Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Von Ursula Decker-Bönniger
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Fotos von Michael Hörnschemeyer Lieben Sie geistvolle, abwechslungsreiche Unterhaltung? Drastische Schäfererotik oder schillernde Sirenen? Das pralle Leben mit Krieg und Versöhnung, Hass und Liebe? Haben Sie keine Angst vor historischer Aufführungspraxis barocker Musik, Koloraturen? Münster eröffnet die Spielzeit 2007/08 mit "King Arthur" von John Dryden und Henry Purcell! Wendelin Starcke-Brauer (Erzähler),Wolf-Dieter Kabler (Merlin)
Das Libretto dieser "dramatic opera" hatte Dryden schon 1684 verfasst in der Absicht, das englische Königtum unter Berufung auf das Charisma der legendären Artusfigur zu verklären. Charles II erlebte die ihm zugedachte Würdigung nicht mehr. Das Stück blieb zunächst unveröffentlicht und wurde 1691 nach einer Textrevision mit der Musik Purcells uraufgeführt. Er, dem aufgrund der Originalität seiner Melodieerfindungen 1698 posthum der Titel "Orpheus Britannicus" verliehen wurde, hat es in besonderer Weise verstanden, den Ernst und die Gemessenheit italienischer mit der Leichtigkeit und Balladenhaftigkeit französischer Musik zu verbinden. "King Arthur" ist eine Semi-Oper, eine Mischform aus Schauspiel, Musiktheater und Tanz - typisch für das 17. Jahrhundert in England, weil sich mit dieser Mischform das Aufführungsverbot für Sprechtheater umgehen ließ; typisch für das Opernschaffen Purcells, der neben "King Arthur" noch "Dioclesian", "The Fairy Queen", "The Tempest", "The Indian Queen" nach verschiedenen Vorlagen komponierte und typisch auch für die barocke Auffassung der Oper als Gesamtkunstwerk, wo bildhaftes Schauen im Vordergrund steht und schöne Bilder, Bewegung, Abwechslung und Überraschung verlangen. Harnoncourt sprach anlässlich der wegweisenden Salzburger Neuinszenierung von 2004 sogar vom "ersten Musical der Geschichte".
Benjamin Kradolfer Roth (Oswald),
Kern der Handlung ist der Wettstreit zweier Liebender um die schöne, blinde Emmeline. Aber die Rivalen Arthur, König der Briten, und Oswald, König der Sachsen, bzw. ihre Völker führen auch Krieg, wobei schon zu Beginn des Stückes die christlichen Briten die feindlichen Angelsachsen, die noch durch Opfergaben die Götter Wotan, Thor und Freia um Unterstützung bitten, weitgehend zurückgedrängt haben. Julia Neumann (Schäferin), Benjamin Kradolfer Roth (Oswald), Annette Johansson (Schäferin)
Zunächst betrachtet das Publikum sich selbst im Münsteraner Theater. Eingebettet von Parkettbestuhlung mit weißer Stahlrohrkonstruktion, der bienenkorbähnlichen Architektur der Ränge und Lampenhimmel begrüßt man sich auf der Bühne bei Smalltalk und dem obligaten Gläschen Sekt. Und nachdem die Zuschauer Platz genommen haben, die Ouvertüre rhythmisch artikuliert und tänzerisch bewegt unter der Leitung des Barockspezialisten Jaap ter Linden erklingt, nimmt ein Erzähler (Wendelin Starcke-Bauer) das Publikum an die Hand und sorgt während des Abends für Orientierung im bunten Bilder- und Szenenwald. Da wechseln musikalische, das Geschehen deutende Tableaux in englischer und den dramatischen Handlungsvorgang tragende Sprechpassagen in deutscher Sprache, reale mit allegorischen Szenen. Unterstützt wird die Orientierung im immer lebendiger werdenden Szenen- und Ortswechsel von einfallsreichen Regie- und Bühnenbildideen. Nach dem Triumphchor der Soldaten (1. Teil) zum Beispiel werden die auf dem Boden verteilten grau-braunen Soldatenmäntel zur Darstellung von Leichenschändung und -plünderung benutzt, um im nächsten Moment in kleinen Häufchen angeordnet und Nebel getränkt den Hintergrund für die tödlichen Gefahren im Moor zu bilden.
Im Zauberwald
Igor Folwill (Regie), Manfred Kaderk (Bühnenbild) und Ute Frühling (Kostüme) streben kein wirklichkeitsgetreues sondern vielmehr ein symbolhaltiges, theatralisch intensiviertes, manchmal poetisches manchmal derbes, sinnliches und unterhaltendes Abbild von Wirklichkeit an - ganz im Sinne barocker Opernpraxis. Sehr eindrucksvoll die Darstellung der naiv, empfindsamen, blinden Emmeline (Tina Amon Amonsen) und die des Arthur und die Briten geleitenden, spritzig-witzigen Luftgeists Philidel (Isabel Hindersin). Am meisten beeindruckt hat mich die Frost-Szene im zweiten Teil. Nach einer instrumentalen Einleitung erweckt Cupido (Julia Neumann) koloraturgewandt, strahlend, in einem panzerartigen, goldenen Gewand. den Frostgeist aus seiner gefühllosen, kalten Einsamkeit. Während sich die Musik nach Moll wendet, in kurzer, abgehackter Achtelbewegung und chromatischem Auf und Ab dahinschreitet, Kälte, Erstarrung und Leid ausstrahlt, erscheint der Frostgeist in einem silbernen Kühlschrank-ähnlichen Kasten und bricht für einen kurzen Moment diese ernsthafte Eindringlichkeit, um dann sein wiederum ernsthaftes Klagen, sein Flehen "Let me freeze again....to death" anzustimmen. Sehr ausdrucksstark auch die Textbehandlung des zu Frost erstarrten Volkes (Opernchor der Städtischen Bühnen). Genial lautmalend wird die Klangkulisse ergänzt vom rhythmischen Knistern silbriger Alu-Umhänge, die wenig später in goldene, sonnendurchflutete Gewänder gewendet in Kostüme für den hymnischen Tanz auf die lebensspendende Liebe überführt werden.
Eine gelungene Inszenierung und empfehlenswerte Einführung in barockes Musiktheater! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Dramaturgie
Solistenvon Schauspiel und * MusikErzähler Wendelin Starcke-Brauer
Arthur
Conon
Emmeline
Mathilda
Oswald
Merlin
Guillamar
Aurelius
Albanakt
Philidel
Grimbald
Erster Sopran (Cupido/Sirene/Seherin u.a.)
Zweiter Sopran (Venus/Sirene/She u.a.)
Countertenor (Priester/Geist/Nymphe u.a.)
Tenor (Sergeant/Schäfer/Priester u.a.)
Bariton (Äolus/He u.a.)
Laute und Theorbe
Violoncello (Basso Continuo)
Cembalo
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- Fine -