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Tannhäuser
und der Sängerkrieg auf Wartburg

Romantische Oper in drei Aufzügen
Dichtung vom Komponiste
Musik von Richard Wagner
"Dresdner Fassung"


In deutscher Sprache mit spanischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca 4h (zwei Pausen)

Premiere am 11. Juli 2009
im Teatro Pérez Galdós in Las Palmas, Gran Canaria


Homepage

Teatro Pérez Galdós
(Homepage)
Was bin ich?

Von Joachim Lange / Fotos von Nacho González


Nein, Katharina Wagner ist noch nicht reif für die Insel, oder auf der Flucht vor den aktuellen Streikdrohungen auf dem Grünen Hügel. Sie ist einfach nur vertragstreu. Vor drei Jahren hatte sie mit dem inzwischen verstorbenen Intendanten des Teatro Pérez Galdós in Las Palmas, Rafael Nebot, einen "Tannhäuser" verabredet. Jetzt ging er, spürbar unwillig vom neuen Intendanten Juan Cambreleng als Vermächtnis übernommen, über die Bühne. Dass ein Opernhaus, das wie das schmuck herausgeputzte Teatro Pérez Galdós auf Gran Canaria, so gar nicht auf Eigenproduktionen eingestellt ist, an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit geraten würde, wenn hier Richard Wagners "Tannhäuser" selbst produziert und obendrein von der als Regisseurin ambitionierten Urenkelin des Meisters inszeniert werden würde, war eigentlich zu erwarten. Und, dass es schon im Vorfeld richtig krachen würde, wenn einem Intendanten die ganze Richtung nicht passt, war nahezu unvermeidlich. Höhepunkt war eine vorzeitig abgebrochene Hauptprobe, weil der gewerkschaftlich fixierte Orchesterfeierabend mit der absolutistischen Wagnerschen Überlänge kollidierte. Als die Musiker dann einfach vor Probenende zusammenpackten und nach Hause gingen, platzte auch Katharina der Kragen. Das trug ihr wiederum den nun wirklich seltsamen Intendanten-Vorwurf, sie sei „kapriziös“ und die Streichung einer offiziellen Premierenfeier ein. Die improvisierte Katharina dann kurzerhand selbst, um sich vor allem bei den Technikern zu bedanken, die wirklich wollten, dass am Ende die Kunst siegt. Ihre in Bayreuth demnächst wohl noch stärker geforderten, beträchtlichen Fähigkeiten zum Krisenmanagement waren jedenfalls gefordert. Der kleine, bis nach Deutschland vernehmbare Krach sorgte freilich für zusätzliche Aufmerksamkeit, wie auch die Einkaufsfahrt der Regisseurin zum Insel-IKEA, um die fehlenden Spiegel für die Ausstattung eigenhändig nachzukaufen, in den Kritiken geradezu zum Inszenierungsbestandteil avancierte….

Vergrößerung in neuem Fenster Die unmittelbaren Vorbereitungen zum Wettsingen
In der zweiten Reihe ganz links Tannhäuser,
ganz rechts Wolfram, in der Mitte der Landgraf

Am Ende war es wie so oft im Theater: wenn vorher genug schief geht oder klemmt, dann klappt es mit der Premiere. Da hörte und sah man zwar gelegentlich ganz rumpelnd und direkt, wie Theater eigentlich gemacht wird. Aber das hatte schon wieder Charme, zumal es auch dem Chor und dem Orchester gelang, sich zur Premiere deutlich zu steigern. Nachdem man dann noch den eigentlich vorgesehenen Wolfram, Jan Buchwald, durch den (nicht nur wegen des Eichwalds von dem er zu singen hat) besser geeigneten Markus Eiche eingetauscht und den Chor von der etwas zu leicht geratenen Bühnenempore in die Proszeniumslogen gestopft hatte, waren mit dem Star-Trio Gould-Herzlitzius-Merbeth alle Voraussetzungen für ein Sängerfest gegeben. Und sie wurden mehr als erfüllt!

