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Rossini und Belcanto vom Feinsten
Von Uschi Decker / Fotos: Monika Rittershaus Sind Sie des winterlichen Wetters, des vorweihnachtlichen Lichterglanzes und seiner Glühweinromantik, des Traurigen im Leben überdrüssig? Dann vergnügen Sie sich doch einfach in der Berliner Staatsoper mit der Wiederaufnahme der im Mai 2005 erstmals aufgeführten L'Italiana in Algeri- Inszenierung von Nigel Lowery und Amir Hosseinpour! Ein humorvolles, heiteres, spritziges, manchmal ein bisschen überzeichnetes, aber passendes Spiel mit Geschlechter- und Nationalklischees. Eine typisch italienische, venezianische Opera buffa eben, die nicht rühren oder grenzüberschreitende Humanität lehren will wie Mozarts Zauberflöte oder Entführung aus dem Serail, sondern mit rhythmischem Feuer, Belcanto und komödiantischer Dramaturgie als Gegenbewegung zur aufblühenden romantischen Oper zu verstehen ist. Man ist sich nicht ganz einig, ob der 21-jährige, in der Blüte seines Genies und seiner Jugend stehende Rossini das bereits vorliegende Libretto Anellis in 18 oder 27 Tagen vertonte. Uraufgeführt im Mai 1813 in Venedig im Teatro San Benedetto, begründete L'Italiana in Algeri nicht nur seinen Weltruhm als Komponist komischer Opern, sondern war in Italien dermaßen beliebt, dass man diese Oper zur gleichen Zeit in Brescia, Verona, Venedig, Vicenza und Treviso spielte, wie Stendhal 1817 auf seiner Reise durch Norditalien feststellte. Lindoro (Antonino Siragusa) und Tänzerinnen
Fernab von naiver, märchenhafter Orientbegeisterung des 19.Jahrhunderts, aber unter Berücksichtigung der Komik und erotischen Anspielungen dieser Zeit, spielt die Oper in der Inszenierung von Nigel Lowery und Amir Hosseinpour zwischen Bett, Küche und einer poppig farbigen, von leichter Hand gepinselten Phantasiestadt, in der Moscheen und Minarette ebenso ihren Platz haben wie Sexshops oder andere Lusttempel. Nigel Lowery erzählt die Geschichte eines nach exotisch-erotischen Liebesabenteuern lechzenden Mustafa aus der Perspektive seiner des Machogehabes überdrüssigen Ehefrau Elvira und karikiert diese Perspektive zugleich. Wenn Mustafa (erst mit Hosenträgern, dann mit Sonnenbrille und Hawaihemd ausgestattet) hingerissen von den sängerischen Verführungskünsten Isabellas sich auf der Bettdecke plötzlich in einen speichelleckenden Hund verwandelt, ein Ballett von aufreizenden Haremsdamen die virtuosen Koloraturen mit einer unmissverständlichen Zeichensprache kommentiert oder mit zackigen Verrenkungen und Hüftbewegungen den mit einem Handtuch bekleideten, zunächst erwartungsvollen, dann erschreckt zurückweichenden Chormännern auf den Leib rückt, die bissigen Kommentare Elviras scheinen überall durch. Zwischendurch quasi als Reminiszenz an die Ausgangssituation und Perspektive - trifft man sich Espressi schlürfend in der heimischen Küche. Während der atemlose Wechsel von grotesken Balletteinlagen des persischen Choreographen Amir Hosseinpour und bewegten szenischen Bildern im ersten Akt wie geschaffen scheint, die vor Komik und Bewegungsenergie strotzende Musik Rossinis umzusetzen, verblasst die geistreiche Dynamik im zweiten Akt ein wenig, kehrt zu überzeichnenden Standbildern zurück, etwa wenn Mustafa in Windeln und an einem Babyfläschchen nuckelnd der Pappataci-Orden überreicht wird oder Isabella größenwahnsinnig auf dem Küchentisch steht und die historische Situation des 19.Jahrhunderts aufgreifend an die patriotischen Pflichten appelliert. Taddeo (Arttu Kataja)
Sänger und das Orchester unter der Leitung von Ottavio Dantone agieren mit großer Spielfreude. Lorenzo Regazzo überzeugt als grandios schauspielender und stimmlich kraftvoller, wendiger Mustafa. Adriane Queiroz stellt mit ihrem klangvollen Sopran eine ebenso forsche, Hüften schwingende wie treu liebende Ehefrau Elvira dar. Antonio Siragusa ist ein sehr heller, agiler, in der Höhe manchmal etwas scharf klingender Lindoro, Arttu Kataja ein solider Taddeo, dessen kariertes, englisches Jackett und Puppen-Alter Ego hervorragend zu dieser schillernden Verlierer-Figur passt. Star des Abends aber ist die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova in der Rolle der Isabella. Kostümiert mit Minirock, weißer Handtasche, Pumps und blonder Perücke wusste sie im spannungsvollen Wechsel von dramatisch-kapriziös und lyrisch-empfindsam stimmlich zu verführen und versprühte mal dunkel glühend, mal glockenhell tönend ein dynamisch differenziertes, verschiedene Affekte darstellendes, faszinierendes Feuer von Arpeggien, Läufen und Melodieverzierungen. Ein gleichermaßen traumhaftes Hörerlebnis war der Instrumentalpart der Berliner Staatskappelle. Unter der Leitung von Ottavio Dantone spielten sie virtuos, rhetorisch differenziert und an historischer Aufführungspraxis orientiert, sodass Rossinis Achtel- und Sechzehntel-Uhrwerk in einem spannungsvollen, spritzig leichten, temperamentvollen Licht erschien.
Eine witzig spritzige Inszenierung mit Starbesetzung und traumhaftem Orchester. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild und Kostüme
Licht
Choreographie
Chorleiter
Solisten
Mustafa
Elvira
Zulima
Haly
Lindoro
Isabella
Taddio
Tänzer
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