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Musiktheater
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Die Entführung aus dem Serail
Ein Deutsches Singspiel in drei Aufzügen
von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Johann Gottlieb Stephanie d.J.
nach Christoph Friedrich Bretzner
in der Dialogfassung von Hans Neuenfels

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden (1 Pause)

Premiere am 30. Januar 1998
Besuchte Vorstellung am 6. Oktober 2007


Hänsel und Gretel
Märchenoper in drei Bildern
von Engelbert Humperdinck
Text von Adelheid Wette
mit Texten von Hermann Wette und Gustav F. Humperdinck

Aufführungsdauer: ca. 2 ¼ Stunden (1 Pause)

Premiere am 11. März 1995
Besuchte Vorstellung: 23. Dezember 2007

Homepage Staatstheater Stuttgart

(Homepage)

Aus dem Morgen- und dem Kinderland

Von Christoph Wurzel


Von fern grüßt noch die Ära Zehelein. Denn auch die zweite Spielzeit unter der Ägide Albrecht Puhlmanns in Stuttgart bediente sich natürlich einiger Anleihen aus der Vorgängerepoche. Außer einer Inszenierung von Klaus Zehelein selbst („Cosi fan tutte“) wurden zwei beliebte Repertoirestücke wieder aufgenommen, die beide schon in die Jahre gekommen sind, sich dessen ungeachtet aber noch beachtlicher Frische erfreuen: Mozarts Türkenoper (Premiere 1998) und Humperdincks (Weihnachts-) Märchenoper (Premiere 1995) bringen es inzwischen auf 80 bzw. 100 Vorstellungen. Dauerbrenner also im Repertoirebetrieb – und dies zurecht.

Handelt es sich doch um zwei überaus geistreiche, phantasievolle und anregende Inszenierungen. In beiden Fällen wurde die Bühnenrealität kunstvoll aufgebrochen und mit dem fantastischen Kern der Stücke gewieft gespielt. Beide Regisseure sind auch keine Anfänger, souverän jonglieren sie mit den Möglichkeiten des Musiktheaters.

In Hans Neuenfels` Inszenierung der „Entführung“ ist der Clou die Verdoppelung aller Sängerrollen durch Schauspieler. Natürlich geht dann manches leichter; z.B. wenn Osmin, dick und angetrunken, auf einem Teppich von der Bühne gezogen werden muss. „Wie gut, dass wir zu zweit sind“, sagt dann Schauspieler Pedrillo zu Sänger Pedrillo. Und wenn es den Figuren gar zu arg und angst ums Herz wird, kann das alter ego schnell ein Stoßgebet hinab zum Kapellmeister in den Graben schicken. Musik heilt eben.

Allein der Bassa hat keinen Zwillingspart. „Wenn man nur sprechen und nicht singen kann“, sagt er am Schluss, „muss man verzweifeln oder böse werden“. Um nicht in beiderlei Gefahr zu geraten, trägt er zum Abschied ein Gedicht vor, Eduard Mörikes „Denk es, o Seele“ als Mahnung an die Vergänglichkeit und grüblerischer Nachsatz zum triumphalen Lobpreis der Liebe in der Schluss-Stretta des 2. Aktes.

Die Personal-Verdoppelung hat also nicht allein praktische Gründe. In den Schauspielerrollen spiegeln sich die Seelenzustände der Sängerfiguren, Gefühle werden von innen nach außen gekehrt und plötzlich werden die Ambivalenzen der Figuren erkennbar, sind es keine Klischeefiguren mehr. Das Opernpathos der hehren Liebe (Konstanze) lässt sich hinter die Kulisse schauen und enthüllt viel Zweifel, Angst und Schmerz, der grobe Klotz (Osmin) lässt auch einen weichen Kern erkennen, der gern auch lieben möchte. So kommunizieren die geteilten Figuren mit sich selbst und für den Zuschauer kann das zur Selbsterkenntnis werden.

Natürlich spielt Neuenfels auch in dieser Inszenierung wieder mit vielen Symbolen und tatsächlich tauchen sie auch auf, die abgeschlagenen Köpfe als Janitscharenbeute. Doch keinen Kulturkonflikt bezeichnen sie hier, sondern das eine Extrem der Affekte, von denen die am Schluss mühsam siegende Liebe das andere ist. In die Schleudertrommel der Gefühle geraten sie alle, die in diesem Stück agieren, wobei die beiden Frauen noch am stetigsten erscheinen. Neuenfels hat auch diese mozartsche Botschaft wunderbar herausmodelliert. Und zudem ist diese „Entführung“ einfach auch eine gute Komödie, mit Witz und Geist auf die Bühne gebracht.

An Komik mangelt es auch dem anderen Märchenspiel nicht. Johannes Schaaf hat „Hänsel und Gretel“ auch mancherlei geschwisterlichen Schabernack beigemischt, vor allem aber die Hexe als komische Figur rehabilitiert. Schrill wie ein Knallbonbon geistert sie durch diesen Kindertraum. Alles Erschreckende wird aufgelöst in eine bunte Fantasiewelt von erfrischender Unwirklichkeit, die als Gegenpol zur tristen Alltagswelt der Besenbinder-Kinder auch nur allzu nötig ist. Das Bühnenbild gibt diesem Gegensatz auch deutlich Gestalt, ebenso wie die Kostüme: Die Kinder treten zu Anfang in einer Art Blaumann auf, wie ihre Eltern auch, hart ist eben die Arbeit dieser armen Leute. Zwischen braunen Ziegelmauern und bedrohlich hohen Fabrikschloten spielt sich ihr Leben ab.

