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Besuch im modernen OpernmuseumVon Thomas Tillmann / Fotos von Klaus LefebvreIn der vergangenen Spielzeit war Klaus Maria Brandauers Lohengrin von der Mehrheit der Kritiker und auch der übrigen Zuschauer als altmodisch-hilfloser Besuch im Opernmuseum abgestraft worden. Jasmin Solfagharis Deutung des Tannhäuser im unspezifischen, unzählige Male an unzähligen Bühnen in dieser Art gesehenen Einheitsbühnenbild von Frank Philipp Schlößmann (eine Büroetage mit viel Glas, Stahl und schwarzem Holz, exclusivem Ledersofa - klar, es ist ja eine "teure Halle"! -, zahllosen Neonröhren) und in den schwarz-weiß-grauen Alltagskostümen von Mechthild Seipel (Ausnahmen sind die mondäne Venusrobe in wahnsinnig einfallsreichem Rot und Schwarz sowie der schwarze Ledermantel und die Springerstiefel für Biterolf - auch so etwas möchte man wirklich nicht mehr sehen) sah auf den ersten Blick moderner aus, war es aber bei genauerem Hinsehen keineswegs: Die längste Zeit des Abends ärgerte man sich über müde, hausbackene Rampensteherei und steife Standbilder und gähnte angesichts wirklich aus der Mode gekommener Regietheateringredienzien (dass Tannhäuser sein "Sei's auch auf Tod und Untergehn" aufs Glas schreiben darf, mag als Beispiel dienen, der Umstand, dass wegen der ungünstigen Position kaum ein Zuschauer in der Lage gewesen sein dürfte, den Satz zu lesen, zudem für handwerkliches Ungeschick) und musste zu dem Urteil kommen, dass man einmal mehr ins Museum gelockt worden war, nur in ein anderes diesmal. Nur eines ist sicher: In einer Metropole steht dieses Opernmuseum nicht, sondern in tiefster Provinz. Venus (Dalia Schaechter) gibt alles, um Tannhäuser nicht an die kalte Welt zu verlieren. Zu Beginn drücken sich Hermanns Untertanen die Nasen platt, um einen Blick in Venus' Sündenpfuhl zu werfen. Und schon jetzt wird man die Frage nicht los, was denn hier eigentlich das Problem ist: Wer ist diese stattliche, doch ziemlich mütterlich wirkende Frau, zu der man nicht hingehen darf und die nach zornigem Gekeife durch eine Glastür verschwindet (ins Nebenbüro, in die Teeküche?)? Wie prüde sind denn diese in Straßenkleidung unserer Zeit gesteckten Menschen, was hat sich Tannhäuser denn da eigentlich zu Schulden kommen lassen, was macht die anderen Herren so neidisch, dass sie mit Stühlen auf ihn losgehen wollen, bevor sie in weiße T-Shirts mit blutrotem Kreuz schlüpfen und dann 'mal weg sind? Bereits hier geht diese vordergründige, platte und intellektuelle Fallhöhe vermissen lassende Aktualisierung nicht auf. Elisabeth (Camilly Nylund) begrüßt die teure Halle (in Tannhäusers Hemd?). Die meisten Regieeinfälle antizipierte der erfahrene Opernhausbesucher sekundenschnell: Niemand kann Zweifel daran gehabt haben, dass der rote Vorhang, mit dem Venus erotische Stimmung evoziert, bei Tannhäusers "Mein Heil ruht in Maria!" aus seiner Vorrichtung gerissen werden würde, man ahnte, dass die Chorherren die gegen Tannhäuser erhobenen Stühle in Kreuzform wieder auf die Bühne stellen würden und das Tannhäuser seinen Weg nach Rom (oder wohin auch immer) polternd durch deren Mitte nehmen würde, man hätte in der zweiten Pause Wetten darauf abschließen können, dass die Halle im dritten Aufzug zerstört präsentiert werden würde (freilich ohne so recht zu wissen, warum eigentlich) und dass Elisabeth die überall herumliegenden Scherben benutzen würde, um die Pulsadern, die sie offenbar bereits einmal nach Tannhäusers Flucht zur Konkurrenz aufgeschlitzt und verbunden bekommen hatte, erneut zu öffnen, mit Theaterblut ein Kreuz aufs T-Shirt zu malen und sich so in die Schar der Pilger einzuordnen (das Hochziehen der Neonröhren danach stand hoffentlich nicht für Elisabeths Apotheose). Die Sängerkollegen und die Gäste (von links nach rechts: Miljenko Turk als Wolfram, Daniel Henriks als Biterolf, Martin Hombrich als Walther, Andrés Felipe Orozco Martinez als Heinrich der Schreiber, Chor der Oper Köln) mögen die Auffassung der Liebe, die Tannhäuser (Torsten