Vielleicht als Dank dafür lieferte das Opernpublikum der Ferieninsel selbst das Wunder nach, das Katharina ihrem Tannhäuser-Finale rigoros verweigert. Es akzeptierte nämlich nicht nur ohne Gegenwehr, sondern sogar mit überraschender Aufgeschlossenheit, nicht nur, dass der Held bei seiner Rückkehr aus Rom selbst einmal kurz im üppigen Papstornat auftritt, sondern auch, dass es weder eine innig betende Elisabeth vorm Marienbild, noch einen plötzlich grünenden Pilgerstab und schon gar nicht die vorgesehenen Erlösungen auf der Bühne gibt. Immerhin ist am Ende der leitmotivische Spiegel der Selbsterkenntnis, in den der hier vor allem ewig suchende Tannhäuser im Laufe des Abends so häufig geschaut hatte, ohne sich darin erkennen zu können, zu guter letzt endlich nicht mehr blind. Wenn dieser Tannhäuser da nämlich in schwarzer Jeans und schwarzem T-Short allein vor dem Spiegel steht, dann her er zumindest eine Chance, sich selbst zu finden.

Vergrößerung in neuem Fenster

Die Pilger kommen zurück aus Rom
Im Zelt Elisabeth und Wolfram
Rechts der als Frau Tod durch die
Szene schreitende Hirtenknabe

Seine Suche fing in einem Venusberg an, der selbst schon ein räumliches Sinnbild für pures Scheitern war. Ein düsterer Raum an dessen Wänden verunstaltete Fotos aller möglichen ausrangierten Heilsbringer gepinnt waren. Von Hitler über Franco bis Breschnew alles querbeet. Davor sitzt ein ziemlich deprimiert wirkender Tannhäuser mit Barrett auf dem Kopf in einem Haufen von symbolischen Ideologiegerümpel, das die handfeste, eher an ein Flintenweib, als eine Liebesgöttin erinnernde Venus hier wohl zusammengetragen hat. Sieht aus wie bei Jonathan Meese. Und bietet auch Kreuze mit Herzchen, die sich schwungvoll zerdeppern lassen. Eine so verzweifelte Venus hat man (vielleicht seit Konwitschnys Dresdner Schnapsdrossel) lange nicht gesehen. Sie zielt auch schon mal mit der Pistole auf ihr Sammlerstück Tannhäuser oder begießt sich ebenso theatralisch mit Benzin, wie sie dann mit dem Feuerzeug rumfuchtelt. Manche mögen's eben heiß.

Die entschlossene Flucht von hier, durch eine Tür, endet dann für Tannhäuser aber nicht in der freien Natur und der Erinnerung daran, sondern in einem beklemmend verwinkelten Labyrinth. Der Hirtenknabe, auf den er hier trifft, hat auch nichts von einer folkloristisch angehauchten Hosenrolle, sondern ist eine dunkel allegorische Frau Tod. Wenn das denn eine Frau Marianne der Freiheit sein sollte, dann ist schon lange a.D. und nur noch ein Schatten ihrer selbst. Mit Totenschädelzügen und nackter Brust über der Schärpe eines verschlissenen Kleides. Immer wieder taucht diese Figur auf, zeigt auf die Türen, die für mögliche Identitäten oder Lebensoptionen stehen, aber doch keinen Weg oder Ausweg für Tannhäuser eröffnen. Auf der Suche nach sich selbst, ist eben jedes Leben eines zum Tode hin, so die etwas profane und traurige Botschaft.

