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Musiktheater
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Lohengrin

Romantische Oper in drei Akten
von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 ¾ Stunden (zwei Pausen)

Premiere am 29. März 2009
im Staatstheater Stuttgart

Besuchte Vorstellung: 8. April 2009

Homepage Staatstheater Stuttgart

(Homepage)

Manchmal doch lieber fragen!

Von Christoph Wurzel


Andernorts werden Oratorien szenisch auf die Opernbühne gebracht, in Stuttgart macht man es jetzt einmal anders herum. Die Interpretation von Wagners Lohengrin durch Stanislas Nordey kommt über oratorische Aktionsarmut kaum hinaus. Als Absage an einen wie auch immer gestalteten Bühnennaturalismus bleibt diese Inszenierung im stilisierend Plakativen stecken. Die Interaktionen zwischen den Figuren werden kaum psychologisch entwickelt. Stattdessen liefern die Protagonisten den berüchtigten Rampengesang, bewegen sich weitgehend monadenhaft im schmalen Raum der Vorderbühne und bleiben als Figuren schemenhaft und blass.

Dem Chor ist in diesem Regieansatz lediglich die Rolle einer Art kollektiver Seele zugefallen. Daher ist er auch wie in einem klassischen Amphitheater in Reihen übereinander aufgestellt. Größtenteils sind die Sänger schwarz verdeckt, nur Brust und weiß betuchter Kopf sind zu sehen: vier Reihen gleicher, regungsloser, strenger, trostloser Gesangsmasken. Erst gegen Ende verlässt der Chor seine Position und ergießt sich wie eine weiße Masse über die Bühne. Aus diesem Gewühl taucht dann der Knabe Gottfried als künftiger Herrscher von Brabant hervor. Diese wenig schlüssige Lösung im Schlussbild trägt offensichtlich den Charakter eines Kompromisses, denn der Regisseur hat sich, wie wenige Tage vor der Premiere in einer knappen Pressemitteilung verlautete, wegen Differenzen mit dem Dirigenten von der Produktion distanziert. Die offizielle Begründung: Nordeys chorisches Regiekonzept sei mit den von GMD Manfred Honeck geforderten „musikalisch-klanglichen Notwendigkeiten nicht zu vereinbaren“ gewesen. Trotzdem: Stanislas Nordeys Regiehandschrift prägt die Inszenierung nachhaltig, auch wenn sie nun nur noch als „nach“ seiner Konzeption bezeichnet wird.

Zu sehen ist also ein szenischer Ablauf, der sich bis auf einen Moment mit rieselnden roten Flocken und roten Rosen (natürlich zum Brautchor) ganz auf Schwarzweiß beschränkt. Die szenische Bildsprache bedient sich zuweilen eines gestischen Symbolismus, der an Robert Wilson zwar erinnert, aber niemals heranreicht. Stellenweise kommt er dem Kitsch gefährlich nahe. Und dass es sich einer (wie Lohengrin in der Brautgemach-Szene) an der Rampe gemütlich macht und die Beine in den Orchestergraben baumeln lässt, kennt man eher als etwas abgegriffenes Mittel aus komischen Opern. Wenn alle in froher Erwartung dem Schützer von Brabant ostentativ die Arme entgegenstrecken oder bei anderer Gelegenheit die Fäuste ballen, so sind derartige Stilisierungen auch keine so ganz neuen Effekte mehr. Der ganzen Inszenierung fehlt der magische Sog, die Überzeugungskraft der szenischen Bilder.

In den vier Hauptfiguren sieht der Regisseur „Grundsituationen menschlichen Verhaltens, die jeder von uns in sich trägt“. Ein solcher Allgemeinplatz ist dann wohl doch ein bisschen wenig als Deutung von Wagners „Lohengrin“. So ist das Scheitern dieser Regie vor allem wohl das Scheitern einer Inszenierung ohne Tiefgründigkeit und konzeptionelle Kraft. „Nie soll mir die Frage kommen“ steht vielfach gekritzelt auf dem Zwischenvorhang. Aber das Stück hätte man schon befragen sollen!

Nur gut, dass die musikalische Seite der Produktion kaum Wünsche offen lässt. Manfred Honeck hat mit dem Staatsorchester intensiv gearbeitet und ein differenziertes, abgerundetes Klangbild ist das Ergebnis. Flirrend und glänzend blühen die Farben schon im Vorspiel auf, deren Akzente durchaus kräftig gesetzt werden. Honeck ist auf Transparenz des Motivgeflechts aus, nicht auf konturlose Zuckerwatte. Fein ziseliert ist die Dynamik, die Steigerungen dramatisch entwickelt und klangschön die Tongebung. Das ist ein ganz unpathetischer, aber prachtvoller Wagnerklang, der eindrucksvoll einen weiten Bogen zwischen lyrischem und dramatischem Ausdruck spannt.

Auf der Sängerseite kann sich die Staatsoper mit dieser Produktion insgesamt sehen lassen. Nach Scott MacAllister in der Premiere sang an diesem Abend Stefan Vinke die Titelpartie und ließ keinerlei Wünsche offen: jugendlich, lyrisch, heldisch – all diese Attribute konnte er mühelos erfüllen. Seine Stimme ist elegant geführt, offen und strahlend in der Höhe. Er lieferte makellosen Legatogesang, wie ihn sich Wagner gewünscht hätte.
Dessen Mahnung „nicht schreien“ wäre aber bei Barbara Schneider-Hofstetter stellenweise angebracht gewesen. Ihre Stimme neigt auch zur Schärfe und in der Höhe zum Pressen; störend, selbst dann, wenn diese Rolle auch die Rolle einer Furie ist. Die Amerikanerin Mary Mills war eine etwas unterkühlte Elsa, die als Darstellerin offensichtlich unter dem Impulsmangel seitens der Regie zu leiden hatte. Einen sowohl stimmlich wie darstellerisch charaktervollen Telramund entwickelte Wolfgang Koch als überragende Figur eines ansonsten wenig interessanten Geschehens. Ordentlich: Attila Jun als ein um Frieden bemühter König und Adam Kim als etwas martialischer Heerrufer. Wieder kraftvoll und präsent: der großartige Stuttgarter Opernchor.


FAZIT

Szenisch ohne Tiefe und Spannung – musikalisch farbenreich und dramatisch.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Manfred Honeck

Regie, Bühne, Licht
nach der Konzeption von
Stanislas Nordey,
Emmanuel Clolus und
Philippe Berthomé

Kostüme
Raoul Fernandez

Chor
Michael Alber

Dramaturgie
Xavier Zuber


Statisterie der Staatsoper

Chor der
Staatsoper Stuttgart

Staatsorchester Stuttgart


Solisten

Heinrich der Vogler
Attila Jun

Lohengrin
Stefan Vinke

Elsa von Brabant
Mary Mills

Friedrich von Telramund
Wolfgang Koch

Ortrud, seine Frau
Barbara Schneider-Hofstetter

Heerrufer des Königs
Adam Kim

Vier brabantische Edle
Torsten Hofmann
Hans Kittelmann
Motti Kastón
Mark Munkittrick

Vier Edelknaben
Noriko Kuniyoshi
Mireille Neumeister
Pia Liebhäuser
Regina Friedek-Maciolek


Eine Koproduktion mit der
Nikikai Foundation Tokyo





Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



Da capo al Fine

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