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Manchmal doch lieber fragen!Von Christoph Wurzel
Andernorts werden Oratorien szenisch auf die Opernbühne gebracht, in Stuttgart macht man es jetzt einmal anders herum. Die Interpretation von Wagners Lohengrin durch Stanislas Nordey kommt über oratorische Aktionsarmut kaum hinaus. Als Absage an einen wie auch immer gestalteten Bühnennaturalismus bleibt diese Inszenierung im stilisierend Plakativen stecken. Die Interaktionen zwischen den Figuren werden kaum psychologisch entwickelt. Stattdessen liefern die Protagonisten den berüchtigten Rampengesang, bewegen sich weitgehend monadenhaft im schmalen Raum der Vorderbühne und bleiben als Figuren schemenhaft und blass. Dem Chor ist in diesem Regieansatz lediglich die Rolle einer Art kollektiver Seele zugefallen. Daher ist er auch wie in einem klassischen Amphitheater in Reihen übereinander aufgestellt. Größtenteils sind die Sänger schwarz verdeckt, nur Brust und weiß betuchter Kopf sind zu sehen: vier Reihen gleicher, regungsloser, strenger, trostloser Gesangsmasken. Erst gegen Ende verlässt der Chor seine Position und ergießt sich wie eine weiße Masse über die Bühne. Aus diesem Gewühl taucht dann der Knabe Gottfried als künftiger Herrscher von Brabant hervor. Diese wenig schlüssige Lösung im Schlussbild trägt offensichtlich den Charakter eines Kompromisses, denn der Regisseur hat sich, wie wenige Tage vor der Premiere in einer knappen Pressemitteilung verlautete, wegen Differenzen mit dem Dirigenten von der Produktion distanziert. Die offizielle Begründung: Nordeys chorisches Regiekonzept sei mit den von GMD Manfred Honeck geforderten musikalisch-klanglichen Notwendigkeiten nicht zu vereinbaren gewesen. Trotzdem: Stanislas Nordeys Regiehandschrift prägt die Inszenierung nachhaltig, auch wenn sie nun nur noch als nach seiner Konzeption bezeichnet wird. Zu sehen ist also ein szenischer Ablauf, der sich bis auf einen Moment mit rieselnden roten Flocken und roten Rosen (natürlich zum Brautchor) ganz auf Schwarzweiß beschränkt. Die szenische Bildsprache bedient sich zuweilen eines gestischen Symbolismus, der an Robert Wilson zwar erinnert, aber niemals heranreicht. Stellenweise kommt er dem Kitsch gefährlich nahe. Und dass es sich einer (wie Lohengrin in der Brautgemach-Szene) an der Rampe gemütlich macht und die Beine in den Orchestergraben baumeln lässt, kennt man eher als etwas abgegriffenes Mittel aus komischen Opern. Wenn alle in froher Erwartung dem Schützer von Brabant ostentativ die Arme entgegenstrecken oder bei anderer Gelegenheit die Fäuste ballen, so sind derartige Stilisierungen auch keine so ganz neuen Effekte mehr. Der ganzen Inszenierung fehlt der magische Sog, die Überzeugungskraft der szenischen Bilder. In den vier Hauptfiguren sieht der Regisseur Grundsituationen menschlichen Verhaltens, die jeder von uns in sich trägt. Ein solcher Allgemeinplatz ist dann wohl doch ein bisschen wenig als Deutung von Wagners Lohengrin. So ist das Scheitern dieser Regie vor allem wohl das Scheitern einer Inszenierung ohne Tiefgründigkeit und konzeptionelle Kraft. Nie soll mir die Frage kommen steht vielfach gekritzelt auf dem Zwischenvorhang. Aber das Stück hätte man schon befragen sollen! Nur gut, dass die musikalische Seite der Produktion kaum Wünsche offen lässt. Manfred Honeck hat mit dem Staatsorchester intensiv gearbeitet und ein differenziertes, abgerundetes Klangbild ist das Ergebnis. Flirrend und glänzend blühen die Farben schon im Vorspiel auf, deren Akzente durchaus kräftig gesetzt werden. Honeck ist auf Transparenz des Motivgeflechts aus, nicht auf konturlose Zuckerwatte. Fein ziseliert ist die Dynamik, die Steigerungen dramatisch entwickelt und klangschön die Tongebung. Das ist ein ganz unpathetischer, aber prachtvoller Wagnerklang, der eindrucksvoll einen weiten Bogen zwischen lyrischem und dramatischem Ausdruck spannt.
Auf der Sängerseite kann sich die Staatsoper mit dieser Produktion insgesamt sehen lassen. Nach Scott MacAllister in der Premiere sang an diesem Abend Stefan Vinke die Titelpartie und ließ keinerlei Wünsche offen: jugendlich, lyrisch, heldisch all diese Attribute konnte er mühelos erfüllen. Seine Stimme ist elegant geführt, offen und strahlend in der Höhe. Er lieferte makellosen Legatogesang, wie ihn sich Wagner gewünscht hätte.
Szenisch ohne Tiefe und Spannung musikalisch farbenreich und dramatisch. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie, Bühne, Licht
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten
Heinrich der Vogler
Lohengrin
Elsa von Brabant
Friedrich von Telramund
Ortrud, seine Frau
Heerrufer des Königs
Vier brabantische Edle
Vier Edelknaben
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- Fine -