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Musiktheater
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Otello

Dramma lirico in vier Akten
Libretto von Arrigo Boito
nach William Shakespeares The Tragedy of Othello
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Theater Lübeck und der Opera Ireland
Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen am 27. Januar 2008


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Musiktheater im Revier
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Otello im Ring

Von Thomas Tillmann / Fotos von Rudolf Majer-Finkes


Vergrößerung in neuem Fenster Ungewohntes Ambiente für Otello: Roderigo (William Saetre) kämpft gegen Cassio (Rémi Garin), Iago (Jee-Hyun Kim) ist der Schiedsrichter (dazu kommen die Damen und Herren des Opernchores des MiR, des Extrachores und der Statisterie).

Es ist natürlich kein Sakrileg, