Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Prinzendämmerung
Von Joachim Lange / Fotos von Monika Rittershaus Wenn es erst nach 18 Jahren an der Komischen Oper in Berlin wieder eine Uraufführung gibt, dann ist das nicht nur überfällig für diese Opernhaus des Jahres, sondern es geht auch als Chefsache über die Bühne und wird vom Intendanten Andreas Homoki persönlich inszeniert. Bei der Wahl des Stoffes für dieses Auftragswerk hatte er dem deutschen Komponisten Christian Jost (46) freie Hand gelassen. Als sein eigener Librettist hat der sich mit Hamlet für ein Filetstück des dramatischen Bildungskanons entschieden. Und dabei die dem deutschen Publikum selbst fast schon als Original geltende Variante von August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck verwendet. Im (eher willkürlichen) Wechsel mit einigen englischen Originalzitaten. Die widerstehen sogar dem immer noch geltenden, antiquierten Sprachdogma des Hauses, nach dem seit Walter Felsensteins Zeiten noch jede Oper in Deutsch aufgeführt wird, und werden nur in den Übertiteln (zweites überfälliges Novum!) übersetzt Das Personal des Dramas gibt es auch auf der OpernbühneWas in der Stückbezeichnung 12 musikdramatische Tableaux nach William Shakespeare auf ein Abrücken vom dramatischen Erzählpfad und die für eine Vertonung anvisierte Konzentration auf eine Innenschau deutet, erweist sich allerdings doch mehr als pure Koketterieund wird nur zum Teil eingelöst. Denn Jost bleibt auch in seiner konzentrierenden Adaption des Stoffes so dicht am Stück und seinen deutlich erkennbaren Schlüsselszenen und Zitaten, dass man sich bald fragt, auf welcher Ebene sich die ästhetische oder inhaltliche Legitimation dieser Hamlet-Veroperung denn wohl entfaltet. Am Ende der mehr als zwei langen Nettospielstunden bleibt die Antwort im Verborgenen. Als Hamlet in glänzender Stimmverfassung: Stelle Doufexis Musikalisch setzt Jost auf ausladende und grandios umgesetzte ariose Aufschwünge, vor allem aber auf eine emotionale Dauererregung. Dieses durchformulierte, atmosphärisch gefärbte Orchesterdräuen breitet mit seinem geradezu süffigen Wohlklang die Arme weit aus, um den Hörer mit lauter, oft meisterlich orchestrierten Finalsätzen einer imaginären Hamlet-Sinfonie zu umarmen; ihn allerdings auch mit dieser zelebrierten Gleichförmigkeit zu erdrücken. Immerhin sorgt der GMD der Komischen Oper Carl St. Clair mit seinem Orchester dabei für eine so durchhörbare wie suggestive Opulenz. Zwischen Himmel und Erde ..Leider setzten Andreas Homokis Personenregie, vor allem aber Wolfgang Gussmanns dominierende Bühnenidee dem nicht genügend produktiven Widerstand entgegen. Der hermetische Einheitsbühnenraum ist zwar erkennbar um eine Verdeutlichung des Psychologischen, des Inneren der Hamlet-Problematik bemüht. Doch die stilisierte weiße Kostümeinförmigkeit für das optisch kaum unterscheidbare Personal, und die schwarze Unkenntlichkeit für den lemurenhaft geisternden Chor der inneren Stimmen treffen auf eine metaphorisch endlose, helixartige Wendeltreppe zwischen Oben und Unten. Und auf eine Fläche, die 'mal die Decke eines angedeuteten, dunklen Innenraumes ist und sich dann zur Spielfläche eines weißen, öffentlichen Raumes absenkt. Doch der stetige Wechsel zwischen diesen Räumen büßt alsbald alles Überraschende ein und verliert sich im vorhersehbar Mechanischen. Dramatische Zuspitzung im Lichte der Öffentlichkeit Gesungen wird dafür auf höchstem Niveau. Seiner Ehefrau Stella Doufexis etwa hat Jost diesen Hosenrollen-Hamlet maßgeschneidert in die Kehle geschrieben. Sie besticht mit ihrer traumwandlerischen Höhensicherheit ebenso wie die Ophelia von Karolina Anderson. Doch auch das übrige Ensemble glänzt: vom Polonius Jürgen Sachers und dem Laertes von James Elliott über den Horatio des Tom Erik Lie bis hin zu dem auch darstellerisch profilierten Königspaar. Als Gertrud und Claudius haben Gertrud Ottenthal und vor allem Jens Larsen noch am ehesten die Möglichkeit, dramatisches Profil zu zeigen, so wie Rosenkranz (Caren von Oijen) und Güldenstern (Peter Renz) mit Schirm und Melone die eher raren Ausflüge in den szenischen Witz weidlich nutzen. Dass von Die Zeit ist aus den Fugen, über "O schmölze doch dies allzu feste Fleisch" bis hin zum vom Chor geraunten Sein oder Nichtsein alles drin ist, was man so kennt, erleichtert diesem Hamlet sein Bühnenleben natürlich. Und doch ist es eine Oper, die nicht aufregt. Der Rest ist Shakespeare.
In Berlin ist eine neue Hamlet-Oper zu erleben, die auf hohem musikalischem Niveau in einer stilisierten, hermetischen Ästhetik präsentiert wird. Sie geht in ihrer vor allem vom Orchester getragenen Atmosphäre aber nicht wirklich über das dramatisch emotionale Potential der Dramenvorlage hinaus. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild und Kostüme
Chöre
Solisten
Hamlet
Horatio
Claudius
Gertrud
Polonius
Rosenkranz
Güldenstern
Ophelia
Laertes
Der Geist
Milo Bulajiæ Markus Vollberg David Schroeder Christoph Schröter Welf-Echhart Wiencke
Innere Stimme
Julia Bossen Kerstin Bulla-Rohde Barbara Hetzelberger Anja Kirov-Vogler Jana Reh Antia Rodriguez Mendoza Jane Richter Mechthild Sauer Frank Baer Mathias Bock Matthias Gummelt Volker Herden Eberhard Krispin Christian Müller-Bergh Richard Neugebauer Henrik Pitt Thomas Seyfarth
|
© 2009 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de