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Król Roger (König Roger)

Oper in drei Akten
Text von Karol Szymanowski und Jaroslaw Iwaszkiewicz
Musik von Karol Szymanowski


in polnischer Sprache mit französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pause)

Premiere an der Opéra national de Paris (Opéra Bastille)


Homepage

Opéra national de Paris
(Homepage)

Vom Luxuspool zur Blechtonne

Von Roberto Becker / Fotos von Ruth Walz / Opéra national de Paris


Gerard Mortier hat sich in seinen jetzt zu Ende gehenden Pariser Intendanten-Jahren ohne Zweifel eine Reihe von Verdiensten erworben. Er hat das Publikum verjüngt und das Repertoire deutlich in Richtung Gegenwart, zumindest aber zwanzigstes Jahrhundert verschoben. Ganz konnte zwar auch er die notorisch streikbereiten Gewerkschaften nicht bändigen, aber das Risiko, dass eine Premiere platzt, hielt sich in den letzten Jahren in Grenzen. Außerdem hat er ökonomisch gut gewirtschaftet, so dass er seinem Nachfolger ein ansehnliches Finanzpolster hinterlässt. Dass das Orchester der Opera Paris ein hohes Niveau hat, ist ein Befund, der eher trotz als wegen der häufigeren Wechsel an dessen Spitze erreicht wurde. Bei seinen Regisseuren hätte man sich vom Salzburg-Erneuerer und RuhrTriennalen-Erfinder allerdings etwas mehr Wagemut gewünscht. Verabschieden wird sich Mortier von Paris, zeitglich mit dem 20jährigen Bastille-Jubiläum, allerdings mit einer Gesamtkunstwerk-Installation von Anselm Kiefer (Musik von Jörg Widmann).


Vergrößerung in neuem Fenster Der König am Ende

Vor diesem Stück archaischer Moderne gab es aber noch einmal einen programmatischen Akzent, der zu dem weltgewandten Belgier passt. Immerhin gehört nämlich der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski mit seiner provozierenden Sicht auf die Stücke zu den von Mortier geförderten und u.a. mit seinem Parsifal (unter Hartmut Haenchen und mit Waltraud Meier) in der vorigen Pariser Spielzeit eindrucksvoll reüssierenden Regisseuren. Die Oper des Polen Karol Szymanowski ist zwar mit über dreißig Inszenierung nach seiner Uraufführung 1926 und allein in diesem Jahr zwei weiteren Produktionen (Bonn, Bregenz) nicht gerade eine Ausgrabung. Aber zu den außerhalb Polens selten gespielten und dann doch immer wieder vor allem musikalisch überraschenden Werken gehört sie schon. Szymanowskis bis ins Oratorische aufrauschende und zugleich der Handlung und vor allem der Selbsterfahrung seines Titelhelden verpflichtete Musik behauptet sich durchaus eigenständig, neben dem von Richard Strauss geprägten Nachhall der Spätromantik, der dominierend in die Moderne des zwanzigsten Jahrhunderts hineinragt.


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Der Hirte taucht beim Königspaar auf - und fasziniert

Am Pult des exzellent aufgelegten Pariser Orchesters setzte Kazushi Ono auf einen suggestiv opulenten Sound, ließ Exotisches aufleuchten, war aber gleichwohl auf Profilierungsmöglichkeiten für das Sängerensemble bedacht. Hier vermochte sich Mariusz Kwiecien als Roger grandios in Szene zu setzten und seine gewaltige Partie eindrucksvoll in allen Facetten auszuleuchten. An seiner Seite überzeugte aber auch Olga Pasichnyk als höhensichere und strahlkräftige Roxana, Eric Cutler als ein beredt verführender Hirte sowie Stefan Margita als zwielichtig eloquenter Berater Edrisi.

So eindeutig die musikalische Leistung für sich sprach, so rätselhaft erwies sich der zwischen vielschichtig und verwirrend changierende Zugang Warlikowskis für diese szenische Erstaufführung des Werks in Frankreich. Das Libretto, an dem auch Szymanowski selbst mitgearbeitet hatte, blendet die Bakchen des Euripides in das Reich des sizilianischen Königs Roger. In einer bislang festgefügten orthodoxen Gesellschaft taucht ein sendungsbewusster Hirte als der Verkünder einer neuen Lehre des Hedonismus auf. Bei Warlikowski trifft er auf eine spießig bürgerliche Gesellschaft, in der zumindest in der Öffentlichkeit strenge Kostüme und Frisuren bei den Damen und Anzuggrau bei den Herren vorherrschen. Während sich die Herrschenden offenbar längst in ihre eigene Freiheit am Swimmingpool mit Sex und Drogen verabschiedet haben. Der Hirte kommt hier als ein lässiger Verführer im Hippietunten-Look mit lackierten Nägeln und irritiert und fasziniert gleichermaßen. Anders als die Bonner Inszenierung von Hans Hollmann, der der Sublimierung der Homosexualität des Komponisten nachspürt und sie als eine Art Coming-out- Geschichte auf einen klaren Nenner bringt, streift Warlikowski diese Problematik erstaunlicherweise nicht einmal.


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Roger

Die Bühne ist hier ein unbestimmt verspiegelter Raum: einmal sakraler Ort und, wenn sich der Boden teilt, ein metaphorischer Swimmingpool für übersättigte Hedonisten, die nach immer neuen Kicks und der ewigen Jugend suchen. So scheint ein erstarrtes Alter Ego Roxanes gleichsam wie Schneewittchen im Glassarg als Symbol ewiger Jugend in diesem Wasser zu schweben. Und bei der eskalierenden kollektiven Ekstase im Zentrum des Stückes führen smarte junge Männer eine Gruppe von alten hinfälligen Menschen durch diesen Pool. Ein Bild, das, selbst etwas verstiegen, zwischen Massentaufe und Bewegungstherapie verschwimmt. Mag sein, dass Warlikowski den heute grassierenden Körper- und Jugendkult in Frage stellen will. Wenn er aber die intendierte Selbstbefreiung Rogers aus orthodoxen Zwängen in dessen Scheitern und einer Sehnsucht nach Frau und Kind münden lässt und den Hirten und seine Botschaft als eine Art Mickymaus Alberei für Kinder denunziert, schüttet er das Kind mit dem Bade aus. Die anfangs schwangere Roxane besucht mit ihrem schon ein paar Jahre alten gemeinsamen Sohn am Ende den einsamen, sich an einer brennenden Tonne wärmenden Roger. Und wird damit zu einer für Warlikowski erstaunlich konservativen szenischen Pointe. Der Buhsturm, den er für seine verästelnde Regie einstecken musste, war für Pariser Verhältnisse gewaltig. Auf der anderen Seite gab es einhelligen Jubel für die hervorragenden Protagonisten, den Chor und das Orchester.


FAZIT

Der Pariser Le Roi Roger hat musikalisch unbestreitbare Qualitäten, bleibt aber szenisch diffus.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kazu Kazushi Ono

Inszenierung
Krzysztof Warlikowski

Ausstattung
Malgorzata Szczesniak

Choreinstudierung
Winfried Maczewski



Chor und Orchester der
Opéra national de Paris


Solisten

Roger
Mariusz Kwiecien

Roxane
Olga Pasichnyk

Edrisi
Stefan Margita

Der Hirte
Eric Cutler

Der Erzbischof
Wojtek Smilek

Die Diakonissin
Jadwiga Rappé



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra national de Paris
(Homepage)



Da capo al Fine

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