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Besondere Vorkommnisse im modernen Strafvollzug
Von Stefan Schmöe / Fotos von Eduard Straub Goriantschuikow (Ludwig Grabmeier, l.) und der Platzkommandant (Peter Nikolaus Kante) Angesichts der Straflager und Gefängnisse in Guantanamo oder Abu Ghraib hat Leos Janaceks auf Dostojewski zurückgehende Oper Aus einem Totenhaus eine durchaus unangenehme Aktualität. Episoden aus einem russischen Straflager, in dem die Insassen ihre elementaren Menschenrechte einbüßen und Opfer der Willkür eines brutalen Wachpersonals werden, reizen zum Vergleich mit den Methoden unserer vermeintlich aufgeklärten westlichen Zivilisation. Der norwegische Regisseur Stein Winge, der seinen insgesamt doch sehr erfolgreichen Janacek-Zyklus an der Deutschen Oper am Rhein mit diesem Werk fortsetzt, hat sich daher von Ausstatter Herbert Murauer ein ganz heutiges Straflager bauen lassen und erzählt die Handlung einigermaßen realistisch nach. Aber gerade dieser Aktualitätsbezug erweist sich als Hindernis. Skuratow (Jan Vacik) Dass in den genannten Lagern gegen Grundprinzipien der Rechtstaatlichkeit verstoßen wurde, darüber dürfte unter rheinischen Opernbesuchern im Wesentlichen Konsens herrschen. Als Mittel des Protests bleibt Winges Inszenierung aber viel zu konturlos, ist wohl auch nicht so gemeint; als Mittel der Aufklärung über unhaltbare Zustände in modernen Gefängnissen ist die Oper mit ihren bei aller Radikalität durchaus auch folkloristischen Versatzstücken ungeeignet. Bleibt der Aspekt der Bebilderung des Geschehens. Aber der klinisch reine Raum, in den sich käfigartige Zellen schieben, passt nicht recht zur Verwahrlosung der Gefangenen. So lebt die Inszenierung von der Personenregie, die sich von etwaigen Aktualisierungsversuchen löst und sich auf das Schicksal der hier dargestellten Gefangenen, darunter handfeste Mörder, konzentriert. Dazu hätte man die Handlung aber auch im 19. Jahrhundert belassen können, vermutlich mit größerer Wirkung. Für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem großartigen, aber auch spröden Werk leistet Winges Regieansatz insgesamt recht wenig, bietet aber immerhin eine ansehnliche Kulisse (Ausstattung: Herbert Murauer). Schischkow (Oleg Bryjak, Mitte)Musikalisch stolpert der erste Akt arg holprig vor sich hin, gewinnt der zweite deutlich an Konturen, und im dritten sind Dirigent John Fiore und die Düsseldorfer Symphoniker auf hohem Niveau angekommen nachdem zu Beginn doch vieles wie vom Blatt gespielt erklang und die Partitur in zusammenhanglose Einzelteile zerfiel. Erst nach und nach gelang es Fiore, einen unbarmherzig harten und damit modernen, gleichzeitig aber expressiven Tonfall zu finden. Diese doch sehr wechselhafte orchestrale Leistung wiegt nicht zuletzt deshalb schwer, weil die Oper keine wirkliche Hauptrolle kennt, der das Stück tragen könnte. Der letzte Akt ist aber auch deshalb der stärkste, weil Oleg Bryjak als Schischkow in seiner großen Erzählung mit imponierender Bühnenpräsenz aufwartet und mit großer, rauer Stimme den Charakter der Figur ausgezeichnet trifft. Das ist eine wirklich bewegende Darstellung eines Menschen, der Täter und Opfer zugleich ist, aggressiv und ungehobelt und dennoch Mitleid erregend in seiner naiven Gutmütigkeit. Wie Bryjak das singt und spielt, das hebt ihn aus einem insgesamt guten, wenn auch nicht überragenden Ensemble hervor. Und hier befeuern sich Sänger und Orchester auch (endlich) zu einer Intensität, die Janaceks Klangsprache gerecht wird. Filka Morozow (Alfons Eberz) Ludwig Grabmeier gibt den Gorjantschikow als sensiblen Intellektuellen, sängerisch solide mit weichem und dadurch gegenüber den Mithäftlingen abgesetzten Bariton. Die Partie des jungen Häftlings Aljeja, mit dem sich Gorjantschikow anfreundet, ist abweichend von Janaceks Vorstellungen nicht mit einem Sopran, sondern mit einem Tenor besetzt die leichte und helle Stimme von Michael Pflumm spiegelt das beinahe Kindliche der Figur gut wieder, aber eine besondere Klangfarbe, die der Sopran dieser Männeroper beimischt, ist dadurch natürlich genommen. Jan Vacik gelingt eine überzeugende Charakterdarstellung des Häftlings Skuratow. Der Chor singt wie auch die weiteren Protagonisten ordentlich.
Ein Abend mit langen musikalischen Anlaufschwierigkeiten - wobei der Schlussakt mit manchen Unzulänglichkeiten zuvor versöhnt. Die szenische Lösung, die Oper im modernen Gewand nachzuerzählen, bringt wenig Erhellendes. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Alexander P. Gorjantschikow
Aljeja
Filka Morosow
Der große Sträfling
Der kleine Sträfling
Der Platzkommandant
Der ganz alte Sträfling
Skuratow
Tschekunow
Der betrunkene Sträfling
Der Koch
Der Schmied
Der Pope
Der junge Sträfling
Sträfling in der Rolle des Don Juan
Kedril
Schapkin
Schischkow
Tscherewin
Stimme / Wache
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