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Argenore

Oper in drei Akten
Libretto von Giovanni Andre Galletti
Musik von Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth


Arien in italienischer, Rezitative in deutscher Sprache
Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth am 8. Mai 2009
im Rahmen der 48. Musica Bayreuth


Komponierendes Frauenzimmer und witzig-spritziges Regietheater

Von Sina Baumgart / Fotos von Manuel Schlüter (© Musica Bayreuth)


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Ein glückliches Leben führte sie nicht, die Markgräfin Wilhelmine (1709-1758) von Bayreuth. Als Kind wurde sie von einer geradezu bösartigen Gouvernante gepeinigt und hatte Wutausbrüche ihres Vaters, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., über sich ergehen zu lassen, der so gar nichts vom weiblichen Geschlecht hielt. Wenngleich auch Wilhelmine wie eine Gefangene gehalten wurde, so traf es ihren geliebten Bruder, Kronprinz Friedrich, besonders hart: von seinem Vater verachtet, hatte er sogar unter Festungshaft zu leiden. Konnte nach ewigem Hin und Her eine vom Soldatenkönig arrangierte Heirat nicht wirklich Wilhelmines Lebensglück bedeuten, so brachte sie zumindest die Ferne zum elterlichen Schlosse mit sich. Denn durch ihre Vermählung mit Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth wurde Wilhelmine von Berlin nach Bayreuth versetzt. Die Beziehung der jung Verheirateten entpuppte sich zwar als liebe- und respektvoll, aber hielt den jungen Markgrafen nicht davon ab, die damals übliche Liaison mit einer Hofdame einzugehen.

So war sie nun, die Wilhelmine von Bayreuth, vom großen Gesellschaftsleben in die fränkische Provinz verbannt, eifersüchtig auf die Geliebte ihres Mannes und fernab allem Inspirativen. Doch anstatt in tiefste Depressionen zu verfallen, machte das gebildete Frauenzimmer das Beste aus der Lage: Wilhelmine widmete sich verschiedenen Sprachen, malte, musizierte, komponierte und pflegte den Gedankenaustausch mit Persönlichkeiten wie Voltaire. Sie machte Bayreuth zu einer künstlerischen Stätte mit bekannten Gästen und ließ vom kaiserlichen Architekten Giuseppe Galli-Bibiena das Markgräfliche Opernhaus erbauen, das heute zu den bedeutsamsten Barocktheatern Europas zählt.

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In diesem Theater italienischen und französischen Stils wurde schließlich 1740 zum Geburtstag des Gatten auch Wilhelmines selbst komponierte Oper Argenore uraufgeführt, in der die Komponistin kräftig mit ihrem Vater abrechnete: Argenore, der herzlose König von Ponto, verspricht dem Feldherren Leonida seine Tochter Palmide, die allerdings heimlich mit General Ormondo verbunden ist. Alcasto, ein Vertrauter des Königs, der selbst ein Auge auf Palmide geworfen hat, spinnt gegen seine beiden Rivalen Intrigen, in die er auch Martesia, welche wiederum in Alcasto verliebt ist, hineinzuziehen versucht. Eine verwickelte Geschichte also, deren erster Höhepunkt schließlich die Grausamkeit des Königs zeigt: Als ein Fluchtversuch Ormondos und Palmides scheitert, verlangt er von seiner Tochter, ihren Geliebten zu töten. Doch Palmide droht mit Selbstmord und so wird Ormondo in einen Kerker gesteckt, aus dem ihm aber die Flucht gelingt. Nutzen bringt es dem Liebespaar am Ende nicht, denn Ormondo wird schließlich von Alcasto getötet und Leonida, den Palmide für den Mörder ihres Geliebten hält, erstochen. Doch der Höhepunkt der Geschichte ist damit noch nicht erreicht. Es stellte sich nämlich heraus, dass Ormondo der entführte Sohn Argenores ist und Palmide stürzt sich im Wissen um die Liebschaft mit ihrem eigenen Bruder ins Meer. Argenore, der damit ansehen muss wie seine eigenen Kinder den Tod finden, begeht hierauf Selbstmord.

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So katastrophal enden barocke Opern eigentlich nicht und dementsprechend hätte der Bayreuther Hoflibrettist Giovanni Andre Galletti, der immerhin den Text zu Argenore schrieb, gerne ein festlich-heitere Ende gehabt. Doch Wilhelmine bestand auf die Katastrophe und ließ auch die typisch gewaltige Bühnenmaschinerie und rasante Verwandlungsszenerie nicht zu. Dennoch zeigt sich Argenore nicht nur über Intrigen-, Versteck- und Verkleidungsspiel als Kind seiner Zeit. Auch die musikalische Konzeption ist seiner Zeit gemäß, wie sich an dem Barockorchester und dem charakteristischen Wechsel von trockenen Rezitativen und überlangen Arien dingfest machen lässt. Kaum ist die Handlung mit Sprechgesang und spärlicher Akkordbegleitung ein wenig vorangeschritten, wird inne gehalten. Über üppiges Orchestermaterial breitet sich eine kantable bis höchst ariose Gesangsmelodik aus, welche das jeweilige Gefühl des Protagonisten zum Besten gibt. Da werden Schmerz, Rache oder Liebesgefühle in Ton gegossen und hin und wieder tritt auch ein Soloinstrument hervor. Eisige Tonwiederholungen verklanglichen so Martesias Erstarrung nach Alcastos Ablehnung, und Ormondos Liebesemotionen spiegeln sich in zarter Flötenmelodik wider. Zumindest ganz nett und vor allem für das unterdrückte Frauenzimmer eine gute Leistung, so könnte man sagen, doch ein wirklich großer Wurf war Argenore nicht.

