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Musiktheater
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Le nozze di Figaro
(Figaros Hochzeit)


Commedia per musica von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


Aufführungsdauer: ca 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 29. September 2007

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Im Zeichen der Schere

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre

Die Trompeten verkünden den Beginn der Revolution. Schon im Wirbel der Ouvertüre setzen sie sich hart und militärisch über den Orchesterklang hinweg, und im Finale wird dieses Signal bekräftigt. Das ist die musikalische Klammer, die Dirigent Markus Stenz um diesen Figaro legt. Zuletzt wird ein Double Figaros auf der Bühne stehen, mit einem abgeschlagenen Kopf in der Hand – das Abschneiden von alten Zöpfen wird zur blutigen Angelegenheit werden, und die Schere wird zum Symbol des Aufstands. Die Revolution wird das im Finale nur vordergründig vereinte Ensemble auseinander reißen, es wird viele Verlierer und wenige Sieger geben. Das alles wird nur noch angedeutet, aber der historische Rahmen von Mozarts vorrevolutionärem Meisterwerk von 1785/86 ist unübersehbar.

Diese scharfe zeitgeschichtliche Pointierung ist der gelungenste Aspekt in der Kölner Neuinszenierung durch Christian von Götz, der zwar mit Ideen nur so um sich wirft – aber die wenigsten davon erweisen sich als schlüssig und tragfähig. Den ersten Akt lässt er in überstilisierten Rokoko-Kostümen spielen wie ein verspätetes Dramolett der Commedia dell'Arte (das Personal könnte einem Film von Peter Greeneway entsprungen sein); erst vom zweiten Akt an legen die Akteure die einengenden Gewänder ab und treten in weitgehend zeitloser Kleidung auf. Aber wozu dieser Bruch, der weder durch da Pontes Textbuch noch durch die Musik legitimiert wird? Ein kompletter Akt wird dadurch szenisch weitgehend verschenkt.


Vergrößerung in neuem Fenster Ein Hauch von Rokoko: Barbarina (Julia Giebel, Mitte) ist ganz offensichtlich schwanger. Ist der Graf (Kevin Short) der Vater?

Angefangen hat das Spiel aber schon vorher, noch vor dem ersten Musikeinsatz. Da sitzt zunächst eine nicht allzu attraktive, hochschwangere junge Dame vor dem Vorhang. Später erfährt man: Es ist Barbarina, die Tochter des tumben Gärtners Antonio (und bei so einem Vater wären Schönheit und Anmut natürlich inkonsequent). Von Götz baut sie zu einer Hauptfigur auf, was doch ein wenig konstruiert wirkt. Dann öffnet sich der Vorhang, und die Gräfin sitzt in einem Kinderzimmer, dessen unbenutzte Möbel von den Dienern weggetragen werden. Ist ungewollte Kinderlosigkeit des gräflichen Paares die Triebfeder für das folgende Durcheinander? Eine von vielen Fragen, die offen bleiben (was nicht weiter schlimm ist, weil sie ja auch nicht weiter von Interesse sind).

Auch die Figur des liebestollen Pagen Cherubino bleibt sehr rätselhaft. Kristina Wahlin agiert in der Hosenrolle unverkleidet als Frau. Noch dazu ist sie/er die/der geliebte(r) der Gräfin, und während diese ihre erste große Arie „Porgi amor" singt, wird heftig geknutscht. Das konterkariert die Bitte um die Liebe des Gatten doch erheblich, was angesichts der Ernsthaftigkeit der Musik nicht unbedingt plausibel ist. Dagegen wird die bei vielen Regisseuren angedeutete Sympathie Susannas für den Grafen hier sehr klein gehalten. Wenn Susanna sich zum Schein zum Stelldichein verabredet, trinkt sie vorher das eine oder andere Gläschen Sekt zu viel – und das Duett des dritten Akts „Crudel, perchè finora" mit den einkomponierten Versprechern wird zur platten Torkel- und Lachnummer. Auch so kann man Mozart verkleinern.


Vergrößerung in neuem Fenster Wozu braucht der Graf (Kevin Short) Ketchup? Weil hier modern inszeniert wird. Susanna (Claudia Rohrbach) ist eher dem Alkohol zugetan.

