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Musiktheater
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Strike Up the Band

Buch von George S. Kaufman
Songtexte von Ira Gershwin
Wiederherstellung der Fassung von 1927 durch Tommy Krasker
Deutsche Fassung von Roman Hinze
Musik von George Gershwin


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere am 8.12.2007
im Großen Haus des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen


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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Zu Gast in der Schweiz: Die USA auf einem ihrer beliebten Auslandseinsätze

Von Stefan Schmöe / Fotos von Rudolf Majer-Finkes


Die Schweiz protestiert gegen hohe Einfuhrzölle auf Käse, und das Protestschreiben ist auch noch unterfrankiert - wenn da kein Anlass für einen schönen, kleinen, lukrativen Krieg ist. Selbiger wird public privat partnership abgewickelt, soll heißen: Der Großindustrielle Horace J. Fletcher trägt die Kosten und streicht im Gegenzug alle Rechte ein, insbesondere die Namensgebung: Horace-J.-Fletcher-Gedächtniskrieg soll der Feldzug gegen den im fernen Amerika völlig unbekannten Kleinstaat heißen. Weil die Schweizer ebenso gastfreundschaftlich wie geschäftstüchtig sind, arrangieren sie für Schlachtfeldtouristen sehr zuvorkommend attraktive Pauschalreisen auf dem bekannt hohen Standard der Schweizer Hotellerie. Geschossen wird übrigens nicht, sondern gejodelt und gesteppt (schließlich sind wir im Musical).

Vergrößerung in neuem Fenster Firmenchef Fletcher (Joachim Gabriel Maaß) verkündet der begeisterten Belegschaft seiner Käserei den Beginn des Howard-J.-Fletcher-Gedächtniskriegs

Es ist schon hanebüchener Unsinn, mit dem Strike up the Band („Hau' auf die Pauke“) aufwartet. Amerikanischer Hurra-Patriotismus der plumpesten Sorte wird ebenso auf die Schippe genommen wie Schweizer Betulichkeit (der amtierende Gelsenkirchener Intendant, Peter Theiler, ist Schweizer und wird nicht ohne Augenzwinkern gerade dieses Stück auf den Spielplan gesetzt haben). Zweieinhalb Liebesgeschichten sind ziemlich unmotiviert eingebaut: Es darf als Kriegskontrastprogramm geküsst und getanzt werden. Das Textbuch stammt von George S. Kaufmann, der auch Drehbücher für die legendären Marx-Brothers geschrieben hat; die Song-Texte stammen von Gershwins Bruder Ira. Im Uraufführungsjahr 1927 konnte das amerikanische Publikum wenig mit der verqueren Mischung aus Politsatire und Unterhaltungsmusical anfangen, weshalb das Stück 1930 überarbeitet wurde – in Gelsenkirchen hat man die ursprüngliche Fassung rekonstruiert und ganz behutsam aktualisiert.

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Jim Townsend (Gaines Hall), Journalist mit pazifistischer Gesinnung, verliebt sich in die Tochter des Firmenchefs (Anke Sieloff)

Der Kunstgriff von Regisseur Matthias Davids besteht darin, sich jede tagespolitische Anspielung zu verkneifen. Denn je mehr er Begriffe wie „Bush“ oder „Irak“ vermeidet und stattdessen scheinbar naiv und harmlos Fahnen der dauerneutralen Alpenrepublik schwenken lässt, desto unübersehbarer stehen die Parallelen zur derzeitigen Situation unausgesprochen im Raum. Die große Politik ist dem Musiktheater dabei pünktlich zur Hilfe gekommen: Ausgerechnet in der Premierenwoche desavouieren die amerikanischen Geheimdienste mediengerecht ihren säbelrasselnden Präsidenten mit der Nachricht, dass es seit vier Jahren kein konkretes Atombombenprogramm im Iran gebe. Nimmt man den, man muss inzwischen wohl sagen: irrtümlich begonnenen Feldzug gegen den Irak hinzu, so bietet die Wirklichkeit ähnlich skurrile Stoffe wie das Musical. Wenn man die Privatarmee des Käseriesen Fletcher in Tarnanzügen die Maschinengewehre herumwirbeln sieht, balanciert die Inszenierung auf dem schmalen Grat zwischen pubertärer Albernheit und pietätloser Geschmacklosigkeit – aber sie steht diesen Balanceakt durch, und manchem Lacher ist das schlechte Gewissen darüber, dass die düstere Realität gar nicht so weit weg und überhaupt nicht zum Lachen ist, beigegeben. Und indem Davids das Klischeehafte des Stoffes noch genussvoll unterstreicht, parodiert er nebenbei auch noch den vordergründigen Antiamerikanismus, der hierzulande schnell das pazifistisch grundierte Gewissen beruhigt. Der Preis dieses Konzepts ist allerdings, dass die Figuren durchweg zu vordergründigen Karikaturen verkürzt werden. Ob Strike up the Band überhaupt mehr als solchen Klamauk bietet, wird hier jedenfalls nicht erkennbar.