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Nach seiner Uraufführung verschwand das Werk für mehr als 250 Jahre von der Bühne und wurde nach zwei Inszenierungen (1993 am Markgrafentheater Erlangen und 2001 am Schlosstheater Potsdam Sanssouci) nun zum 300jährigen Geburtstagsjahr Wilhelmines wieder am Markgräflichen Opernhaus herausgebracht, und das mit achtbarem Erfolg. Axel Köhler, selbst studierter Sänger und Händel-Fan, gelang im Rahmen des jährlichen Festivals „Musica Bayreuth“ eine Inszenierung, die mit ihrem witzig-spritzigen Charme in Bann zog. Besonderer Clou: ein Erzähler, der als Zeremonienmeister das Publikum durch das komplizierte Beziehungsgeflecht führte und die Oper zum Theater auf dem Theater werden ließ. Passende Anekdoten zu Wilhelmine und kleine Gags lockerten dabei die Barock-Tragödie auf und ließen auch keinen Zweifel an Peter Kubers Spaß an der Sache, der die Sprechrolle gekonnt übernahm. Ein ästhetischer Blickfang war die bildliche Gestaltung. Üppig perückt und mit goldglänzenden Barockkostümen wurden die Sänger in Szene gesetzt. Klare Lichtwechsel von eisblau zu blutrot symbolisierten die Abgründe intrigenhafter Spiele und Seelenzustände der Protagonisten. Goldbeschlagene Säulen, die mit ihrem Zerbrechen schließlich den Niedergang des Königshauses zeigten, umgrenzten oder öffneten durch Verschiebungen Räumlichkeiten. Eine klare Linie durchzog die gesamte Inszenierung ohne zu ermüden und ließ Musik und Aktion dabei ausreichend Aufmerksamkeit zuteil werden.

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Nicht ganz so gelungen wie die Inszenierung geriet die musikalische Ausführung. Unter Dirigent Victor Lukas – Begründer des Festivals „Musica Bayreuth“ – gelang der Batzdorfer Hofkapelle zwar eine passable Leistung, doch mangelte es an Dynamik, Präzision und runden Phrasierungen. Ein gar trauriges Bild bot der offensichtlich indisponierte Ralf Simon, der wahrlich um Töne kämpfen musste und ausgerechnet den Geliebten von Palmide, Ormondo, besetzte. Wenig hilfreich war für ihn das allzu ruhige Tempo der ersten Liebesarie, die zur Geduldsprobe wurde und auch durch seine schauspielerische Leistung nicht wettzumachen war. An so mancher Stelle der Partitur hätte ein Strich mehr gut getan. Respektabel präsentierten sich Raimonds Spogis mit sattem Bariton als Alcasto und Marlen Herzog als pfiffige gespielte Mertesia mit schnörkellosem Mezzo. Britta Schwarz als Leonida bestach mit sauberen Koloraturen und einem flexiblen Sopran, der geschmeidige Übergänge vom Kraftvollen zum Zarten erlaubte. Gut besetzt zeigte sich auch Argenore durch den Countertenor Hagen Matzeit, dessen Stimme in der Auftrittsarie zwar sehr verhalten erklang, aber schließlich in Argenores Zornes-Arie glänzte. Den interpretatorischen Höhepunkt der Oper Wilhelmines brachte allerdings Silvia Weiss als Palmide. Mit ihrem äußerst klaren Sopran, ihrem zarten Vibrato und großen Phrasierungsbögen gelang ihr die Klage-Arie der Königstochter geradezu vortrefflich. Das Publikum dankte den Künstlern für ihre Leistungen mit kräftigem Applaus.


FAZIT

Insgesamt bot sich mit der Premiere Wilhelmines „Argenore“ im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth eine barocke Seltenheit, die kompositorisch zwar nicht der große Wurf, aber durchaus aufführenswert ist. Mangelte es der Batzdorfer Hofkapelle unter Victor Lukas an Glanz, so legte Axel Köhler ein spritziges und gut durchdachtes Regie-Konzept vor, das auch die überwiegend guten Sängerleistungen übertraf.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Victor Lucas

Inszenierung
Axel Köhler

Bühne und Kostüme
Harald Stieger

Barocke Schauspielkunst
und Gestik
Nils Niemann


Die Batzdorfer Hofkapelle


Solisten


Argenore
Hagen Matzeit

Ormondo
Ralf Simon

Palmide
Silvia Weiss

Leonida
Britta Schwarz

Martesia
Marlen Herzog

Alcasto
Raimonds Spogis

Erzähler
Peter Kube



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Musica Bayreuth
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