Kann man natürlich nicht. Der inszenatorische Übereifer des Regisseurs perlt an der Musik ab, und Mozart behauptet sich mühelos gegen die Vereinnahmungsversuche der Regie. Im Grunde kann ein Regisseur im Figaro jede Menge Unfug treiben und trotzdem gefallen, wenn er nur die Sänger im richtigen Moment sich selbst überlässt. So ähnlich ist das auch in dieser Neuinszenierung durch Christian von Götz (der zwar nicht jede Menge Unfug treibt, aber immerhin ein bisschen). Die stärksten Momente sind die, in denen die Sänger ihre von der Regie verordnete Funktion vergessen und einfach auf die Musik reagieren – als Menschen im Mozart - da Ponte'schen Kosmos (denn die Musik steht ja alles andere als beziehungslos zum Textbuch). Das funktioniert auch in dieser Inszenierung an vielen Stellen. Es geht, das ist ja durchaus richtig beobachtet, permanent um Sex, und da ist die Personenregie mit leichter Hand arrangiert und in ironischer Übertreibung oft witzig, zumal das Ensemble viel Spielfreude zeigt. Da kann man auch über das weitgehend plumpe Bühnenbild (Julia Hansen), das seine matte Pointe erst im Finale offenbart, hinwegsehen.


Vergrößerung in neuem Fenster Weil der Graf anderweitig mit Frauen beschäftigt ist, muss die Gräfin (Orla Boylan) traurige Arien singen

Musikalisch besticht vor allem der ungemein farbige Orchesterklang. Markus Stenz versteht es, in jeder Nummer die ganz eigene Klangfarbe hervorzuheben. Die Tempi könnten mitunter sicher noch stärker variiert werden, kontrastreicher sein (wobei das Gürzenich-Orchester im Punkte Genauigkeit in der flotten, aber nicht aberwitzig schnellen Ouvertüre an seine Grenzen stößt). Aber Mozarts wortsinngenaue Klangrede wird plastisch und flexibel ausgestaltet. In den Rezitativen wird Stenz wird mit viel Spielwitz von Rupert Burleigh am Hammerklavier unterstützt.

Aus dem Sängerensemble, das gut miteinander harmoniert, ragt Claudia Rohrbach als Susanna heraus – mit leichtem, aber substanzvollem, sehr beweglichen und intelligent geführten Sopran. Leandro Fischetti ist ein solider Figaro mit sauber geführter leichter und nicht allzu großer Stimme, was der Figur eine Spur zu viel Buffo-Freundlichkeit verleiht. Ein angehender Revolutionär dürfte ruhig gefährlicher klingen.


Vergrößerung in neuem Fenster Finale im Regen: Figaro (Leandro Fischetti)

Auch dem Grafen von Kevin Short möchte man eine etwas voluminösere Stimme wünschen, vor allem aber mehr Glanz, um die erotischen Ansprüche auch musikalisch zu untermauern – Short hat einen etwas verhangenen, in der Höhe matten Bariton, der immerhin zuverlässig anspricht und sich in den Ensembles gut mit den anderen Stimmen mischt. Leider verließen ihn in der Premiere ausgerechnet im Finale beim nun alles entscheidenden „Contessa, perdono“ Mut wie Stimme. Orla Boykin riskiert als Gräfin in beiden großen Arien ein zartes und zerbrechliches Piano, aber ihr ungenaues und unkontrolliertes Vibrato führt zu erheblichen Intonationsproblemen. Kristina Wahlin singt den Cherubino klangschön und intensiv. Eine Entdeckung ist die junge Julia Giebel, Mitglied des Opernstudios, als zupackende, leuchtend klar singende Barberina. Souverän und mit Sinn für die komödiantischen Elemente agiert das Trio Marcellina (Viola Zimmermann), Bartolo (Daniel Hendricks) und Don Curzio (Andrés F. Orozco-Martinez). Hauke Möller gibt einen betont schmierigen Basilio, mit Spielwitz zur Karikatur verzerrt, und Dieter Schweikart ist ein liebevoll trotteliger Gärtner Antonio.


FAZIT

Licht und Schatten: Musikalisch viele schöne Momente, aber Schlüsselstellen gehen daneben. Die Regie verheddert sich immer wieder in den eigenen Ideen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Stenz

Inszenierung
Christian von Götz

Bühne und Kostüme
Julia Hansen

Choreographie
Athol Farmer

Licht
Hans Toelstede

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Oliver Binder


Chor der Oper Köln

Statisterie der Bühnen Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Graf Almaviva
Kevin Short

Gräfin Almaviva
Orla Boylan

Susanna
Claudia Rohrbach

Figaro
Leandro Fischetti

Cherubino
Kristina Wahlin

Marcellina
Viola Zimmermann

Doktor Bartolo
Daniel Henriks

Basilio
Hauke Möller

Antonio
Dieter Schweikart

Barbarina
Julia Giebel

Don Curzio
Andrés F. Orozco Martinez

Zwei Frauen
Esther Oh
Astrid Schubert


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





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