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Out of Liebesgarten
Von Joachim Lange / Fotos von Dieter Wuschanski Hans Pitzners Die Rose vom Liebesgarten ist nach den Maßstäben des gängigen Repertoires eigentlich ein unmögliches Stück. Und dass weniger, weil das Hauptpersonal auf die Namen Siegnot und Minneleide hört, ein Typ mit Namen Winterwächter das Paradies bewacht, der sadistische Finsterling Nacht-Wunderer über Mutanten gebietet, und auch sonst ziemlich seltsame Gottheiten, Wesen und Rituale aufgeboten werden.
Eher schon deshalb, weil sich Pfitzners Musik nicht unbedingt mit einem in die Zukunft gerichteten, innovativen Erneuerungswillen profiliert, sondern sich mit einer verblüffenden Offenheit zu ihrem dezidiert spätromantischen Schwelgen und Fabulieren bekennt. Vom Klingsorzauber beflügelt über Nibelheim geradewegs in den Liebesarten sozusagen. Doch wer sich im Schatten sonnt, gilt halt nicht als große Leuchte. Obwohl noch fast jede Wiederbelegung seiner Bühnenwerke (auch jenseits des immer wieder in Erinnerung gerufenen Künstlerdramas Palestrina) mit einem anerkennenden Aha-Effekt der Nachgeborenen verbunden ist. Noch dazu, wenn seine zweite Oper aus dem Jahre 1901 so sorgfältig in ihrer ganzen orchestralen Opulenz und Raffinesse ausgeleuchtet wird, wie jetzt an der Chemnitzer Oper unter der Leitung von Domonkos Héja (der für den erkrankten GMD Frank Beermann übernahm) und der Robert-Schuhmann-Philharmonie. Hans Pfitzner bleibt zudem biographisch problematisch, weil sich seine politische Nähe zum Naziregime, vor allem aber ein notorischer Antisemitismus, kaum relativieren lassen. Was für David Pountney vor neun Jahren in Zürich der Anlass war, diese Komponente in seine Inszenierung der Rose vom Liebesgarten einzubeziehen. Dieser Art von Stückbefragung enthält sich Regisseur und Ausstatter Jürgen R. Weber. Dass sich im finsteren Reich des Nacht-Wunderers, in das dieser Bösewicht die Elfenkönigin Minneleide entführt, damit dort der wackere Siegnot beim Befreiungsversuch auf der Strecke bleibt, ein riesiges Gestein mit einem Mal als eine Nachbildung jenes Marx-Denkmals erweist, das unweit der Oper trotzig an das DDR-Zwischenspiel der Stadt Chemnitz als Karl-Marx-Stadt erinnert, hat keine wirklich doppelte, gar politische Bedeutung. Minneleide mit der Rose gefangen Es ist ein amüsanter Gag mit Regionalbezug, der zu dieser Inszenierung passt. Und die lässt zunächst einmal die Musik in all ihrer Wunderlichkeit, die mit originellen Einwürfen durchsetzt ist, für sich wirken. Sie nimmt diese Oper dann aber auch als ein Fest der Fantasie. Der Show- und Fernseherfahrene Opernneuling Jürgen Weber setzt dabei nicht nur auf einen begünstigenden Nebeneffekt, den entsprechende Erfolgsfilme auch für eine Fantasy-Oper haben müssten. Für ihn stammt auch ein Gutteil seines Bildervorrates aus der Nachbarbranche. Der Nachtwunderer und der Held Damit balanciert er souverän zwischen Nacherzählung, opulenter Bebilderung und dezenter Ironie. Zum Verständnis tragen dabei jene witzigen Texteinblendungen bei, die die jeweiligen Szenen nicht nur knapp zusammenfassen, sondern zugleich auch mit einer ironischen Distanz kommentieren. Das erinnert an die Texteinschübe, die Hans Neuenfels gelegentlich in seine Inszenierungen einbezieht. Sie erlauben auch ohne wortgenaue Übertitel das Verfolgen der zum Teil abstrusen Handlung. Außerdem singen vor allem die höhensicher aufblühende Astrid Weber als attraktive Minneleide und der souverän sein heldentenorales Timbre ausspielende Erin Caves als Siegnot ausgesprochen wortverständlich. Minneleide und Siegnot ein kurzes Glück Wobei die volle Textverständlichkeit von James Gruns Dichtung durchaus mit der Gefahr von unfreiwilliger Komik verbunden wäre. Selbst Wagner schützt meist ja nur die Gewöhnung vor diesem Effekt. Die titelgebende Rose erwächst hier aus des Helden Brust, irgendwann in einem Cyber-Paradies, das von lauter Freaks aus fremden Galaxien bevölkert scheint. Vor der (Frühlings-)Pforte zu diesem paradiesischen Liebesgartens findet sich ein Riesen -WC als etwas beengter Eingang in eine Unterwelt, die dann jedes Nibelheim aussticht. Im Wechsel zwischen diesen Sphären durchlebt die Liebe von Siegnot und Minneleide alle Höhen und vor allem Tiefen. Samt der Entführung durch den Herrn der Finsternis und dem Tod des Helden. Siegnots Tod Die beiden sind erst am Ende als von Ferne klingende Seelen vereint. Das Ensemble ist auch jenseits des Heldenpaares exzellent. Die Ergänzung durch ein tanzendes Schattenpaar ebenso einleuchtend, wie die entfesselte überbordende Phantasie der Masken und Kostüme.
Das Chemnitzer Opernhaus hat sich nach Mascagnis Iris und Nicolais Il Templario auch im Falle von Pfitzners Rose vom Liebesgarten mit einer Wiederentdeckung verdient gemacht. Und das mit der für dieses Opernhaus typischen Sorgfalt und musikalischen Niveau. Der MDR hat live übertragen, eine CD wird folgen und die derzeitige Lücke auf dem Markt füllen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamMusikalische LeitungDomonkos Héja
Inszenierung und Bühne
Technische Umsetzung
Kostüme
Choreographie
Choreinstudierung
SolistenSiegnotErin Caves
Der Waffenmeister
Der Sangesmeister
Minneleide
Schwarzhilde
Leslie Humbert (szenische Darstellung, wegen Indisposition)
Rotelse
Der Moormann
Der Nacht-Wunderer
Der Schatten
Die Schättin
Zwittergöttin
Bert Uyttenhove
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