In dieser beklemmend, in sich geschlossenen Welt trifft Tannhäuser auf eine merkwürdig uniformierte Pilgergemeinschaft, die vor einem ans Kreuz geschlagenen Schwan betet, während über ihren Köpfen ein rot leuchtender Gralskelch hin und her baumelt. Landgraf und Sänger schließlich kommen in kühl sterilem türkis-blau, Einheitsblondperücke und gleichgeschalteter Gestik wie Klone daher. Wenn schon nicht tot, so doch immerhin so leb- und leidenschaftslos, dass selbst ihr Leitbild Elisabeth nur noch eine Idee ist, die man sich besser als Schaufensterpuppe ausstaffiert, um sich nur ja nicht, durch menschliches, weibliches Charisma irritieren zu lassen. Dass diese Wartburg mehr ein Gespensterschloss ist, als ein Ziel für den Sinnsucher Heinrich wird schon durch die kleinen Defekte klar, die bei einigen dazu führen, dass sie sich in die falsche Richtung drehen oder partout die Hände nicht über der Brust kreuzen wollen. Die paar fehlgesteuerten Exemplare vermag der Landgraf ja noch leicht auszusondern. Beim Sängerwettstreit finden die sich auf allen Vieren an der Rampe wieder. Mit Wolfram hat er da schon größere Schwierigkeiten. In ihm sind weder die Zuneigung für Tannhäuser, noch die Leidenschaft für die lebendige Elisabeth erloschen. Er gibt im engen, verbliebenen Kreis den Ersatz-Außenseiter (trägt als einziger auch keine Strohblondperücke) und wird immer wieder ziemlich handgreiflich von Herrmann zur Raison gebracht.

Vergrößerung in neuem Fenster Tannhäuser lässt die Hüllen fallen….
Szene aus dem dritten Akt Tannhäuser umgeben
von seinen verschiedenen Identitäten
(oder Sehnsüchten……) in der Mitte Stephen Gould

Elisabeth schließlich erinnert in ihrer wütenden Verzweiflung fast schon an eine nur noch geduldete Elektra. Ihr verschlissenes Kleid ist mit einem schwarzen Schleier überzogen, der Ärmelhandschuh durchlöchert. Wenn Wolfram und Heinrich hier auftauchen steigt nicht nur die emotionale Raumtemperatur. Alle drei versuchen mit ihrer Gegenwart aufzuräumen, in dem sie die Erinnerungstücke ihrer Vergangenheit, von Wimpeln und Thüringenfahnen bis zu den Siegespokalen und Stühlen, zu einem Scheiterhaufen schichten, und anzünden. Am Ende dieses Aktes steht nach dem Eklat beim Sängerfest wieder eine Flucht - für Heinrich, und auch für Wolfram und die leibhaftige Elisabeth. Zwar nicht "Nach Rom!" wie Heinrich singt, dafür aber ins Licht, dass durch eine aufgerissene Tür einfällt. Solange denn noch Leben in ihnen ist.

Am Ende, wenn Heinrich bei sich selbst angekommen ist, und Elisabeth erschrocken feststellt, dass er sie gar nicht mehr braucht, lässt Katharina Wagner wenigstens Elisabeth und Wolfram entkommen. Es ist ein Fluchtversuch ins Leben, vielleicht jedenfalls. Für den dritten Akt hat Tilo Steffens seinen Bühnenraum auf den klarsten und eindrucksvollsten Nenner gebracht. Es ist eine Sackgasse aus Wänden, nach hinten verjüngt und mit über dreißig Türen, die in unterschiedlichen Höhen verteilt sind. Hinter jeder lauert eine Identität oder Lebensoption für Tannhäuser. Frau Tod jedenfalls weist immer wieder auf die falsche. Vielleicht gibt es ja gar keine richtige, sondern eben nur jenen Blick in den Spiegel auf und in sich selbst.

Vor dieses nachdenklich, werkkritische Finale hat Katharina noch ein eindrucksvolles Bilder-Crescendo gesetzt. Da hocken Wolfram und Elisabeth wie die Kinder in einem selbstgebauten Zelt und ihre Lampe illuminiert den Sternenhimmel, da kommt Heinrich aus Rom in der vollen, weißen Pracht eines Papstornats samt Tiara, da werden alle möglichen anderen Identitäten traumtänzerisch im Hintergrund noch einmal lebendig.

