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Musiktheater
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Idomeneo
Rè di Creta, ossia Ilia ed Idamante, KV 366


Dramma per musica in tre atti
von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto: Giambattista Varesco


Aufführungsdauer: ca 3h 40' (eine Pause)

Konzertante Aufführung am 25.11.2008
in der Kölner Philharmonie

Logo: Kölner Philharmonie

Kölner Philharmonie
(Homepage)

Nahezu festspielreif

Von Bernhard Drobig

Nur knappe fünf Monate nach der Aufsehen erregenden Grazer Neudeutung durch Nikolaus Harnoncourt widmet sich in diesen Tagen der jüngst zum Ehrendoktor der Universität Gent gekürte René Jacobs für eine Konzerttournee und parallel dazu entstehende CD jenem IDOMENEO, in den Mozart, einem lange erwarteten Auftrag des von Mannheim nach München übersiedelten Kurfürsten Carl Theodor folgend, mit besonderem Eifer und Ehrgeiz die ganze Fülle seines Könnens hat einfließen lassen. Bestrebt, der Leistungshöhe des renommierten Hoforchesters und den Ausdrucksmöglichkeiten der aufgebotenen Sängerriege optimal Rechnung zu tragen, suchte Mozart offensichtlich dem Geschmack seines frankophilen Auftraggebers auch dadurch zu entsprechen, dass er die ihm übergebene Vorlage, das von Antoine Danchet stammende Libretto für Campras gleichnamige Tragédie lyrique von 1715 dazu nutzte, deren Formensprache mit der der italienischen Opera seria zu verbinden.

Als Nikolaus Harnoncourt das Werk im Juli nicht nur musikalisch, sondern auch szenisch einstudierte, hob er darauf ab, dass Mozart hier im Grunde eine Tragédie lyrique in italienischer Sprache geschaffen habe, René Jacobs lässt in seiner Interpretation - hier nach dem Eindruck der konzertanten Wiedergabevom 25.11. in Köln - auch die unverkennbaren Anteile am Stil der Seria als solche aufklingen. Beide Dirigenten zogen die Fassung der Münchner Uraufführung von 1781 heran, Harnoncourt neben dem Krakauer Autograph auch die Dirigierpartitur des Carl Cannabich, in der sich Mozarts umfangreiche Striche letzter Hand befinden, Jacobs die noch ungedruckte Revision der Neuen Mozart Ausgabe mit den seit 1972 gemachten Neuentdeckungen. Harnoncourt hielt sich mit Ausnahme der Elettra-Arie im dritten Akt an des Komponisten rigorose Striche, während Jacobs nur die von Mozart bereits in einem früheren Stadium gemachten Aussparungen berücksichtigte, nicht aber diejenigen, die, wie er zitiert wird, aus rein äußeren Gründen während der Proben vorgenommen worden seien. Darüber hinaus freilich verzichtete er auch auf die abschließende Ballettmusik, die, so das Abendprogramm, ohne Choreographie keinen Sinn hätte, auf der CD dann aber zu hören sein werde.

Schade um diese Chaconne, die hier nicht etwa ein unverbindlicher Annex höfischen Zeremoniells ist, sondern ein essentielles Gegengewicht zu dem ungeheuerlichen Geschehen des dritten Aktes bildet, das Mozart eher aus genialer Intuition als aus sonstigen Gründen für die Uraufführung so stark verdichtet haben dürfte: Idomeneo sieht sich gezwungen preiszugeben, dass er für die Rettung aus Seenot Neptun einen Menschen zu opfern gelobt hatte, was seinen Sohn Idamante trifft, der dies trotz selbstlosen Einsatzes für sein Land und Volk pietätvoll akzeptiert, während die in ihn verliebte trojanische Prinzessin Ilia sich als Ersatzopfer in den Todeshieb des Königs wirft, was selbst Neptun bewegt, auf die Erfüllung des Gelübdes zugunsten eines neuen würdigeren Königs zu verzichten. Rücktritt, Huldigung, Hochzeit und die Befreiung von der rigiden Inhumanität einer unzeitgemäßen Sanktionsreligion, das alles drängt nach mehr als einem Jubelchor und findet eben in den immer wieder neuen Ansätzen und Wendungen einer Chaconne seinen adäquaten Ausdruck. So dankbar man also jetzt für die nahezu vollständige Wiedergabe der für München geschaffenen Idomeneo-Partitur sein durfte, man schied, abgesehen von einem mit zunehmender Zeitdauer sich einschleichenden Unbehagen mit der sich langatmig entwickelnden Schlussdramatik, mit Wehmut, den abschließenden Freudentaumel nicht erlebt zu haben.

Dies umso mehr, als sich doch alle Gesangssolisten bis in die jetzt mitberücksichtigten Nebensächlichkeiten hinein mit vollem Einsatz engagiert hatten. Allen voran Bernarda Fink, die die vielfältigen Gefühlsspannungen des Idamante wie unmittelbar neu erlebt mit dem ganzen Facettenreichtum ausgereifter Gestaltungsmöglichkeiten auslotete und beseelte, im übrigen ihren wohltuend unangestrengten und doch mitreißenden Mezzosopran auch mit unaufdringlicher Mimik und Gestik verband, am schönsten bei den ersten Liebesblicken auf die in Kreta gefangene trojanische Prinzessin Ilia. Ihr schenkte Sunhae Im, auch sie mit gefälligen gestischen Andeutungen, ihren lieblich wirkenden und doch auch dramatischer Akzente fähigen hellen Sopran, in der Erlebnisintensität zwar geringer als Bernarda Fink, im Lyrischen jedoch mehr Flair verbreitend als die stimmlich fülligere Sopranistin Alexandra Pendatschanska, deren eigentliche Stärke in den schwungvollen Bravouren ihres Parts hervortrat. Richard Croft in der Rolle des Idomeneo kam mit seinem elegant glatten und weichen Tenor so recht erst im dritten Akt voll zur Wirkung, irritierte zuvor durch seltsam disponierte Silbenforcierungen, die man kaum der Angst und Hilflosigkeit des Idomeneo bei der Erkenntnis der verhängnisvollen Folgen des Gelübdes hat zuordnen können. Für den Königsvertrauten Arbace bot Kenneth Tarver einen in der Höhe heldisch strahlenden, zur Tiefe hin schwächeren Tenor, schien seine Arien jedoch eher um ihrer selbst willen zu singen, während sein Stimmfachkollege Nicolas Rivenq mit markant baritonalem Einschlag die Rolle des rigiden Oberpriesters angemessen handlungsbezogen gestaltete. Wenig profund wirkte der Bass Luca Titotto in der erlösenden Botschaft aus dem Jenseits, Folge wohl der hier durch andere Bläsermelange ersetzten Posaunen, deren Klang auch erst auf der CD zu hören sein wird.

Der RIAS Kammerchor bewältigte die Darstellung der ihm zufallenden Affekte in bewährter Solidität, überzeugend vor allem in seiner Artikulationsprägnanz und Transparenz sowie der vokalen Abbildung der ihm bei einer szenischen Aufführung obliegenden Attitüden etwa des Entsetzens oder Fliehens. Das Freiburger Barockorchester engagierte sich nach Kräften, in den Bläsern deutlich erfolgreicher als in der Streicherformation, der es bisweilen an Akkuratesse in Intonation und Zusammenspiel gebrach, so sehr temperamentvoll auch die Konzertmeisterin dies durch aufdringliches Subdirigat dem Auge des Zuhörers als vorhanden suggerieren wollte.

René Jacobs schließlich zeigte bei seinem gewohnt kernigen, bisweilen dynamisch übersteigerten Zugriff auf die weitgehend hochgespannte Dramatik trotz aller Verve eine gutes Gespür für angemessene, nie überzogene Tempi und die Schönheit lyrischer Passagen, begnügte sich mit moderaten Verzierungen, Kadenzen ohne Hochtonbrillanz sowie mit relativ schlicht differenziertem Basso continuo, und schien generell das bisweilen pointillistisch anmutende Filigran einzelner Orchesterstimmen zugunsten eines ausgewogeneren Orchesterklangs weniger konturiert als vielmehr integriert hören zu wollen.


FAZIT

Alles in allem: Eine ziemlich vollständige Wiedergabe der für die Münchner Uraufführung geschaffenen Partitur, eine nahezu festspielreife Sängerbesetzung, eine fast perfekte Verschmelzung von dramatischer Spannkraft und lyrischer Schönheit. Dem Ergebnis der CD-Produktion darf man gespannt und mit berechtigten Hoffnungen entgegensehen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
René Jacobs


RIAS Kammerchor
Einstudierung:
Hans-Christoph Rademann

Freiburger Barockorchester


Solisten

Idomeneo
Richard Croft

Idamante
Bernarda Fink

Elettra
Alexandrina Pendatschanska

Ilia
Sunhae Im

Arbace
Kenneth Tarver

La Voce
Luca Titotto

Gran Sacerdote
Nicolas Rivenq


Weitere Informationen

Kölner Philharmonie
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