.

Fabio Biondi leitete sein Ensemble Europa Galante stehend vom Primgeigerpult aus, seine Musiker engagierten sich mit sichtlicher Hingabe, wennschon nicht immer in letzter Präzision.


FAZIT

So wie vorgestellt, kann die Wiedergewinnung dieser auch an Feinheiten wie lombardischen Rhythmen reichen Oper als nennenswerte Bereicherung des Vivaldi-Repertoires angesehen werden.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Georg Friedrich Händel
Aci, Galatea e Polifemo

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paul McCreesh

Gabrieli Consort & Players


Solisten

Aci
Gillian Webster

Galatea
Barbara Kozelj

Polifemo
Christopher Purves


Antonio Vivaldi
Ercole sul Termodonte

Produktionsteam

Musikalische Leitung
und Violine
Fabio Biondi

Concentus Vocalis
(Einstudierung: Herbert Böck)

Europa Galante


Solisten

Antiope
Vivica Genaux

Ippolita
Roberta Invernizzi

Orizia
Emanuela Galli

Martesia
Stefanie Irányi

Ercole
Carlo Alemanno

Teseo
Romina Basso

Alceste
Philippe Jaroussky

Telamone
Filippo Adami


Weitere Informationen

Wiener Konzerthaus
(Homepage)





Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

© 2009 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -