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Rusalka

Lyrisches Märchen in drei Akten
Text von Jaroslav Kvapil
Musik von Antonin Dvorak


in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 40' (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 6. Dezember 2008


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Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Neues im Gemischtwarenladen

Von Thomas Tillmann / Fotos von Eduard Straub

Vom "Spiegelbild des etwas chaotischen Zustands des Gemischtwarenladens Rheinoper" hatte Stefan Schmöe bereits angesichts der Premiere des Eugen Onegin gesprochen - mit der Neuproduktion von Dvoraks Rusalka bekommt gibt es prächtigen Nachschub, und so entwickelt sich während der Pausengespräche in der Düsseldorfer Oper das Aussprechen des Mottos der letzten Spielzeit unter Generalintendant Tobias Richter, Finale furioso, inzwischen zum ironischenr running gag.

Ältere Düsseldorfer werden sich an die inzwischen als legendär bewerteten Aufführungen mit Hildegard Behrens, Hana Janku, Werner Götz und Malcolm Smith erinnern, die Aufführung vom 22. Februar 1975 unter der Leitung von immerhin Peter Schneider ist auf dem von der Firma Gala vertriebenen Mitschnitt nachzuhören (vgl. unsere Kritik) - und zeigt beim Wiederhören, dass damals auch mit Wasser gekocht wurde und eben auch noch auf Deutsch gesungen wurde (merkwürdig, dass Wiebka Mitza, die für die "Auswahldiskografien" verantwortlich ist, gerade diese Aufnahme unterschlägt, während sie den Mitschnitt aus Scheveningen auflistet, den die Firma Bella Voce angeboten hat und in dem im November 1976 das langjährige Ensemblemitglied Gwendolyn Killebrew als Jezibaba und Fremde Fürstin an der Seite von Teresa Stratas zu erleben ist). Die Düsseldorfer Symphoniker müssen sich jedenfalls nicht vor den Kollegen von damals verstecken, John Fiore schon gar nicht, der in jedem Takt deutlich macht, dass ihm dieses Werk, das er schon 1993 und 1997 an der Metropolitan Opera in New York dirigierte (mit Gabriela Benackova und Renée Fleming in der Titelpartie), ganz besonders am Herzen liegt. Er hat zweifellos ein Händchen für diese wunderbar schwermütige, gefühlvolle Musik, die er in ihrer Nähe zu Wagner und auch Brahms kraftvoll-wuchtig präsentiert, ohne damit den Sängern größere Schwierigkeiten zu machen. Man freut sich über viele rhythmisch sehr pointiert musizierte Passagen, aber auch wunderbar zurückgenommene, poetisch-verhaltene Momente (etwa die Einleitung zum berühmten Lied an den Mond) und solche voller Glanz (beispielsweise in der Festmusik).

Foto kommt später Der Wassermann (Hans-Peter König) weiß, dass seine Rusalka in der Menschenwelt nicht glücklich werden kann.

Dass Jiri Nekvasil und sein Ausstatter Daniel Dvorák ganz auf die Symbolkraft des Opernmärchens setzen würden, hatte man angekündigt. Dass damit offenbar gemeint war, dass der künstlerische Leiter der Oper am Prager Nationaltheater und der Intendant des Nationaltheaters Brno die Geschichte kreuzbrav und wenig originell in einem "anspielungsreichen Bühnenbild" erzählen, das "die verschiedenen Ebenen und die Magie der mythisch-märchenhaften Geschichte" betont, ahnte man bald: Leer und dunkel ist die Bühne, wenn die ersten Takte aus dem Graben dringen, nur ein blaues Irrlicht macht man im reichlich verströmten Bühnennebel aus, das natürlich niemand anders als Rusalka ist, die mit diesem Schicksal bestraft wird für ihren tragischen Ausflug in die Menschenwelt (am Ende des langen, müden Abends wird man es wiedersehen, dann aber im Verbund mit blauem Streumaterial, das nun die Rosenblätter aus dem zweiten Akt ersetzt). Wie beschaulich ist es doch auf dem Grund des Sees, da wird im blau-grünen Licht gehüpft und geschwommen, dass es eine Freude ist, da ist auch das Elfentrio nicht fern, das auf Schaukeln, die weit oben aufgehängt sind, den Wassermann neckt, der aber nicht einfach zwischen den beweglichen Seilen auftaucht, sondern aus einer Mischung aus U-Boot und Riesenkopf (mit beleuchteten Augen!) aussteigt, um mit den leichten Mädchen zu scherzen. In dieselbe Kategorie gehören die Astkonstruktion, auf der Rusalka hereingeschoben wird, und der Zwitter aus Kleinwagen und Pferdeattrappe, der dem Prinzen zugedacht ist, Ausstattungsgroßtaten, die jeder Beschreibung spotten. Zuschauer, die älter als zehn sind, beginnen zu grinsen, aber schon bald schüttelt nicht nur mancher Kollege in der Pressereihe mit dem Kopf oder schlägt die Hände vor denselben angesichts solcher Einfalt und Unbeholfenheit, die an die schlimmsten Abende der Ära Richter denken lassen, auch über die Unzulänglichkeiten der Bühnentechnik, die bei manchem Laienensemble besser funktioniert (als Beispiel seien der wackelnde Mond und all die Szenen genannt, in denen sich unter der eigentlichen Spielebene das Geschehen spiegeln sollte, was selten wirklich überzeugend klappte, am wenigsten am Ende, als auch noch der Irrenkäfig des Prinzen klemmte), die schlappen pyrotechnischen Effekte, die man getrost den Volksmusiksendungen überlassen sollte, den lächerlichen Realismus in der Küchenszene, die schlecht geklebten Spiegelstreifen, Lüster aus dem Fundus und die Tafel mit weißen Porzellanattrappen, die Schlossprunk vorgaukeln sollten und die Requisite sicher auf Trapp gehalten hat.