Kerl, Mitte) formuliert, gar nicht und reagieren entsprechend aggressiv. Mit Spannung hatte mancher Torsten Kerls Debüt in der Titelpartie erwartet, und angesichts des Umstandes, dass es einen in jeder Hinsicht vollkommenen Tannhäuser kaum je gab, gibt und geben wird, muss man konstatieren, dass der Gelsenkirchener gar keinen schlechten Eindruck hinterließ. Die lyrische Vergangenheit ist seinem Tenor deutlich anzuhören, sie erklärt auch, warum tiefer gelegene Passagen ihm mehr Mühe bereiten als hohe. Weniger als das leicht meckernde, schnelle Vibrato, das das Anhören seines bei Oehms Classics erschienenen Arienrecitals mitunter trübt, das aber im Theater nur selten unangenehm auffällt, stören mich die permanenten Vokalverfärbungen (man hört meistens einen Einheitslaut, den ich nicht in Buchstaben zu fassen vermag), die die Textverständlichkeit erheblich beeinträchtigen. Das kann nicht passieren, wenn Sprechgesang kein Tabu ist, und das war er in der Rom-Erzählung dann nicht mehr, was mich weniger irritierte als das Portamento. Und so erinnert man sich an einige sehr inspirierte und manche noch unfertige Momente in Kerls Tannhäuser-Interpretation, zumal der Sänger kein besonders charismatischer Darsteller ist, allenfalls ein bemühter - vieles wirkte da sehr altmodisch und zu histrionisch. Aber es wird ja vermutlich auch nicht seine letzte Beschäftigung mit dieser komplexen Rolle sein. Wolfram (Miljenko Turk) schwankt zwischen tiefem Mitleid und Entsetzen angesichts Tannhäusers Rom-Erzählung und seinem Wunsch nach Rückkehr zu Venus. Publikumsliebling war wie häufig bei diesem Stück der Interpret des Wolfram, für den Milkenko Turk einen sehr lyrischen, weichen, frischen, sofort ansprechenden Bariton mitbringt (es erstaunte mich nicht zu lesen, dass er sich mit der Titelpartie in Lehárs Graf von Luxemburg bereits in Tenorregionen gewagt hat). Aber ähnlich wie beim Sänger des Heinrich muss man feststellen, dass die Stimme in der tiefen Lage deutlich an Volumen und Präsenz verliert und sicher noch einige Jahre brauchen wird, um in dramatischeren Partien keinen Schaden zu nehmen - kleine Kratzer und Nebengeräusche im Lied an den Abendstern (vom Dirigenten überflüssigerweise total zerdehnt) waren mindestens in der von mir besuchten Vorstellung nicht zu überhören, bei aller Bewunderung für die grundsätzlich herrliche Farbe der Stimme, die Sensibilität des geradezu liedhaften Vortrags, das spürbare Bemühen um textliche Nuancen und die exemplarische Phrasierung. Camilla Nylund ist inzwischen eine feste Größe im jugendlich-dramatischen Fach, wenngleich ich persönlich immer meine Bedenken hatte angesichts der Entscheidung, auch bereits Rollen wie Salome und Leonore ins Repertoire aufzunehmen - das stete Vibrato vor allem im harten, uncharmanten Forte scheint der Preis zu sein, eine eher kühle, anonyme Färbung hatte die Stimme immer. Besser als die Hallenarie lag ihr zweifellos das Gebet, wobei sie sicher noch größeren Eindruck gemacht hätte, wenn der musikalische Leiter des Abends nicht auch hier auf ein enervierend langsames Tempo bestanden hätte, dem jegliche Spannung fehlte. Trotz der formulierten Einschränkungen war die Finnin zweifellos eine gute, vor allem auch darstellerisch sehr engagierte, präsente Landgrafennichte, zumal ihre Rolle die Regisseurin offenbar mehr interessierte als manch andere. Dalia Schaechter konnte sich nach der Premiere nicht nur über Kammersängerinnenehren freuen, sondern sah sich auch mit deutlichen Buhs konfrontiert - das passierte in der vierten Vorstellung nicht, wenngleich auch an diesem Abend wie so oft die Leistung der Künstlerin eine problematische war, denn wie bei all diesen hohen Mezzorollen liegt ihr die Tessitura einfach nicht: Die Stimme entfaltet eine gewisse Wirkung in der fülligen Mittellage, Töne darüber indes werden ihr gewaltsam abgetrotzt, was häßlich klingt und einer akkuraten Intonation abträglich ist, Töne in der tiefen Lage durch Sprechgesang umgangen, der so nicht ins Opernhaus gehört, sondern bei Chansonabenden große Wirkung entfaltet. Wie ihr Geliebter hätte sie auch mehr Unterstützung von der Regisseurin gebraucht, vielleicht wären ihre Bemühungen um eine sinnliche Aura dann weniger vulgär und platt ausgefallen. Da wünschte man sich Doris Soffel herbei, die wegen der Katja Kabanowa-Proben doch im Haus sein müsste. Trotz der skandalösen Leistung als Mustafa vor einigen Monaten hatte ich mich auf Reinhard Dorns Landgraf gefreut, denn die Rossini-Partie hat ihre speziellen Herausforderungen, während der Kölner ja im Wagnerfach jahrzehntelange Erfahrung und Erfolg aufzuweisen hat. Diese Jahrzehnte aber sind der in bequemer Lage immer noch imponierenden, grundsätzlich "richtigen" Stimme leider mittlerweile anzuhören, da wird mancher steife hohe Ton zur Zitterpartie, da wird außer der Reihe Luft geholt, da wird gekiekst. Man wünscht dem Sänger, dass er selbstkritisch seine Repertoireliste durchgeht und sich auf Rollen konzentriert, die ihm weniger Probleme bereiten. Musa Nkuna gab sich viel Mühe damit, sich als Walther zu profilieren, Daniel Henriks stahl ihm aber mit bemerkenswertem Bass und damit mit vokalen Mitteln als Biterolf die Show, während die übrigen Meistersänger ähnlich blaß blieben wie in vielen Produktionen. Opernstudiomitglied Susanne Niebling war ein Gewinn als junger Hirt (trotz leicht verrutschtem G bei der Piano-Wiederholung des "Mai"), während man sich über die Leistung des Chores nicht nur freuen konnte (Synchronität ist hier keine Selbstverständlichkeit). Tannhäuser (Torsten Kerl) stirbt, hin- und hergerissen zwischen der heiligen Elisabeth und der durch den roten Vorhang repräsentierten Liebesgöttin. In Premierenkritiken konnte man lesen, der Kölner GMD Markus Stenz mache seinem Ruf als profilierter Wagner-Dirigent alle Ehre, eine Einschätzung, die ich nach dem Besuch der vierten Vorstellung nicht ansatzweise nachvollziehen konnte, denn gerade Profil war es, das dem Spiel des Gürzenich-Orchesters fehlte: Viel zu verschwommen, unkonturiert, hinsichtlich der verschiedenen Stimmen unausgewogen und wenig transparent drang meistens ein Klangbrei ans Ohr, der nicht selten empfindliche, quälende Spielfehler enthielt und auch noch durch unangenehme Lautstärke das nun schon ganz nach vorn gestellte Bühnenpersonal zudeckte, zudem schließlich auch der Kontakt nicht immer sicher war. Über eine solche Orchesterleistung hätte sich ein mit Wagner nicht vertrautes Kollektiv eines kleinen Stadttheaters nach der ersten Orchesterprobe freuen können, nicht aber das traditionsreiche Gürzenich-Orchester, das jede Menge Erfahrung mit diesem Komponisten hat und vor wenigen Jahren noch zu den ersten gerade im deutschen Fach gezählt werden konnte. Verglichen mit dieser Leistung gehört das, was Stefan Soltesz in Essen anzubieten hatte (bei allen gemachten Einschränkungen!), natürlich in eine ganz andere Kategorie!
Alter (aber nicht guter) Wein in neuen Schläuchen - so lässt sich das Gesehene vielleicht anschaulich zusammenfassen. Wenn man staunend manche Zuschauerreaktion auf das Gehörte beobachtete, musste man zu dem Schluss kommen, dass es doch hilft, wenn man Wagners Oper nicht gut kennt. Man kann der Oper Köln nur wünschen, dass bald ein Neuanfang möglich ist (alle warten jetzt auf Uwe Eric Laufenberg, den Noch-Intendanten des Hans-Otto-Theaters Potsdam, der unter Günter Krämer bereits als Hausregisseur im Schauspiel tätig war und der ab 2009/2010 das Haus leiten wird, auch in den drei Jahren, in denen man in ein Ausweichquartier wechseln wird) und man endlich zum Niveau früherer Jahre zurückfindet, gerade auch in vokaler und orchestraler Hinsicht. Dann blieben vielleicht nach den Pausen auch nicht so viele Plätze frei wie an diesem Freitagabend. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Dramaturgie
Licht
Chor
Solisten* Besetzung derbesuchten Vorstellung
Hermann, Landgraf
Tannhäuser
Wolfram von Eschenbach
Walther von der
Heinrich der Schreiber
Biterolf
Reinmar von Zweter
Elisabeth, Nichte
Venus
Ein junger Hirt
Edelknaben
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- Fine -