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Wenn der Kreis aber nur ein Kreis ist
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Von Joachim Lange
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Fotos von Andreas Birkigt
Mag ja sein, dass Filmemacher Werner Schroeter für seinen Lebenstraum, die reichlichen Ausflüge vom Set auf die Opernbühne mit einem Don Giovanni zu krönen, einen ganz eigenen magischen Ort gesucht hat. Jenseits des dichten Unterholzes verbrodelnder Leidenschaften, wie ihn Claus Guth in seinem Salzburger Bühnenwald gesucht (und gefunden) hat. Und auch jenseits der Melange aus Eros und Macht, mit der Filmkollege Michael Haneke in Paris seinen Giovanni aus den Chefetagen von heute stürzen ließ. In Leipzig hat er ihn jedenfalls nicht gefunden.
Bei ihm kann sich Don Giovanni immerhin vom Komtur losreißen. Dieser düster klingende und dreinblickende Herr im eleganten Schwarz fährt allein in jenen Höllenschlund zurück, aus dem er mit viel Dampf aufgetaucht war. Bei seiner Selbsteinladung zum letzten Mahl war nur der Kopf von Hidekazu Tsumaya in diesem Kreis zu sehen und zu hören. Dahinter ein Steinkreuz mit den Jahreszahlen 1787 und 2009. Dazwischen das Wort Papa.
... Ottavio (Tiberius Simu) und Anna (Elaine Alvarez, die krankheitsbedingt nur spielen, aber nicht singen kann) neben dem Kreis ...
Was man ja durchaus als spröde Ironie nehmen kann, zu der dann Giovannis Flucht durch den Zuschauerraum passt. Als alles vorbei ist und Leporello ihm folgen will, da trifft er beim Öffnen der Saaltür natürlich auf seinen Herrn. Und doch springt auch bei dieser Schlusspointe der szenische Funke in Leipzig nicht (mehr) über.
Die Relevanz für die heutigen Befindlichkeiten dieses ja längst nur noch von seinem Ruf zehrenden, aber nichts auf die Reihe kriegenden männlichen Über-Egos, zeigt Schroeter nur als verblasstes Abziehbild. Alberne Anbiederung statt Charisma. Man sieht nur die Behauptung des Begehrens, statt die erotische Faszination oder eine Ahnung davon. Vielleicht kommt ja Donna Elvira deshalb mit einer Sonnenbrille auf die meist kerzenscheindämmerige Bühne, weil sie ihre Vorstellung von Don Giovanni gar nicht mehr mit dem Original vergleichen will. Und vielleicht lässt sie ja deshalb Leporello so dreist grapschend gewähren, während er das Register der Eroberungen vorträgt.
Bei diesem Don Giovanni hält man das eher für Dichtung als für Wahrheit. Spätestens bei der lebensgeradeaus trällernden und wohl auch so fühlenden Zerlina (Susanna Andersson) kollidiert dieser mögliche, einende Ansatz mit der szenischen Umsetzung. Die setzt nämlich immer wieder dezidiert beim Detail an und versucht von da aus Schwung zu holen. Doch der reicht dann nur für dauerndes Herumrennen der Akteure (was beim Chor geradezu hilflos wirkt). Nicht aber für eine verglühende Lebensbahn, die für die Zurückbleibenden ein emotionales Vakuum oder wenigstens eine Lücke hinterlässt.
Mitten auf der leeren Spielfläche, vor dem mit Calablüten bemalten Hintergrundprospekt hat Alberte Barsacq jenen Kreis platziert, der ja immerhin zum Höllenschlund wurde. Wenn ihn die Akteure betreten, dann geht es manchmal um etwas Wichtiges. Manchmal aber auch nicht. Am Ende ist er Nichts als ein ganz gewöhnlicher Kreis. Jedenfalls kein magisches Gravitationszentrum. Und so ist das eigentliche Phänomen dieses Abends, dass die Oper der Opern nicht nur in lauter einzelne szenische Assoziationsübungen aufgesplittert wird, sondern, dass sie in purer Langeweile zerbröselt. Denn allen Finessen, die Sébastien Rouland dem Gewandhausrochester zu entlocken vermag, zum Trotz kann er aus dem Graben nicht nachliefern, was auf der Szene fehlt. Nämlich der Theatercharme einer merkwürdig jenseitigen und zugleich deftig diesseitigen Geschichte von Eros, Tod und Begehren, die gleichwohl auch jede Menge Komödiantenfutter bietet.
... und Leporello (Toumas Pursio) und Elvira (Jean Broekhuizen), hier aber ohne Kreis.
Konstantin Gorny, der nicht nur sein Ständchen in den (halb erleuchteten) Saal zu schmettern hat, kann seine stimmliche Kompetenz als Giovanni gleichwohl gegen den ihm auferlegten Secondhand-Habitus behaupten. Bei Toumas Pursios Leporello ist es eher umgekehrt. Während Tiberius Simu seinen braven Ottavio mit Momenten von schönem Schmelz ausstattet und die Elvira von Jean Broekhuizen auf elegante Verve setzt, hatte Malin Byströms Donna Anna das Publikum auf ihrer Seite. Susanna Andersson überzeugte als leichtfüßige Zerlina mehr als ihr schwächelnder Masetto von Roman Astakohov. So als gehöre er selbst zur Inszenierung, hatte der sehr fragil wirkende Werner Schroeter anfangs verkündet, dass grippebedingt Malin Bytröm der auf der Bühne agierenden Elaine Alvarez ihre Stimme leihen würde. Es gebe Schlimmeres als Figur und Stimme der Donna Anna getrennt zu erleben, meinte er. Wohl wahr. Beifall ohne Überschwang.
Dieser Leipziger Don Giovanni ist nahezu durchweg eine Enttäuschung. Schade.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Regiemitarbeit
Bühne und Kostüme
Choreinstudierung
Der Komtur
Don Giovanni
Leporello
Donna Anna
Donna Elvira
Don Ottavio
Zerlina
Masetto
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