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Der fliegende Holländer

Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner
Dichtung vom Komponisten

Aufführungsdauer: 2 Stunden 15 Minuten (keine Pause)

Premiere am 23. August 2008
Eine Produktion des Staatstheaters Braunschweig auf dem Burgplatz


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Staatstheater Braunschweig
(Homepage)
Vom Sand ans Land geworfen

Von Bernd Stopka / Fotos von Christian Bort


Alljährlich im Sommer zieht das Staatstheater Braunschweig mit einer Opernproduktion und einem Symphoniekonzert auf den Burgplatz. Im zuschauerfreundlich stark ansteigenden Arenarund mit der ausgezeichneten Beschallungsanlage steht in diesem Jahr "Der fliegende Holländer" von Richard Wagner in einer Inszenierung von Lutz Graf auf dem Programm.

So ganz will das wunderschöne Panorama des Burgplatzes nicht zu dieser Oper passen, was auch dazu führt, dass das Löwenstandbild heuer mit ordentlich verknotetem schwarzem Stoff verhängt ist. Ob es sich hierbei angemessenerweise um Seemannsknoten handelt war nicht genau auszumachen.

Vergrößerung in neuem Fenster Senta (Kirsten Blanck),
Holländer (Jacek Strauch)

Die runde Spielfläche stellt eine besondere Herausforderung dar, bietet aber auch vielfältige Chancen, die der Regisseur in der Personenregie eindrucksvoll zu nutzen weiß. Eine besondere Herausforderung ist auch das Bühnenbild von Andreas Jander: Die Akteure müssen durch tiefen, schweren (weil nassen) Sand stapfen, der sich nach hinten zu einer hohen Düne aufschwingt. Ein etwas verloren wirkender Meeresprospekt schließt das Bild zu dieser Seite in der Höhe ab. Vor dem Orchesterzelt ragt von einem im Sand versunkenen Schiff der oberste Teil der Takelage heraus, an einer anderen Stelle sind vier Waschmaschinen gekentert und mehr oder weniger zerschellt. Ihnen gegenüber hat sich eine antike Badewanne (?) mit dem Bauch nach oben dem Sand ergeben.

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Daland (Dae Bum Lee),
Der Holländer (Jacek Strauch)

Zur Premiere war das Wetter nicht wirklich sommerlich. Warm eingepackt und vor Regen geschützt versammelte man sich bei kuscheligen 15 Grad Außentemperatur unter dem zunächst freundlich gesinnten freien Himmel. Aufziehende dunkle Wolken und immer mal wieder einsetzender Nieselregen verliehen dem norwegischen Seefahrerambiente eine hautnah zu erlebende realistische Atmosphäre.

Doch sind wir wirklich in Norwegen? Ein langhaariger Daland, mit eher mongolisch anmutender Pelzkappe und Pelzmantel treibt seine Leute wie ein wildgewordener Dschingis Khan mit Schlägen und Tritten an, bedroht sie mit einem Maschinengewehr und flößt ihnen zwangsweise Schnaps (oder Wodka?) ein. Da ist nichts von dem gemütlichen norwegischen Kapitän, der schlitzohrig seine spinnerte Tochter verschachern will, so wie ihn die Musik charakterisiert. Die Vielschichtigkeit der Figur ist einer fragwürdigen und auch nicht konsequent weiter verfolgten Idee geopfert worden.

Vergrößerung in neuem Fenster Der Holländer (Jacek Strauch),
im Hintergrund der Steuermann (Tobias Haaks)

Dalands Leute machen ihr archetypisches Tau fest. Während der Steuermann das Wiedersehen mit seinem Mädel (befremdlich mit der MG in der Hand) besingt, gräbt er ein zweites, parallel liegendes, rotes Tau aus dem Sand. Es müssen nicht immer blutrote Segel sein, die das Holländerschiff andeuten. Ein eindrucksvolles Bild.
Den Holländer wirft nicht das Meer, sondern der Sand ans Land. Eine tolle Idee mit Überraschungseffekt - denn alle schauen erwartungsvoll auf den Meeresprospekt, während sich der Verfluchte mühsam aus der Versenkung durch den Sand an die Oberfläche wuchtet.

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Spinnerinnen/Wäscherinnen
im Schürzen- und Handtaschenballett

Weniger überzeugend gerät dagegen das Schürzen- und Handtaschenballett des Frauenchores, der sich nicht in einer Spinnstube versammelt, sondern mit Wäschekorb und Weichspüler in einen Waschsalon geht. Ob die versandeten Waschmaschinen da noch hilfreich sein können? Ein alberner Gag, der nur noch durch die scheußlich bunten kunstseidenen Kostüme der Damen übertroffen wird. Senta grenzt sich von ihnen ab, indem sie ihren Kittel abstreift und die Ballade im blutroten Kleid auf einer Waschmaschine stehend singt, während in der Höhe eine Sentapuppe ihre spätere Entrückung zu prophezeien scheint. Vielleicht ist das auch ein Ersatz für das vielbesungene Holländerbildnis, denn das Konterfei steht nicht auf der Requisitenliste.

