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Musiktheater
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Aida

Oper in vier Akten
Libretto von Antonio Ghislanzoni und Camille du Locle
nach einer Skizze von F. A. F. Mariotte
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Krefeld am 7. September 2007


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Theater Krefeld-Mönchengladbach
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Haute Couture statt Pyramiden

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte


Kleider machen Leute. Deshalb trägt Königstochter Amneris ein besonders schickes Modell, klassisch im Schnitt, mit Reifrock betont konservativ, und ganz sicher sündhaft teuer. Wahrscheinlich tragen Damen des Hoch- oder Geldadels (Kreise, die dem gemeinen Opernrezensenten für gewöhnlich verschlossen sind) so etwas unter ihresgleichen. Auch Aida ist Königstochter, und daher lässt auch sie sich modisch nicht lumpen und kauft bei Stardesignern ein. Wallendes Haar und tiefer Ausschnitt geben ihr im Vergleich zur strengen Erscheinung der Amneris eine erotischere Komponente. Eigentlich ist sie ja in der Oper gerade Sklavin und wohl kaum in Besitz so gediegener Garderobe, aber so genau kommt es in der Inszenierung darauf nicht an, solange das Outfit stimmt. Zwei sehr attraktive Damen jedenfalls buhlen hier um den forschen Hauptmann Radamés, herzen im Wechsel seinen Mantel (auch hier feiner Zwirn) und benehmen sich eifersüchtig und somit schlecht. Es dreht sich alles um die richtige Kleidung in dieser Krefelder Aida. Kostümbildnerin Uta Winkelsen hat ganze Arbeit geleistet und prägt die Inszenierung mehr als Regie oder Bühnenbild.

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Geschmackvolles Arrangement: Amneris (Susan Maclean) und Hofdamen

Die Verlierer haben keine schönen Kleider. In Unterwäsche werden die Gefangenen vorgeführt. Verlierer sind aber eigentlich alle in dieser Oper, und deshalb entledigen sich die Protagonisten nach und nach der edlen Stoffe. Ganz nackt sollen sie, man hat schließlich Geschmack, aber auch nicht auf der Bühne stehen, und so enden Amneris und Aida in immer noch attraktiven Negligés. Hinter den Kostümen werden im Verlauf des Stückes leidende Menschen erkennbar, so könnte man verkürzt das Regiekonzept beschreiben. Nun ja, wer dies nicht aus Verdis Musik heraushört, muss ziemlich taub oder ziemlich unmusikalisch sein, und daher ist das Konzept von Regisseur Bruno Klimek schon ein wenig schlicht. Zumal die Personenregie reichlich ungelenk ausfällt und Klimek und seinem Bühnenbildner Thomas Armster für den Schluss keine zwingende Idee einfällt: In einer Art Aufzug fahren Aida und Radamés, lebendig begraben, in die Unterwelt respektive den Unterboden. Da hat man, vorsichtig formuliert, schon raffiniertere Bildlösungen mit höherem utopischem Gehalt für diesen einzigartigen Verdi'schen Liebestod gesehen.

Vergrößerung in neuem Fenster Gefangene dürfen keine schönen Anzüge tragen; Radamés (Timothy Simpson) schaut zu.

Jeglichen Ägypten-Kitsch, der wie Pech an dieser Oper klebt, hat der Regisseur vollständig weggelassen, und das ist ihm hoch anzurechnen. Er inszeniert das Werk dennoch als große repräsentative Ausstattungsoper, mit pathetischen Chorauftritten und, siehe oben, üppigen Gewändern. Eine gewaltige Treppe, eingefasst von holzgetäfelten Wänden (die dringend 'mal wieder einen Anstrich mit einer Allwetterschutzlasur benötigen), gibt den Rahmen; an die Stelle von Lendenschurz, Sandalen und Schwertern treten Anzug und 5 Meter lange Stahlstangen, wozu auch immer diese gut sein mögen. Ein viereckiger Würfel, in dem man die Kaaba erahnen mag und der ab und zu vom Bühnenhimmel heruntergelassen wird, ruft hoffentlich keine Islamisten auf den Plan, weil er ja nicht weiter auffällt. Alles ist sehr gepflegt, sorgfältig durchchoreographiert, nett anzuschauen und ein bisschen langweilig. So ist sie halt, die Aida mit ihren Balletten, Aufzügen und Triumphmärschen: Grand opéra auf italienisch. (Es hat freilich auch schon Regisseure gegeben, die auch diese lähmende Schicht beseitigt haben.)

