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Wenig Neues in Rom
Von Thomas Tillmann
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Fotos von der Opéra Royal de Wallonie
Claire Servais hat sich in ihren Lütticher Inszenierungen schon mehr getraut als bei dieser Neuinszenierung von Puccinis Tosca - man sieht kaum Neues, zu wenig von den klugen psychologischen Beobachtungen ihres Dramaturgen Frédéric Roels wird szenisch umgesetzt, auch wenn man berücksichtigt, dass das Publikum im Nachbarland einen eher konservativen Geschmack hat, und so plätschert das an sich ja sehr spannende Werk für meinen Geschmack in Carlo Centolavignas eindrucksvollem Bühnenraum, der sich mit wenigen Möbeln und Bühnenelementen und dank des magischen Lichts von Olivier Wéry vom imposanten Kircheninterieur zu Scarpias Speisezimmer (mit Marmor-Christus und illuminierten Folterszenenstichen an der Wand) und Cavaradossis Gefängnis in der Engelsburg verwandeln ließ, zu sehr vor sich hin und berührt nicht wirklich, zumal auch die Figuren in Michel Fresnays schicken Kostümen über Standardgesten wenig hinauskommen und zu selten wirkliche Interaktion stattfindet. Das Glück von Sängerin Tosca (Monique McDonald) und Maler Cavaradossi (Yonghoon Lee) ist nur von kurzer Dauer.
Monique McDonald kann bereits auf eine bemerkenswerte Karriere in ihrer amerikanischen Heimat und auch in Europa mit Partien des Spintofachs bis hin zu Strauss' Ariadne zurückblicken, aber wenn man genau hinhört, entdeckt man eine durchaus füllige, auch in der Tiefe voluminöse, grobkörnige, aber eben doch noch lyrische Sopranstimme, die Grenzen hinsichtlich technischer Reife und Expressivität kennt und wenig unterschiedliche Farben aufweist, was dem Gebet einiges an denkbarer Wirkung nahm, ebenso wie ihre Besitzerin keine besonders versierte, subtile, damenhafte Bühnendarstellerin ist (hier wäre mehr Hilfe oder größere Autorität von der Regie gefragt gewesen). Mit Yonghoon Lee hatte man einen jungen, hoch gewachsenen, schlanken Cavaradossi gewinnen können, der zudem über einen kraftvollen Spintotenor verfügt, den man ihm aufgrund seiner Physis nicht zugetraut hätte und der ihm ein unverkrampftes, mitunter etwas zu fermatenseliges Singen erlaubte (und kraftvoll geschmetterte "Vittoria"-Rufe im zweiten Akt). Stamina stand hier vor tonlicher Schönheit und tenoralem Glanz im engeren Sinne, wobei man dem jungen Künstler, der wohl noch nie in Europa aufgetreten ist, Unrecht täte, wenn man seine Bemühungen um leisere, feinere Töne unerwähnt ließe, seine Legato- und messa di voce-Qualitäten, die große Gestaltungskraft, die besonders in der zweiten Arie deutlich wurde und mehr Eindruck machte als das gänzlich überflüssige Schluchzen. Tosca (Monique McDonald) lässt sich von Scarpia (Ruggero Raimondi) eifersüchtig machen.
Ruggero Raimondi ist Legende als Baron Scarpia - er sang ihn in diversen kommerziellen Aufnahmen und nicht zuletzt in der spektakulären Fernsehproduktion, die an Originalschauplätzen und zur Originalzeit mit Catherine Malfitano als Diva und Placido Domingo als Maler gedreht wurde -, ohne dass ich ihn unter die ganz großen Interpreten dieser Rolle rechnen würde, was viele sicher anders sehen. Allzu viel hat jedenfalls der Zahn der Zeit der Stimme nicht anhaben können (der Künstler wurde immerhin bereits 1941 geboren und debütierte schon 1964), allenfalls einige hohe Töne im zweiten Akt klangen fahl und angestrengt, aber natürlich ist er eine Autorität auf der Bühne, natürlich weiß er um textliche Feinheiten und vokale Nuancen, natürlich ist er immer noch ein attraktiver Mann. Scarpia (Ruggero Raimondi) stimmt in das Te Deum des Kirchenpersonals (Chöre der Opéra Royal de Wallonie sowie der Opernchor Namur) ein.
Wenig Eindruck hinterließen die übrigen Solisten, das ist ja häufig so bei diesem Werk und auch nicht weiter problematisch; heben wir Philippe Ermelier als erfreulich zurückhaltenden Sagrestano und Léonard Graus als in die Jahre gekommenen Angelotti hervor. Eine gute Idee ist es, für bestimmte Produktionen den Hauschor der Königlichen Oper um den Opernchor Namur aufzustocken, was dem Te Deum des ersten Aktes zu grandioser Wirkugn verhalf. Mit Manlio Benzi stellte sich am Pult der Lütticher Orchesters ein neuer Maestro vor, der offenbar aber vom Kollektiv sofort akzeptiert wurde und nicht nur eine glutvolle, vorwärtsdrängende, aber nie gehetzt wirkende Werkwiedergabe zustande brachte, sondern auch eine mitreißende, farbige und dabei das Bühnenpersonal nie in Schwierigkeit bringende, was nicht wenig ist. Scarpia (Ruggero Raimondi, links) hat kein Mitleid mit Tosca (Monique McDonald) und dem gefolterten Mario (Yonghoon Lee).
Eine unspektakuläre, sehr traditionelle neue Tosca hat Claire Servais auf die Bühne der Opéra Royal de Wallonie gebracht, die mit einer charismatischeren Hauptdarstellerin bei einer Wiederaufnahme sicher an Wirkung gewinnen wird. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Assistenz
Kostüme
Licht
Chöre
Dramaturgie
Chor, Kinderchor und Orchester Solisten
Floria Tosca
Mario Cavaradossi
Il Barone Scarpia
Il sagrestano
Cesare Angelotti
Spoletta
Sciarrone
Un carciere
Un pastore
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