Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Scharlatan (Šarlatán)
Oper in drei Akten und sieben Bildern
Musik und Libretto von Pavel Haas
deutsche Übersetzung von Jaroslava und Thomas H. Mandl

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Deutsche Erstaufführung an den Bühnen der Stadt Gera
am 6. März 2009


Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 30 Minuten (eine Pause)


Homepage: Bühnen der Stadt Gera

Auf der Bühne des Lebens

Von Joachim Lange / Fotos von Stephan Walzl

Das Spottlied jedenfalls hat sich bis heute gehalten: „Ich bin der Doktor Eisenbart, kurier' die Leut' nach meiner Art“. Den Mann gab es wirklich. Er lebte von 1663-1727 und war ein Star der Jahrmärkte. Doch die bis über einhundert mit ihm herumziehenden Gaukler, Feuerfresser, Schlangenbeschwörer und Akrobaten waren nur Teil einer riesigen PR-Maschinerie, wie man heute sagen würde. Eisenbart war vor allem ein Wanderarzt, der durchaus auf der Höhe der Medizin der Zeit, seine Heil-Künste feilbot. Er operierte und wagte sich sogar an den Grauen Star und erfand medizinische Geräte. Er liebte die Bühne und taugt für die Bühne.


Vergrößerung in neuem Fenster Eisenbarth - eine Köperrevue?

Als Nico Dostal das Leben dieses Mannes, der seine schillernde Bahn über ein vom Dreißigjährigen Krieg nachhaltig verwüstetes Deutschland zog, in den fünfziger Jahren zur Operette verarbeitete, gab es ihn längst schon. Als Helden der Oper Scharlatan des Janáèek-Schülers Pavel Haas. Doch die kannte (und kennt bis heute) keiner. 1938 noch mit großem Erfolg in Brünn uraufgeführt, fielen diese Oper, vor allem aber der böhmisch-jüdische Komponist alsbald dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer. Die Oper ereilte das Verdikt entartet und verschwand gänzlich von der Bildfläche. Erst 1999 mit einer Aufführung beim Wexford Opernfestival und der bislang einzigen CD-Einspielung unter Israel Yinon für die Decca-Reihe „Entartete Musik“ begann die Nachwelt das zu korrigieren. Nicht zu korrigieren ist jedoch das tragische Schicksal des Komponisten. Der wurde 1941 (wie auch Viktor Ullmann, Gideon Klein und Hans Krása) nach Theresienstadt, ins „Vorzeigelager“ der Nazipropaganda, deportiert und dann, im Oktober 1944, in den Gaskammern von Auschwitz ermordet.

Wäre schon die Reverenz vor einem dieser so genannten „Theresienstädter Komponisten“ ein Verdienst, so kann das Theater Gera-Altenburg mit seiner deutschen Erstaufführung des Scharlatan jetzt obendrein einen Dienst an der jenseits des gängigen Repertoires ziemlich blinden Gattung für sich reklamieren. Das Thüringer Zwei-Städte-Theater hat ja seit längerem mehr Mut zum Seltenen als viele größere Häuser. Und auch diesmal konnte es seine vergleichsweise bescheidenen Kräfte erfolgreich dafür bündeln. Zwar hat man das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera auch schon subtiler gehört als jetzt unter dem manchmal etwas allzu forschen Jens Troester und es gab auch schon ästhetisch stimmigere Bühnenwürfe als den von Kay Kuntze und seinem Ausstatter Duncan Hayler. Aber sei's drum. Vor allem die bühnenorientierte Vitalität der Musik, bei der unüberhörbar nicht nur Einflüsse von Janáèek und Strawinksy, sondern auch des Jazz einen originellen Personalstil inspirierten, macht obendrein Lust auf weitere Interpretationen. Zumal die Komposition weder den bunten Tumult noch die melancholische Nachdenklichkeit scheut. Sie ist eine Entdeckung!


Vergrößerung in neuem Fenster

Dr. Eisenbarth bei der Arbeit

Haas, dem als Jude wegen der Rassengesetze der Nazis gar nichts anderes übrig blieb, als die Verweise auf die deutsche Romanvorlage von Josef Winckler zu kaschieren, stellte im selbst verfassten Libretto den Titelhelden dominant in den Mittelpunkt. In Gera wird zwar in der Übersetzung von Jaroslava und Thomas H. Mandl Deutsch gesungen, doch im tschechischen Original heißt dann Eisenbart nicht nur Pustrpalk, auch jede Anspielung aufs Deutsche ist getilgt. Das Übergewicht der Titelfigur ist für jede Regie eine besondere Herausforderung. In den sieben Szenen geht es um den Wundermann und seine bunte Truppe, eine zänkische Ehefrau, eine verheiratete Patientin, die sich als angehimmelter Schwarm dem Tross anschließt, und um einen finsteren Mönch, der als deren Aufpasser im Libretto freilich nicht ganz zum Gegenspieler Eisenbarts geraten ist. Am Ende wird er gar zu einem „normalen“ Patienten, auf dessen Tod der Abstieg und das Ende Eisenbarts folgen. Wo schon dem Mimen die Nachwelt ja bekanntlich keine Kränze flicht, so bleibt diesem Medikus ein populäres, aber verleumderisches Lied. Bei Hass singt Eisenbart die elf Strophen in Moritatenart am Ende selbst mit. Und stirbt.


Vergrößerung in neuem Fenster Show gehört zum Handwerk

Der Bassbariton Andreas Scheibner hat sowohl das darstellerische Charisma als auch die stimmliche Kondition, um diese stücktragende Partie auszufüllen. Das Haus-Ensemble versucht sich mit mehr oder weniger Erfolg daran zu orientieren. Vor allem Karin Strocka als Eisenbarts Schwarm Amaranta, Franziska Rauch als xanthippenhafte Ehefrau Rosina und Kai Wefer als der finstere Mönch Jochimus gelingt das noch am besten. Beim reichlichen, übrigen Personal, das u.a. so auf so schöne Namen, wie Sauermilch, Spinnweb oder Rollmops hört, setzt Kuntzes Inszenierung ohnehin mehr auf die optische Attraktivität grotesker Übertreibung und eines vitalen Bühnenaktionismus. Das Changieren zwischen deftigem, stilisiert barockem Jahrmarktstreiben, einer Körperrevue mit bühnenbeherrschenden, überdimensionalen anatomischen Details, ganz wörtlich von Kopf bis Fuß, und die Einbettung des Ganzen in einen stets nachtdunkel dräuenden Bühnenkasten kommt dem Episodenhaften der insgesamt sieben Szenen durchaus entgegen. Doch verhebt sich die Metaphorik, wenn durch einen Judenstern auf Eisenbarts Umhang und eine zum sensenden Hakenkreuz stilisierte Mühle im Hintergrund, der Brückenschlag zum Zivilisationsbruch des zwanzigsten Jahrhunderts versucht wird, dem auch Pavel Haas mit 45 Jahren zum Opfer fiel.



FAZIT

Am Ende gab es verdienten Beifall für eine immerhin kurzweilig gemachte, längst überfällige und lohnende Entdeckung. Gut, dass mdr-figaro und Deutschlandradio Kultur mitgeschnitten haben.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jens Troester

Regie
Kay Kuntze

Ausstattung
Duncan Hayler

Chor
Bernhard Ott



Artisten des Artistik-Studios
„Toledos“, Gernewitz

Opernchor von Theater
& Philharmonie Thüringen

Philharmonisches Orchester
Altenburg-Gera


Solisten

Dr. Eisenbart
Andreas Scheibner

Amaranta
Katrin Strocka

Rosina
Franziska Rauch

Jochimus
Kai Wefer

Bakkalaureus
Peter-Paul Haller

Feuerfresser /Mann mit Krücken /
Deserteur / Scheusal
James Wood

Sauermilch
Günter Markwarth

Spinnweb
Johannes Weinhuber

Rollmops/König/Student
Sindre Øgaard

Schlangenbeschwörer
Bernhard Hänsch

Student / Anderer Mann /
Apotheker
David Ameln

Seiltänzer
Winfried Roscher

Theriakverkäufer
Roman Koshmanov

Stadtphysikus
Andreas Veit

Wirt
Konrad Zorn


Weitere Informationen
erhalten Sie von den

Bühnen der Stadt Gera



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2009 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -