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Musiktheater
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Les Troyens

Grand opéra en cinq actes
von Hector Berlioz
Text nach Vergil vom Komponisten

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 Stunden (2 Pausen)

Premiere am 26. Oktober 2007
im Staatstheater Stuttgart

Besuchte Vorstellung: 18. November 2007

Homepage Staatstheater Stuttgart

(Homepage)

In Troja tanzt der Schamane,
in Karthago wird mit dem Laptop regiert

Von Christoph Wurzel


Der Stuttgarter Oper gebührt ja das Verdienst, als erste Berlioz` Grand Opéra "Les Troyens" in der fünfaktigen Fassung an einem Abend auf die Bühne gebracht zu haben; wenn auch gekürzt. Das war 1913. Die schwierige Aufführungsgeschichte dieses monumentalen Werks wurde dadurch allerdings nicht wesentlich erleichtert, denn die Trojaner blieben auch als Opernfaszinosum in fast mythisches Dunkel gehüllt. Selbst nach einer Aufführung der wirklich vollständigen Oper 1969 in London, Grundlage auch für die wohl beste Plattenaufnahme, blieb ihr ein Dasein am Rande des Repertoires nicht erspart. Erst in den letzten Jahren konnten sich die "Trojaner" auf -allerdings meist- großen Bühnen etablieren, im südwestdeutschen Raum zuletzt in Mannheim und Strassburg. Nun kehrten sie wieder nach Stuttgart zurück, wo die gegenwärtige Spielzeit ganz im Zeichen der französischen Musik und der "Grand Opéra" steht. Jedoch ist die erste Neu-Produktion dieser Serie dem großen Anspruch nur sehr unzureichend gerecht geworden - eher schon musikalisch, genauer: orchestral, nicht aber szenisch.

Mit den "Trojanern" gab Manfred Honeck als neuer GMD in Stuttgart seinen beeindruckenden Einstand. Das Dirigat bestach vor allem durch eine ungemein differenzierte Klangfarbigkeit. Was Berlioz auch nur an Raffinesse und Delikatesse in die Partitur geschrieben hat - alles schien aufgespürt. Der dramatische Atem schlug über die 4 Stunden hinweg restlos in Bann. Das Staatsorchester zeigte sich wieder einmal von seiner besten Seite. Geschickt wurden die Fernmusiken eingesetzt, von den Rängen, aus den Foyers oder hinter, sogar auf der Bühne. Die musikalische Dramaturgie gelang perfekt. Die breite Ausdruckspalette der berliozschen Musik konnte zur vollen Entfaltung kommen, die Vielfalt der Stimmungen war musikalisch intensiv zu erleben.

Szenisch dagegen fehlten die zündenden Ideen. Joachim Schlömer, der geniestreichartig seinerzeit den Stuttgarter Ring mit einem beeindruckenden "Rheingold" eröffnet hatte, schien mit der Vielschichtigkeit der "Trojaner" nicht allzu viel anfangen zu können. Die Selbstinterpretation im Pressematerial legt das Thema "Kampf der Kulturen" nahe, was sich in der Bühnenrealität allerdings in zumeist recht simplen Bildern ausdrückte: die Trojaner, ein archaisch raues Volk, wo noch der Schamane herrscht und das offensichtlich zwischen Lehmmauern wohnt. Dagegen die Karthager, gezeigt als postmoderne Lifestyle-Kultur, wo das Volk am Laptop hängt und die Herrscherin im Fernsehen bewundert. Und die Numidier: eine wilde Horde schwarzer Männer mit erschröcklichen Masken, die Kletteraffen gleich im Palast von Karthago Unruhe stiften, wild gejagt und schließlich vernichtend verprügelt werden. Die kulturellen Unterschiede erschöpften sich weitgehend im Dekorativen.