Bedauerlicherweise ging der Beginn des Senta/Holländer-Duettes im Auspacken der Regenkleidung unter. Schade, denn gerade das ist einer der starken Momente der Regiearbeit. Die Begegnungen Senta/Holländer und Senta/Erik sind intensiv - auch in ihrer Unterschiedlichkeit - herausgearbeitet.

Vergrößerung in neuem Fenster "Steuermann, laß die Wacht!"
Steuermann (Tobias Haaks) und Chor

Akustisch sollte der Kampf der Chöre im dritten Aktes noch nachgearbeitet werden. Die Einspielung des Holländerchores lässt dem live singenden Norwegerchor keine Chance. Der musikalische Höhepunkt des dritten Aktes ist Eriks Liebesbeschwörung, die missverständlich das Ende herbeiführt. Der Holländer geht durch einen Arena-Eingang eher emotionslos ab, Senta erklimmt die Düne und hat die Vision ihres nie Wirklichkeit werdenden Glückes: Eine junge Senta und ein junger Holländer laufen glücklich durch den Sand und während die beiden Doubles beginnen, das rote Tau des Holländerschiffes zu verbuddeln, strömt aus den Füßen der Badewanne und aus den Bullaugen der Waschmaschinen Wasser. Man möchte den Kundendienst rufen.

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Der Holländer (Jacek Strauch)

Jacek Strauch ist ein großartiger Holländer. Er bringt für seine Gestaltung der Titelfigur bei aller Stimmkraft auch viel Stimmkultur mit und lässt an den entsprechenden Stellen seine Erfahrung als Verdisänger einfließen. Das tut der Partie richtig gut und wird diesem "musikalischen Brückenwerk" mehr als gerecht. Ab und zu lässt er dem Ausdruck den Vortritt vor der genauen Intonation, aber das fügt sich in das Gesamtcharakterbild, dass er musikalisch zeichnet.

Vergrößerung in neuem Fenster Erik (Jörg Dürmüller)
und Senta (Kirsten Blanck)

Kirsten Blanck hat ausgesprochen üppiges Stimmmaterial. Mädchenhafte Töne und blühende Farben stehen neben inbrünstigen Ausbrüchen, finden aber nicht zu einem ausgewogenen Ganzen zusammen. Die Stimme ist nicht frei von Schärfen und vor allem die Höhe dominiert ein ausgesprochen breites Vibrato.

Sportlich elegant erscheint Erik in seinem langen Mantel und erinnert ein wenig an Don Ottavio. Nicht von ungefähr. Mit Jörg Dürmüller ist die Partie ungewöhnlich aber genial besetzt. Ein lyrischer Tenor, der seine hohen Qualitäten als Mozartsänger mit inniger Ausdruckskraft verbindet. Ohne hörbare Anstrengung und ohne künstliche heldische Einfärbung gestaltet er diesen eher schöngeistigen Außenseiter in der rauen Seemannswelt. Das möchte man gern einmal im Haus, ohne Verstärkeranlage erleben. So schön hat man den Erik selten gehört!

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Daland (Dae Bum Lee),
Senta (Kirsten Blanck) und
der Holländer (Jacek Strauch)

Dae Bum Lee hat es durch die eigenwillige und nicht überzeugende Charakterisierung des Daland durch den Regisseur besonders schwer. Dabei hat sein beweglicher Baß viele schöne Töne und die entsprechende Tiefe, aber nicht ganz so viel Ausdruck in der Stimme. Er bleibt trotz allem eher blass. Tobias Haaks ist ein ausgesprochen schönstimmiger Steuermann, Julia Rutigliamo hinterlässt in der undankbaren Partie der Mary einen guten Eindruck.

Georg Menskes dirigiert solide und zuverlässig, ist den Sängern ein aufmerksamer Begleiter und hat auch den Chor für seine umfangreichen Aufgaben bestens vorbereitet. Das Staatsorchester spielt trotz verschärfter räumlicher Bedingungen und ungünstiger Witterung souverän und engagiert.

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FAZIT

Viel Licht, viel Schatten und ein bisschen Regen. Eine nicht ganz runde Regiearbeit, die starke Momente in der Personenregie hat, sich hier und da aber in unausgegorenen Ideen und Gags verzettelt. Jacek Strauch als Holländer und Jörg Dürmüller als Erik sind großartig.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Georg Menskes

Inszenierung
Lutz Graf

Bühne
Andreas Jander

Kostüme
Nina Reichmann

Chor
Georg Menskes

Dramaturgie
Daniela Brendel



Statisterie des
Staatstheaters Braunschweig

Chor des
Staatstheaters Braunschweig

Staatsorchester Braunschweig


Solisten

Der Holländer
Jacek Strauch

Daland
Dae-Bum Lee

Senta
Kirsten Blanck

Erik
Jörg Dürmüller

Mary
Julia Rutigliano

Steuermann
Tobias Haaks



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Braunschweig
(Homepage)



Da capo al Fine

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