Vergrößerung in neuem Fenster Ein lukrativer kleiner Krieg hebt die allgemeine Stimmung - hier tanzt Anne Draper (Filipina Henoch)

Der satirische Untergrund ist das eine, die Show das andere Element – und in der Choreographie von Melissa King ist allerhand los auf der Bühne. Die Inszenierung hat drive und das das richtige timing. Vom etwas behäbigen Anfang aus nehmen beständig die Überraschungseffekte zu, von denen hier nicht viel verraten werden soll. Nur so viel: Das Bühnenbild von Knut Hetzer bietet hervorragenden Raum für großformatige Tanzeinlagen, zaubert eine perfekte Schweiz mit Almidyll, ohne dass deshalb ein Almidyll zu sehen wäre (dafür aber einen hinreißender hochalpiner Bergsteiger-Stepptanz), und schwappt letztendlich bis in den Zuschauerraum über. Und immer, wenn das Stück in allzu überschaubare Bahnen zu gleiten droht, taucht eine sehr merkwürdige Gestalt, ein gewisser Mr. Spelvin, auf und sorgt für Humor der absurderen Sorte, die Marx-Brothers lassen ebenso grüßen wie die englische Komiker-Truppe „Monty Python“. So artet das Stück in absurdem Nonsens aus.

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Gewonnen! (Ensemble)

In Gelsenkirchen pflegt man seit einigen Jahren das Musical-Genre mit beachtlichem Erfolg. Opernchor und das Ensemble des Ballett Schindowski sowie die Statisterie bewältigen die gesanglichen und tänzerischen Anforderungen mehr als ordentlich. Das gilt auch für das Solistenensemble, das sich aus einer klugen Mischung von „hauseigenen“ (Opern-)Sängern (Joachim Gabriel Maaß ist als Horace J. Fletcher der Inbegriff des amerikanischen Selfmade-Industriellen, Anke Sieloff gibt seine Tochter Joan als verwöhntes Party-Girl) und erprobten Musical-Darstellern zusammensetzt und schauspielerisch wie sängerisch durchweg überzeugt. Hervorzuheben ist vielleicht Filipina Henoch, die als sehr attraktive und sängerisch ebenso versierte Anne Draper – die Figur ist offenbar nur da, weil eben eine hübsche junge Frau auf der Bühne stehen - genauer: singen und tanzen - muss, und das tut Filipina Henoch ausgezeichnet. Unter der umsichtigen Leitung von Kai Titje erweist sich die Neue Philharmonie Westfalen als veritables Showorchester.


FAZIT

Nicht die feinsinnigste Form musikalischer Komik, aber gute Unterhaltung mit viel Nonsens, überzeugend dargeboten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kai Tietje

Inszenierung
Mattthias Davids

Choreographie
Melissa King

Bühne
Knut Hetzer

Kostüme
Judith Peter

Chor
Christian Jeub

Sounddesign
Norbert Labudda

Dramaturgie
Johann Casimir Eule



Statisterie des
Musiktheater im Revier

Chor des
Musiktheater im Revier

Ensemble des
Ballett Schindowski

Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

*Besetzung der Premiere

Horace J. Fletcher
Joachim Gabriel Maaß

Joan Fletcher
Leah Gordon /
* Anke Sieloff

Jim Townsend
Gaines Hall

Mrs. Draper
Eva Tamulénas

Anne Draper
Filipina Henoch

Timothy Harper
Patrick Schenk /
* Philippe Ducloux a.G.

Colonel Holmes
Wolfgang Beigel

Edgar C. Sloane
Frank Engelhardt

George Spelvin
Daniel Drewes

Vier Soldaten
Sergey Formenko
Georg Hansen
Wolf-Rüdiger Klimm
Charles E. J. Moulton



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Da capo al Fine

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