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Musiktheater
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Madama Butterfly

Japanische Tragödie in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
nach dem Schauspiel Madame Butterfly von David Belasco
Musik von Giacomo Puccini


Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 1. November 2008


Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Povera Butterfly

Von Thomas Tillmann

Nicht beruhigen vor Begeisterung konnten sich manche Zuschauer und auch manche Kolleginnen und Kollegen angesichts der neuen Kölner Butterfly, ohne dass der Rezensent auch nur ansatzweise verstanden hätte, warum (und mit dieser Sicht auch nicht allein war an diesem Abend, auch wenn sich kaum jemand zu Buhrufen entschließen konnte). Der inzwischen als Intendant abgelöste Christoph Dammann war es, der die Idee zu verantworten hatte, einen durchaus begabten Ausstatter seine Regieambitionen ausleben zu lassen (ähnlich geschehen bereits mit Operntausendsassa José Cura in der vergangenen Saison mit seinem problematischen Maskenball).

Nun ist Puccinis Madama Butterfly ja Kummer gewohnt und nicht wirklich "kaputt zu kriegen". Bemerkenswert geduldig zeigt sich das Publikum am Anfang, als zu penetrantem Zikadengezirpe Butterflys Mutter die Bühne betritt und traditionelle Kalligraphie betreibt, dies alles minutenlang und ohne Musik und nur, weil Patrick Kinmonth Matsuo Bashos "Nichts in der Stimme der Zikade sagt, wie bald sie sterben wird." gefunden und zur Hauptinspiration seiner Arbeit erhoben hat (selbstverständlich endet die Pantomime mit angedeutetem Harakiri). Grundsätzlich überzeugend ist die Idee, Butterfly auf einem Hügel weit weg von der Stadt leben zu lassen ("Ich möchte ihre Einsamkeit nicht mit Menschenmassen auf der Bühne konterkarieren. Ich möchte intime Momente schaffen.", erklärt der Künstler), und so lässt er zur eigentlichen Hochzeitszeremonie vor üppigem Blütenfeld (das hat man auch schon eindrucksvoller gesehen, dabei ist doch Ausstattung Kinmonths "Kerngeschäft"!) nur ein paar von Butterflys "Freunden" aus den Hinterhöfen Nagasakis aufmarschieren. Ansonsten wird alles aufgeboten, was Ileana Cotrubas in ihrem polemischen, aber nach wie vor lesenswerten Buch Opernwahrheiten als "Ausdeut-Oper" und "Anreicherung" von "Additionalisten" geißelt: So erfahren wir in einer Tanzszene während des sinfonischen Intermezzos, das selbstverständlich ebenfalls durchinszeniert werden muss, dass Butterflys Vater keineswegs ein Japaner war, sondern bereits auch schon ein GI, der ihre Mutter (sehr ausdrucksstark wie den ganzen Abend über wirkt hier Eriko Yamashiro, Ballettsolistin der Rheinoper) ähnlich behandelt hat wie jetzt Pinkerton sie. Jetzt verstehen wir auch, warum am Ende des Liebesduetts Butterfly den Offizier rasiert, so hatte es die Mutter damals, von ihrer kleinen Tochter beobachtet, auch gemacht.

Die eigentliche Geschichte von Butterfly erscheint als Rückblende, was wahrlich auch kein neuer Einfall auf den Opernbühnen dieser Welt ist. Wir sehen Japaner, die sich ihrer Wurzeln kaum noch bewusst zu sein scheinen, sondern die sich optisch und in ihrem Verhalten an ihre amerikanischen Besatzer angelehnt haben. Eine von ihnen ist Butterfly, blondgelockt wie aus einem Film der vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, aus genannten Gründen. Pinkerton begrapscht auch schon eine von Butterflys Dienerinnen, die das keineswegs beschämt, vor der eigentlichen Hochzeitsnacht bekommt er von Bonzos Securities ordentlich was auf die Nase und in die Magengrube, was manchen befremdet und wenig Sinn macht, nicht weiter aufgegriffen wird, sondern nur vom Hauptgeschehen ablenkt. Wirklich beklemmend gelingt eigentlich nur die Szene, in der Butterflys Angst ihren Ausdruck in der Fantasie findet, dass sie von dem Geliebten wie ein Schmetterling aufgespießt wird. Dieser Pinkerton ist höchst unsympathisch, trotz oder gerade wegen seines Sexappeals und seiner "lauten" Männlichkeit, die Hochzeitsnacht ist letztlich nichts als eine Vergewaltigung, für die Butterflys herzlose oder auch traumatisierte Mutter ordentlich Devisen bekommt.