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Stangen statt Schwertern - und ein handfester Opernkonflikt, wie aus dem Regielehrbuch aufgestellt: Oben Radamés (Timothy Simpson) mit Amneris (Susan Maclean), unten Aida (Janet Bartolova) und Amonasro (Christoph Erpenbeck)

Aus szenischer Sicht war es bei der Premiere unglücklich, dass Susan Maclean, die Sängerin der Amneris, erkrankte und nur spielen konnte, während Anna Maria Dur als Einspringerin vom Bühnenrand singend die Premiere musikalisch rettete. Den ziemlich pauschalen Gesten der Amneris haftete dadurch etwas unfreiwillig Komisches an. Musikalisch wurde Anna Maria Dur zum Höhepunkt der Aufführung: Zwar ist die Stimme mit permanentem, schnarrendem Vibrato nicht „schön“, aber mit Strahlkraft in allen Lagen und zupackender, dabei sehr differenzierter Gestaltung war dies eine mitreißende Interpretation, die allen Facetten dieser heimlichen Hauptrolle (Verdi hatte mit dem Gedanken gespielt, die Oper „Amneris“ zu nennen) gerecht wurde. Jede Phrase klingt durchdacht, die Stimme „sitzt“ – und sie klingt nach Verdi. Das ist bei der Aida von Janet Bartolova nicht immer der Fall; der beim Forcieren schnell metallisch klingenden Stimme fehlt es an Substanz für die lyrischen Phrasen und für ein tragfähiges Piano, aber auch an dramatischer Kraft, um sich neben der Amneris behaupten zu können. Die ersten beiden Akte gelangen der Sängerin bei der Premiere zudem allzu eintönig und undifferenziert, von durchdachter Phrasierung war wenig zu hören; erst im dritten Akt mit deutlicher Formsteigerung erhielt die Figur ein musikalisches Profil. Sehr heikel ist das Finale, bei dem nicht nur Janet Bartolova erhebliche Mühe mit einem sauberen Piano hat, sondern noch viel stärker Timothy Simpson als Radamés. Simpson verfügt über einen kräftigen und strahlenden, durchaus angenehmen und kraftvollen Tenor, wenn auch mit Problemen in der Höhe – solange er mindestens Mezzoforte singen darf. Schon die Auftrittsarie „Celeste Aida“ ist weniger mit Verdi'schem Esspressivo (in der Partitur stehen Anweisungen wie „dolcissimo“) als mit kernig-heldischer Kraft gestemmt. Viel überzeugender gelingen ihm die Ensembleszenen und die dramatischen Momente, in denen sich Simpson über alle Chor- und Orchestermassen hinweg behaupten kann. Aber das Pianissimo des Finales, das ist nicht Timothy Simpson Sache, sondern ein vages Suchen nach wenigstens ungefähr richtiger Intonation. Mit Teilerfolgen.

Vergrößerung in neuem Fenster Liebestod: Radamés (Timothy Simpson) und Aida (Janet Bartolova) im Fahrstuhl in die Unterwelt,

Auch Christoph Erpenbeck, der den Amonasro singt, sucht (nicht immer erfolgreich) nach dem richtigen Tonfall. Häufig wechselt er während eines klingenden Tons die Klangfarbe, oft bricht mitten in einer Phrase der Klang weg. Die Partie scheint dem gestandenen Ensemblemitglied überhaupt wenig zu liegen. Jugendlich frisch, wenn auch noch nicht ganz ausgereift, geht Matthias Wippich die Partie des Ramphis an. Hayk Déinyan ist ein unauffälliger König, Debra Hays eine zuverlässige und klangschöne Tempelsängerin.

Nicht nur der anspruchsvollen Hauptrollen, sondern auch der monumentalen Chorbesetzung wegen ist Aida für ein kleineres Haus eine logistische wie musikalische Herausforderung. Die Vereinigten Bühnen Krefeld und Mönchengladbach meistern dies hervorragend; aufgeboten werden Chor, Extrachor und ein „Projektchor“. Heinz Klaus ist das Kunststück gelungen, daraus einen homogenen, zuverlässigen und flexibel reagierenden Klangkörper zu formen, der differenziert und klangschön und auch im knalligen Forte nicht lärmend singt. Dabei geht Dirigent Graham Jackson die Partie kernig an und lässt nicht nur die Bühnentrompeten schmettern: Eine Interpretation, die vor allem Klangpracht und Massenszenen effektvoll auskostet. Jackson hat Gespür für die dramatische Entwicklung und musiziert mit den gut disponierten Niederrheinischen Sinfonikern eine wenn auch nicht gerade subtile, so doch musikalisch schlüssige und spannende Aida.


FAZIT

Musikalisch ein Wechselbad der Gefühle: Neben eindrucksvoll gelungenen Szenen, die den Abend letztendlich hörenswert machen, steht manche Schwachstelle. Die Inszenierung stört nicht weiter.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Graham Jackson

Inszenierung
Bruno Klimek

Bühne
Thomas Armster

Kostüme
Ute Winkelsen

Choreinstudierung
Heinz Klaus

Dramaturgie
Ulrike Aistleitner


Chor und Statisterie der
Vereinigten Städtischen Bühnen
Krefeld und Mönchengladbach

Die Niederrheinischen Sinfoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Aida
* Janet Bartolova
Dara Hobbs

Amneris
* Susan Maclean (spielt)
* Anna Maria Dur a. G. (singt)
Sonja Borowski-Tudor

Eine Tempelsängerin
* Debra Hays
Isabelle Razawi

Radamès
Timothy Simpson

Amonasro
Christoph Erpenbeck

Ramfis
Matthias Wippich

König
Hayk Dèinyan

Ein Bote
Jerzy Gurzynski



Weitere
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Mönchengladbach

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