Foto kommt später

Die schöne Nixe Rusalka (Nataliya Kovalova) träumt von einem Leben mit dem Prinzen.

All das hätte man vermutlich ertragen, wenn sich die Geschichte nicht auch noch zäh wie der Schlamm auf dem Boden des im Stück vorkommenden Teiches dahingewälzt hätte, zumal der wechselnde Plunder auf der Bühne auch noch zwei Pausen nötig machte, die den Abend noch mehr in die Länge ziehen, während im Programmheft zurecht festgehalten wird, dass die beiden ersten Akte "zu einer dramatischen Einheit auch über die Aktgrenzen hinweg verschmolzen" sind. In diesem Begleitmaterial (das ansonsten voll von Redundanzen ist, was hoch bezahlten Dramaturgen auffallen dürfte) hätte das Regieteam auch nachlesen können, wie man den Märchenstoff psychologisch lesen und dies als Basis einer zeitgemäßen Interpretation nutzen kann. Hat die Intendanz eigentlich andere Inszenierungen des Teams angesehen?

Foto kommt später Beim Zubereiten des Festmahls diskutieren der Heger (Bruno Balmelli, links) und der Küchenjunge (Katarzyna Kuncio, rechts) die Entwicklungen am Hof des Prinzen.

Nataliya Kovalova war als Idealbesetzung für die Rusalka angekündigt worden, und trotz aller grundsätzlichen Skepsis des Berichterstatters, die er ja auch wiederholt geäußert hat, hat die Russin hier eine im Wesentlichen adäquate Partie gefunden, in der (besonders im ersten Akt) die reiche, erstaunlich voll, ausgeglichen und sinnlich klingende Mittellage der Stimme hervorragend zur Geltung kommt und das Volumen in der Tiefe die längste Zeit ausreicht. Problematisch war wie stets die hohe Lage, in der die Stimme erheblich an Qualität, Klang und Glanz verliert, mitunter unangenehm steif, vibratös, weiß und - pardon - wie am Karriereende italienischer Primadonnen der fünfziger Jahre klingt (nachzuhören etwa bei den youtube-Mitschnitten von "Casta diva" und "Un bel dì vedremo", in denen manche Töne wirklich die Schmerzgrenze streifen) und vom expressiven Schrei nicht weit entfernt ist. Dass die Künstlerin sich um das gesungene Wort die meiste Zeit wenig kümmert und interpretatorisch ziemlich allgemein bleibt, stört die Fans nicht, dass sie sich geschickt auf der Bühne zu bewegen weiß und glänzend aussieht, lieben sie.

Foto kommt später

Die Liebe zwischen Rusalka (Nataliya Kovalova) und ihrem Prinzen (Corby Welch) ist von kurzer Dauer.

Etwas enttäuscht war ich über den stimmlichen Zustand des nach wie vor raumfüllenden, große Autorität ausstrahlenden Basses von Hans-Peter König, der inzwischen doch einige Gebrauchsspuren aufweist und nur noch mit viel Kraft die heikel liegenden hohen Töne der Wassermannpartie erreicht, die mitunter erschreckend reibeisenartig klangen. Vielleicht war es aber auch einfach nicht sein Abend, ich freue mich nichstdestotrotz auf seinen Hunding im Januar. Souveräner trat da Renée Morloc in einem blöden Wagen, dessen Stoffbahnen minutenlang lautstark aufgeblasen wurden, und einem nicht besseren Kostüm als Jezibaba auf (der Ausstatter hat sich eigentlich nur bei Rusalkas Hochzeitskleid richtig Mühe gegeben), und auch vokal traf sie genau den richtigen Ton zwischen ausladendem dramatischen Mezzo und schneidender Klytämnestra-Deklamation. Ebenfalls durch ein Kostüm gehemmt war Victoria Safronova, die in dem kurzen pinken Cocktailkleid eher wie die Transvestitenmutter aus Hairspray aussah als wie eine fremde Fürstin, die am Hochzeitstag erotische Konkurrentin für Rusalka sein soll, und sich dazu natürlich auch zu ungelenk bewegte und agierte (da wird Jeanne Piland sicher bessere Figur machen und den zweiten Akt dominieren). Ihr wobbelig-flackernder, fülliger Sopran mit einiger Schärfe in der nicht durchgängig souveränen Höhe hatte indes die richtige slawische Farbe.