Unzählige Male hat man dagegen ab dem zweiten Akt eine detailverliebt gestaltete amerikanische Küche gesehen, hier natürlich der schrägen Spielfläche und dem Rahmen angepasst. Vordergründig und platt fand ich, dass Butterflys Garten nach Pinkertons Verschwinden nur noch ein Staubhügel ist, den Bühnenregen mitunter in Matsch zu verwandeln vorgibt, einmal mehr ein überflüssiges Mätzchen, dass Suzuki Butterfly einen Moment zu lang küsst und dafür Ärger kassiert - weniger wäre hier und an vielen anderen Stellen mehr gewesen. Es ist ein Irrtum, dass solche Einfälle eine Handlung, der man offenbar insgeheim misstraut, aufpeppen, sie lenken vielmehr davon ab, dass hier jemand dem Werk nicht nachhaltig gerecht geworden ist und sich in einem Wust von weder rasend originellen noch intelligenten Ideen verzettelt hat. Bestes Beispiel ist da die Schlussszene: Wir haben uns alle geirrt, die blonden Haare waren doch nur eine Perücke, im Sterben vor den Augen Pinkertons und seines Sohnes offenbart Cio-Cio-San im letzten Moment doch ihre wahre, japanische Seele.

Es spricht Bände, wenn man den Interpreten der Kate Pinkerton und des Goro die besten vokalen Leistungen des Abends attestieren muss, natürlich gemessen an der Größe ihrer Rollen: Die Kolumbianerin Adriana Bastidas Gamboa verfügt über einen prägnanten Mezzosopran, Landsmann Andrés Felipe Orozco Martínez über einen frischen, gesunden, sehr angenehm timbrierten lyrischen Tenor, und beide gaben sich auch darstellerisch große Mühe, ohne dabei zu "überspielen".

Natürlich singt Ausrine Stundyte, Trägerin des Offenbach-Preises der Oper Köln, manch wunderbares Piano und hat dann große Momente (wie in meiner Besprechung des Fests der schönen Stimmen im Januar 2007 bemerkt: "Angenehm klingt der eher herbe ... Sopran vor allem im Piano, und dies schlug die aus Vilnius stammende Künstlerin ... überwiegend an") und rührt an, aber es gibt auch Momente, in denen man eine farbige, kraftvolle Stimme voller Höhenglanz und "Peng" hören möchte (Wolfgang Molkow nennt das "das ausladende Pathos" der bekannten Butterfly-Arie), und die bleibt die Sängerin schuldig. Ihr Sopran an sich ist ein unausgeglichener, so passte schon das ziemlich kurze, aber glänzend gelungene Des im Auftritt nicht zum Rest der nicht eben vibratoarmen, vor allem in der Mittellage kraftvollen Stimme, was Gerüchte auslöste, nach denen die Protagonistin sich den heiklen Ton von einer Choristin auf der Seitenbühne ausgeliehen hat (sowas gibt es aber heute wohl wirklich nicht mehr). Gern bleibt die Nachwuchssängerin auch unter der angepeilten Tonhöhe, und darstellerisch kann man ja bei dieser anrührenden Partie kaum etwas falsch machen.

Als "unscheinbar" hatte Kollege Schmöe Viola Zimmermann als Zweite Dame beschrieben, was bei der Mozartpartie passieren kann, bei Puccini aber nicht, gerade in einem Regiekonzept, das die Rolle der Suzuki durchaus ernst nimmt und ihr emanzipatorische Impulse zuerkennt; die Künstlerin kämpfte mit der tiefen Lage und ließ auch ansonsten eine ziemlich begrenzte, uninteressante Comprimariastimme hören, der man Hauptrollen nicht anvertrauen sollte. Bruno Caproni ist ein beliebter, verdienter Künstler, der auch viel Erfahrung mit dieser Rolle hat, aber vokal gilt leider auch hier das, was ich bereits über seinen Renato im Un ballo in maschera in der vergangenen Spielzeit festhalten musste: Die "Stimme hatte früher mehr Glanz, Farbe und weniger Gebrauchsspuren, die Töne wurden mit weniger Druck erreicht", wie schade. Die Regieidee, dass Sharpless sich zusätzlich zu den ohnehin angebotenen Spirituosen auch noch dauernd aus einem mitgebrachten Flachmann bedienen muss, ist eine beliebige, die nicht weiterführt, dem Sänger aber hilft, die Stimmbänder feucht zu halten.

Andrew Richards ist seit Beginn der Spielzeit 2005/2006 Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper und hat auch bereits in Hamburg, München, Dresden und in Covent Garden erfolgreich debütiert - an diesem Abend hatte man den Eindruck, dass seine attraktive Physis und der wohl definierte Bizeps für die Szenen im Tanktop den Ausschlag für sein Engagement gegeben haben müssen, denn vokal konnte er bei mir nicht punkten: Ich habe eine unausgeglichene Stimme mit angenehm dunkler Färbung in der Mittellage und akuten Problemen beim Erreichen hoher Töne trotz oder gerade wegen des hohen Krafteinsatzes und unter Verlust von Farbe und Klangqualität (gleiches gilt für ohnehin selten versuchte Töne im Mezzoforte und Piano!), zu viel Geschmetter und zu viele Schluchzer gehört, da kann die Agentur noch so viele Jubelmeldungen verschicken und mit Interviewterminen locken. Ich habe mich auch gefragt, ob der völlig verpatzte Schlusston des Ariosos eine Reminiszenz an den Kollegen der ersten Kölner Aufführung im Januar 1909 war - die Kritik des Abends ist neben einer sehr lesenswerten Werkanalyse von Wolfgang Molkow Füller im Programmheft und berichtet von derselben Panne.

Einmal mehr war auch das Gürzenich-Orchester ein ganz schwacher Punkt: Mitunter vergaß man beinahe, dass ein Orchester beteiligt war, wären da nicht die Spielfehler und Ungenauigkeiten in manchem Detail, die mein Kollege Stefan Schmöe bereits bei der Zauberflöte moniert hatte, die längste Zeit plätscherte Puccinis farbenreiche, mitreißende Musik belanglos, ohne Höhepunkte und wie kastriert vor sich hin - sehr traurig, was Enrico Delamboye da anzubieten hatte, das lässt sich auch nicht damit entschuldigen, dass die Sänger so ein vergleichsweise leichtes Spiel hatten.


FAZIT

Auch hinsichtlich des Fazits kann ich zitieren, was Stefan Schmöe angesichts der Mozart-Produktion resümierte: "Eine ziemlich wirre, wenig plausible Inszenierung", überladen dazu und der Vorlage wenig zutrauend. Und auch musikalisch war dieser Abend mit deutlich mehr Tiefen als Höhen nicht dazu angetan, den Jubilar aus Lucca angemessen zu ehren.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Delamboye

Inszenierung
Patrick Kinmonth

Bühne und Kostüme
Patrick Kinmonth
Darko Petrovic

Licht
Hans Toelstede

Chor
Andrew Ollivant

Choreografische Mitarbeit
Athol Farmer


Statisterie der Oper Köln

Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der Premiere

Madama Butterfly
(Cio-Cio-San)
Ausrine Stundyte

Suzuki
Viola Zimmermann

Kate Pinkerton
Adriana Bastidas Gamboa

B. F. Pinkerton,
US-Offizier
Andrew Richards

Sharpless, US-Konsul
* Bruno Caproni /
Alfredo Daza /
Miljenko Turk

Goro
Andrés Felipe Orozco Martínez

Yamadori
Jeongki Cho

Onkel Bonzo
Wilfried Staber

Kaiserlicher Kommissar
Abraham Singer

Ein Standesbeamter
Christoph Westerkamp

Butterflys Vertraute
Andrea Andonian

Yakusidé
Jong Min Lim

Tante
Akiko Sawatari

Cousine
Yoshiko Kaneko-Schüler

Butterflys Mutter
Eriko Yamashiro

Butterflys Vater
Ralf Giebel

Butterfly als Kind
Emilia Wilms-Posen

Butterflys Sohn
Henry Vito May


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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