Die Waldszene des 2. Bildes spielt schon in einer grünen Umgebung. In der Traumphantasie wird eine heile Welt imaginiert, die Eltern als schön geschmücktes Brautpaar, sogar Oma und Opa gesellen sich hinzu. Wie ein Familienfoto aus besseren Tagen mutet diese Szene an, wenn schließlich vierzehn nachtblaue Engel einen schützenden Stern über die schlafenden Kinder legen.

Im 3. Bild ist das Knusperhäuschen ein Riesenrad, das in seinen Gondeln lauter bunt verpackte Geschenkgeheimisse verbirgt. Eine große Verführung stellt diese Welt des Reichtums und des Luxus für die Kinder dar, für die Gretel sich allerdings nicht so recht erwärmen kann. Die Hexe, diese Figur aus Glamour, Glitzer und Überdrehtheit, bemüht sich eifrig, die Kinder in dieses Konsumparadies zu locken, das doch am Schluss in einem Riesenfeuerwerk verpufft. Aus der Traum - aber nicht als Schmerz, sondern als Spiel.

„Ein Stück Kinderleben“, so der Untertitel der Oper – als ein Traumspiel fantastischer Möglichkeiten und keine Schauergeschichte von der Kinder fressenden Hexe. Im Märchen ist eben alles möglich, ohne dass man die Wirklichkeit vergisst, in die man zurückkehren kann. So wie hier Hänsel und Gretel und die vielen vom Hexenbann befreiten Kinder, die nach dem gehorsam exerzierten Schlussgebet mit dem deutlich erhobenen Zeigefinger („Wenn die Not am höchsten steigt, Gott, der Herr, die Hand uns reicht.“) gleich wieder in ihre kindlichen Raufereien verfallen. Fantasie befreit.

Musikalisch wurde in beiden Aufführungen solide gearbeitet. Das Sängerensemble war engagiert bei der Sache, in der „Entführung“ war es vor allem Yoku Kakuta als Blondchen, die besonders beeindruckte, Helene Schneiderman als Hänsel und Michaela Schneider als Gretel waren ein prächtiges Geschwisterpaar. Leandra Overmann als Hexe war total in ihrem Element. Ihrer Präsenz ist auf der Stuttgarter Bühne gegenwärtig kaum Konkurrenz zu machen.

Als Gast aus Köln fügte sich in der gesehenen Aufführung Daniel Hendricks hervorragend in die Szene ein und bot stimmlich erhebliches Gewicht auf. Die Dirigate (Cornelius Meister in „Entführung“ und Wolfgang Heinz bei „Hänsel und Gretel“) ließen keine Routine zu, das Staatsorchester spielte mit Esprit und Charme. Allerdings wurden in der Humperdinckoper die Sänger stellenweise etwas zugedeckt.


FAZIT

Vergnüglich, heiter, hintersinnig.



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Produktionsteam

Die Entführung aus dem Serail

Musikalische Leitung
Cornelius Meister

Inszenierung
Hans Neuenfels

Regie-Mitarbeit
Henry Arnold
Yvonne Gebauer

Szenische Leitung
Sylvia Freitag

Bühne
Christian Schmidt

Kostüme
Bettina Merz

Chor
Johannes Knecht

Dramaturgie
Juliane Votteler


Statisterie der Staatsoper

Schüler der
John-Cranko-Ballettschule
Chor der Staatsoper Stuttgart

Staatsorchester Stuttgart


Solistin

Konstanze
Simone Schneider

Blonde
Yuko Kakuta

Belmonte
Matthias Klink

Pedrillo
Hans Kittelmann

Osmin
Michael Eder

Schauspieler

Konstanze
Emanuela von Frankenberg

Blonde
Carola Freiwald

Belmonte
Alexander Aeiman El Dib

Pedrillo
Alexander Heidenreich

Osmin
Wolfgang Vogler

Produktionsteam

Hänsel und Gretel

Musikalische Leitung
Wolfgang Heinz

Inszenierung
Johannes Schaaf

Szenische Neueinstudierung
Lydia Steier

Bühnenbild
Rolf Glittenberg

Licht
Wolfgang Göbbel

Kostüme
Marianne Glittenberg

Chor
Johannes Knecht

Dramaturgie
Wolfgang Willaschek


Chor der Staatsoper Stuttgart

Staatsorchester Stuttgart


Solistin

Peter, Besenbinder
Daniel Hendricks a.G.

Gertrud, seine Frau
Anna Manasyants

Hänsel
Helene Schneiderman

Gretel
Michaela Schneider

Knusperhexe
Leandra Overmann

Sandmännchen
Monika Rebholz

Taumännchen
Monika Rebholz




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



Da capo al Fine

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