Foto kommt später Verzweifelt kehrt Rusalka (Nataliya Kovalova) in ihre alte Welt zurück, in der sie aber auch nicht mehr leben kann.

Immer ein Gewinn ist Bruno Balmelli, der den Heger in den wichtigen Kontrastszenen in der Küche und im Wald nicht nur darstellerisch zu einer wichtigen Nebenfigur aufwertete, sondern auch vokal viel präsenter war als etwa Heikki Kilpeläinen, der aus dem Off und mit viel Hall den Jäger gab. Katarzyna Kuncio ließ als Küchenjunge aufhorchen, ich möchte diese interessante Stimme endlich einmal in einer Hauptrolle hören (die beiden großen Fachpartien in diesem Stück kämen freilich etwas früh). Vor Beginn des dritten Aktes entschuldigte Tobias Richter eine während der Vorstellung aufgetauchte Indisposition von Lisa Griffith, die bis dahin als zweite der drei Elfen im Verbund mit der superben Anke Krabbe und der immer verläßlichen Laura Nykänen ziemlich unauffällig geblieben war und nun nur noch den Mund bewegte (gibt es in diesem riesigen Ensemble wirklich niemanden, der die paar Takte vom Blatt hätte singen können?). Viel dringender wäre eine Ansage in Sachen Corby Welch gewesen, dessen Tenor im letzten Bild nur noch ein Schatten seiner selbst war und den Verdacht nahelegt, dass hier in der Pause etwas passiert sein muss - oder aber dass ein weiterer Mozarttenor durch zu dramatische Partien und zu viel Druck auf die Stimme seine Karriere ungebührlich verkürzt oder verkürzen muss (Gerüchten zufolge soll er in der übernächsten Spielzeit an der Rheinoper die Titelpartie im neuen Lohengrin singen, was nichts anderes als absurd ist). Von Beginn war man besorgt, wie sehr er seinen schlanken, nicht unangenehm timbrierten Tenor auf Lautstärke trimmte, bereits im zweiten Akt fiel mancher Höhenaufschwung hörbar schwer und fielen erste Ermüdungserscheinungen auf, gegen Ende hörte man nur noch dünne, brüchige Töne voller traurig stimmender Nebengeräusche. Warum hat man da nicht Jan Vacik besetzt, der für einige andere Abende des tschechischen und russischen Repertoires verpflichtet wurde?

Wenig zutun hatte diesmal der Chor, aber es reichte für ein paar klappernde Einsätze. Dass man in finanziell schwierigen Zeiten für alle Damen und Herren scheußliche gelbe Fräcke anfertigen ließ, lässt einen ebenso den Kopf schütteln wie das Engagement von zwölf Tänzerinnen und Tänzern, die eine schlappe, wenig originelle Choreografie von Eva Zamazalová umsetzen mussten, die sehr an Weihnachtsaufführungen von Provinztanzschulen erinnerte, und damit offenbar von einer ansonsten reichlich statuarischen Regie ablenken sollten - hätte man da nicht doch ein paar der per Festengagement dem Haus verbundenen Tänzerinnen und Tänzer oder aber, um Geld zu sparen, ein paar bewegungsfreudige Statisten fragen können?


FAZIT

Was das "Expertenteam" aus Prag und Brno da angerichtet hat, möchte man nicht einmal Operneinsteigern unter 10 als Weihnachtsstück zumuten - diese Produktion gehört direkt nach der ersten Serie eingestampft. Und so wird der Zuschauer einmal mehr mit geschlossenen Augen mehr Vergnügen an einem Opernabend haben, diesmal freilich nicht wegen provozierender Regietheaterexzesse. Dank der erstaunlich guten Orchesterleistung kommt man darüber hinweg, bei den Sängern halten sich Licht und Schatten wie so oft nicht nur an diesem Haus die Waage. Traurig ist es trotzdem, was einem da als "Finale furioso" vorgesetzt wird und sich doch einmal mehr als rückständiger Provinzmuff erweist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
John Fiore

Inszenierung
Jiri Nekvasil

Bühne und Kostüme
Daniel Dvorak

Choreografie
Eva Zamazalová

Licht
Volker Weinhart

Chor
Christoph Kurig



Chor der
Deutschen Oper am Rhein

Statisterie der
Deutschen Oper am Rhein

Die Düsseldorfer
Symphoniker


Solisten

Der Prinz
Corby Welch

Die fremde Fürstin
Victoria Safronova

Rusalka
Nataliya Kovalova

Der Wassermann
Hans-Peter König

Die Hexe
Renée Morloc

Der Heger
Bruno Balmelli

Der Küchenjunge
Katarzyna Kuncio

1. Elfe
Anke Krabbe

2. Elfe
Lisa Griffith

3. Elfe
Laura Nykänen

Ein Jäger
Heikki Kilpeläinen

Tänzerinnen
Franziska Ballenberger
Yi Cheng
Patrizia Cina
Dinara Pleuger
Jasmina Schebesta
Karin Trodler

Tänzer
Joeri Burger
Ulrich Kupas
Michele Ladda
Darko Radoslavljev
Stoimen Todorov
Victor Zapata







Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)



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