Auch die dramatischen Höhepunkte der Oper wurden größtenteils verschenkt. In meist läppischen Bildern schrumpfte die tragische Fallhöhe auf Boulevard-Niveau. 2. Akt: das Trojanische Pferd als Motorrad - im aufgetürmten Sturmgepäck haben sich offenbar die listenreichen Griechen versteckt. 3. Akt: Dessous und Dildo für Dido - eine handfeste Empfehlung ihrer Schwester Anna, damit sich die verwitwete Königin der Karthager über Sehnsucht und Trauer hinwegtrösten kann. 4. Akt: das glühend romantische Liebduett zwischen Dido und Aeneas - hier eher eine ungelenke Turnübung auf der Bodenmatte. 5. Akt: das Fanal von Didos Selbsttötung - ein Scheiterhaufen, aufgetürmt aus Plastikmöbeln und die Prophezeiung der Rache - Klein Hannibal erscheint mit Pappmaché-Panzern auf der Vorderbühne. Ob sich das große Rom wohl davon erschrecken lässt? Das einzige Bild von atmosphärischer Dichte war im 1. Akt zu sehen: der intensiv durchchoreografierte und von Inés Hernández anrührend getanzte Auftritt der trauernden Andromache mit ihrem Sohn - eine stumme Totenklage und eine Anklage gegen den Krieg zugleich. Hier schien auf -leider nur kurz-, welche packenden Fragen an Berlioz´ große Oper gestellt werden könnten. Doch diese Inszenierung erschöpfte sich weitgehend in kleinteiligen, vordergründigen Gags. Eine schlüssige Interpretation blieb sie schuldig.

Auch sängerisch kann man nicht durchgängig von einer Offenbarung reden. Noch am meisten konnte Christiane Iven in der Rolle der Dido überzeugen. Mit ihrer weichen, wandlungsfähigen und raumfüllenden Stimme gab sie der karthagischen Königin würdiges Format - im heroisch Tragischen ebenso wie im erotisch Romantischen. Über eine große Stimme verfügt auch Barbara Schneider-Hofstetter, deren Organ aber allzu sehr zur Schärfe neigt. Und in der stimmlichen Nuancierung ihrer Rolle zeigte sie sich nicht so facettenreich. In Statur und Stimme gleichermaßen war Ki-Chun Park mit der Rolle des Helden Aeneas schlicht überfordert. Die Anna der Ceri Williams blieb als darstellerisch intensiv und gesanglich ausdrucksstark im Gedächtnis. Ansonsten zeigte Stuttgart sängerisch solides Mittelmaß - eigentlich zu wenig für ein Haus mit solcher Tradition.

Der Chor jedoch, an der Stuttgarter Staatsoper oftmals Glanzpunkt einer Produktion, zeigte sich auch hier wieder von seiner besten Seite, bietet diese Oper doch auch reichlich Gelegenheit dafür. Schon manches Mal hatte der Chor auch als kollektiver Akteur in Stuttgarter Produktionen beeindruckende Szenen gestaltet, doch Schlömer ließ die Sängerinnen und Sänger diesmal zumeist statisch verharren und nutze dieses Kapital bei weitem nicht aus, um bewegende und bewegte Bühnen-Bilder zu finden.


FAZIT

Eine verschenkte Chance, diese Grand Opéra schlüssig zu interpretieren. Allein der Orchesterpart konnte faszinieren. Leider nur ein halbes Vergnügen!



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Manfred Honeck

Inszenierung
Joachim Schlömer

Bühne
Jens Kilian

Kostüme
Nicole von Graevenitz

Licht
Marc van Denesse

Chor
Michael Alber
Johannes Knecht

Dramaturgie
Xavier Zuber
Angela Beuerle


Statisterie der Staatsoper

Chor, Kinderchor und Extrachor
der Staatsoper Stuttgart

Staatsorchester Stuttgart


Solistin

Énée
Ki-Chun Park

Cassandre
Barbara Schneider-Hofstetter

Chorèbe
Shigeo Ishino

Panthée, Mercure
Wolfgang Newerla

Ascagne
(Sohn des Énée)
Ji-Young Lim

Priam
Wolfgang Probst

Hécube
Naomi Ishizu

L ´Ombre d`Hector
Marko Spehar

Helenus
Shoung Ho Shin

Un Soldat
Steffen Balbach

Un Capitaine Grec
Daniel Kaleta

Didon
Christiane Iven

Anna
Ceri Williams

Narbal, Grand Pretre
Roland Bracht

Iopas
Matthias Klink

Hylas
Michael Nowak

Sentinelles
William David Halbert
Johannes Wieczorek

Tänzer
Iné Hernández
Viviana Escalé
Marco Volta

Astynax
(Sohn der Andromache)
Ruben Johannes Rapp




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



Da capo al Fine

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