Vergrößerung in neuem Fenster

Tannhäuser und die Pilger
Vor dem Schwan und unter dem Gralskelch
(so nach dem Motto fast der ganze Wagner in einem Bild)

Katharina Wagners siebente Opernregie (darunter nach „Holländer“ in Würzburg, „Lohengrin“ in Budapest, den „Meistersingern“ in Bayreuth und „Rienzi“ in Bremen die fünfte eines Werkes ihres Urgroßvaters) ist überzeugend gelungen. Sie zeigt erneut einen eigenständig, von den heiligen Kühen der Rezeptionsgeschichte emanzipierten und schlüssig umgesetzten Zugriff. In einer Ästhetik, die, dank Tilo Steffens Bühne und Thomas Kaisers Kostümen, wiedererkennbar ist. Und mit einer durchdachten, werk- und rezeptionskritischen Pointe (Dramaturgie: Carsten Jenß). Dass diese Regisseurin souverän mit leitmotivischen Verweisen (wie dem Schwan, dem Gralskelch der Pilger oder einer Liebestodanspielung beim letzten „Kampf“ von Venus und Tannhäuser) das Gesamtwerk Richard Wagners nicht nur im Blick hat, sondern das auch auf die Bühne bringen kann, hat gerade bei dieser Regisseurin selbstreferenziellen Witz.

Musikalisch gelang es Pedro Halffter mit dem örtlichen, auf Konzerte geeichten Orchester zwar nicht an das in Spanien gegenwärtig führende Wagner-Orchester in Valencia heranzukommen, aber er steuerte (trotz verkürzter Hauptprobe) einen mehr als respektablen, beredt dramatischen Orchesterklang bei, der auch den aus Bratislava eingeflogenen Chor (manchmal hörbar) bis an seine Leistungsgrenzen mitriss. Die Sängerbesetzung hätte durchaus auch das jetzt wieder mit mehr Nachdruck anvisierte Bayreuther Niveau: Mit einem Stephen Gould in mühelos aufstrahlender Hochform und genügend spielerischer Sensibilität, um aus der Romerzählung ein dramatisches Kabinettstück zu machen. Mit einer vehement leidenschaftlichen, ohne Göttinnen-Attitüde auf die Verzweiflung dieser Frau setzenden Venus von Evelyn Herlitzius. Mit einer sich selbst übertreffenden Richarda Merbeth als Elisabeth und dem (als Glücksfall) noch recht spät eingewechselten Markus Eiche als einem mit Verve und ohne weinerliche Resignation agierenden Wolfram. Weil auch der Rest der Sängertruppe unter Führung des profund bestimmenden Landgrafen von Reinhard Hagen und der allgeorische Hirtenknabe von Maite Robaina überzeugten, ist es wirklich schade, dass dieser Sängerkrieg so weit ab von der Wartburg und dem so kontroverselustigeren, heimischen deutschen Publikum ausgetragen wurde. In diesem Falle wäre mal nichts gegen eine Übernahme an eines der gut funktionierenden deutschen Stadttheater einzuwenden. Im günstigsten Fall mit dieser Besetzung. Und eigene Chöre gibt es da ja meistens auch noch.


FAZIT

Katharina Wagner hat im fernen Gran Canaria mit einem klug durchdachten und schwierigen Bedingung vor Ort abgerungenen Tannhäuser voll überzeugt. Musikalisch boten auch das Orchester und der Chor das Fundament für eine Glanzleistung der Sänger, die höchsten Wagner-Ansprüchen genügte! Man kann nur hoffen, dass sich ein cleverer Intendant in Deutschland dazu verführen lässt, sich diese Produktion zu sichern, bevor sie in Gran Canaria entsorgt wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Pedro Halffter

Inszenierung
Katharina Wagner

Bühne
Tilo Steffens

Kostüme
Thomas Kaiser

Licht
Andreas Grüter

Dramaturgie
Carsten Jenß

Chor
Blana Juhaòáková



Orquesta Filarmónica
de Gran Canaria

Coro Filarmónico Eslovaco


Solisten

Hermann, Landgraf von Thüringen
Reinhard Hagen

Tannhäuser
Stephen Gould

Wolfram von Eschenbach
Markus Eiche

Walther von der Vogelweide
Gustavo Peña

Heinrich der Schreiber
Ángel Rodríguez

Biterolf
Felipe Bou

Reinmar von Zweter
Danilo Gabriele Serraioco

Elisabeth, Nichte des Landgrafen
Ricarda Merbeth

Venus
Evelyn Herlitzius

Ein junger Hirt
Maite Robaina

Edelknaben
Nina Fejova
Ingrid Husakova
Maria Ivanecka
Karina Sandtnerova



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