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Musiktheater
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Aida
Oper in vier Akten
Libretto von Antonio Ghislanzoni
nach einem Handlungsentwurf von Auguste Mariette Bey
und einem Szenarium von Camille du Locle
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 Std. (eine Pause)

Premiere im Großen Haus der Städtischen Bühnen
am 6. Oktober 2007


Logo: Städtische Bühnen Münster

Städtische Bühnen Münster
(Homepage)
"Die Geschichte der ‚Aida'"

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Michael Hörnschemeyer


Ob Prunk, Pomp, Rekonstruktion ägyptischen Lokalkolorits, ob kritische Aktualisierung oder kammermusikalische Reduktion, wer "Aida" inszeniert, hat es schwer, etwas Neues zu erzählen. Warum nicht einfach in biographisch-historischer Manier den Komponisten Verdi von seinen Ägypten-Träumen, der Entstehungs- und Aufführungsgeschichte der Oper sprechen lassen?

Vergrößerung in neuem Fenster 4.Akt;
Chor der Priester;
Andrea Baker (Amneris)

"Aida" ist eine Festoper nach dem Vorbild der französischen Oper mit wirkungsvollen Aufmärschen und folkloristischen, musikalischen Effekten. "Aida" ist zugleich ein italienisches Musikdrama à la Wagner über Liebe, Macht und Eifersucht.
Es wird nichts erzählt, weil die Ereignisse überwiegend Vorwand für die musikalische Ausbreitung von Gefühlsverläufen, Leidenschaften und menschlichen Beziehungen sind.
Fred Berndts Inszenierung will erzählen. Was in Vorspann und Programmheft als "Geschichte der Oper ‚Aida'" wie ein chronologischer Bühnenbild-Film angekündigt ist, entfaltet sich in der Regiewirklichkeit Fred Berndts als verwirrende Collage von biographischem Kitsch und Aspekten zur Rezeption der Oper.

Vergrößerung in neuem Fenster

v.l.: Andrea Baker (Amneris),
Kristin Lewis (Aida)

Das erste Bild zeigt im hinteren Teil der Bühne den Gutshof Sant' Agata (Landsitz Verdis in der Nähe von Parma), als pastellfarbenes, mediterrane Atmosphäre ausstrahlendes Riesenaquarell. Auf einer Parkbank sitzt der Komponist, der "Bauer von Roncole", als weiß gekleideter Gutsbesitzer und komponiert. Die Grillen zirpen. Im zartesten Pianissimo setzen die gedämpften Streicher mit dem Leitmotiv von Aida, Symbol ihrer reinen, zum Tode bereiten Liebe, ein. Auf der Bühne erhebt sich Verdi, um den vorderen Bühnenraum zu durchschreiten. Auf seine, so gar nicht zu den süßen Liebesklängen passende, herrische Befehlsgeste hin werden Phrase für Phrase die übrigen Requisiten der Bühne angestrahlt: ein Sarkophag, eine überdimensional große, einen zerbrochenen Speer haltende, abgebrochene Hand als "Bild für den Krieg, bzw. die Vergeblichkeit aller kriegerischen Auseinandersetzungen", die dreieckige Spitze eines im Verlauf des ersten Aktes wachsenden, roten Obelisk und eine in sandfarbenen Pastelltönen gehaltene, altägyptische Traumlandschaft, Titelbild eines Standardwerks des 19. Jahrhunderts und mögliche, wahrscheinliche Informationsquelle Verdis über die Ausgrabungen dieser Zeit, Symbol seines märchenhaften Ägyptenbildes bzw. seiner Zeitgenossen. Die italienische Traumlandschaft wechselt zur Darstellung Pyramide und überdimensionaler Sphinx.

Vergrößerung in neuem Fenster 1.Akt;
Galina Shesterneva (Aida)

Anschließend folgt ein Perspektivwechsel, der mehr verwirrt als interpretiert. Nicht Verdis Phantasieprodukte, sondern ironisch gebrochene Probenwirklichkeit im Theatro Italiano in Kairo sollen dargestellt werden. Während Boudoirszene und Triumphmarsch als karnevaleske Bühnenorchesterprobe mit italienischem Regisseur, Palmwedel, Fez, Bambusattrappen und europäischen Kolonialherren inszeniert sind, kehrt Berndt für den dritten und vierten Akt zu bekannten, naturalistischen Bildern zurück. 3.Akt: hinter einer Balustrade locken silbrig-glitzernd die Wasser des Nil; 4.Akt: mächtige Säulen und dunkle Grabkammer für die Unerbittlichkeit des Schicksals.
Entweder ein erdrückender, entzauberter Bühnenbild-Film, der dem Auge wenig Raum für utopische, tranzendente Momente lässt, oder karnevalesk anmutende Regie-Kommentare, die politisch korrekt vom Charakter einer repräsentativen Festoper des 19. Jahrhunderts ablenken, den für "Aida" typischen abrupten musikalischen Stimmungswechsel z.B. von neckischem Reigen und hochdramatischem Beziehungsgefüge (Boudoirszene), aber nicht gerecht werden.

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3.Akt;
v.l.: Kristin Lewis (Aida),
Anton Keremidtchiev (Amonasro)

Aber Regie-Theater hin oder her. Aida ist zunächst einmal ein perfektes, bis ins Detail auskomponiertes Musikdrama, eine Sängeroper. Und das musikalische Zusammenspiel der drei verschiedenen Hauptcharaktere war ein Traum. Mario Zhang als Radames überzeugte als stimmlich kraftvoller Feldherr und empfindsamer Liebhaber mit italienischem Schmelz. Leider kann er offenbar nur für die Premiere bezahlt oder engagiert werden.
Andrea Baker brillierte auch mimisch, schauspielerisch als machtbewusste, eifersüchtige, von Leidenschaften beherrschte Amneris. Eine stimmlich begnadete, facettenreiche Aida gab Kristin Lewis in wunderschönem Gewand. Dramatisch, dynamisch differenziert und selbst in höchster Fortissimo-Erregung zu leisen Zwischentönen zurückkehrend, stellte sie beeindruckend die Zerrissenheit zwischen Liebe und Vaterlandstreue dar. Einfach ein Genuss!
Das Orchester unter der Leitung des neuen Generalmusikdirektors Fabrizio Ventura unterstützte den dramatischen Stimmungswechsel durch kontrastreiche Dynamik- und Tempogestaltung. Dabei nutzte der Dirigent die ganze Bandbreite dynamischer Schattierungen, schreckte auch vor gewaltigem Klangspektakel nicht zurück zum Beispiel zur Darstellung des Krieges und der Zerstörung im dritten Akt.


FAZIT

"Aida" bleibt eine Herausforderung für jeden Regisseur!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabrizio Ventura

Inszenierung
und Bühnenbild
Fred Berndt

Kostüme
Regina Schill

Dramaturgie
Jens Ponath


Opernchor der Städtischen
Bühnen Münster

Extrachor der Städtischen
Bühnen Münster

Coruso, erster deutscher
freier Opernchor, e.V.

Statisterie der Städtischen
Bühnen Münster

Sinfonieorchester
der Stadt Münster


Solisten

* Alternativbesetzung

Der König von Ägypten
Igor Durlovski

Amneris, seine Tochter
Andrea Baker
*/ Suzanne McLeod

Aida, äthiopische Sklavin
Kristin Lewis
*/ Galina Shesterneva

Radamès, Feldherr
Mario Zhang
*/ Mark Duffin

Ramfis, Oberpriester
Plamen Hidjov

Amonasro, König von Äthiopien, Aidas Vater
Anton Keremidtchiev

Ein Bote
Andrea Shin

Tempelsängerin
Annette Johansson
*/ Judith Gennrich
*/ Julia Neumann



Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Städtische Bühnen Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

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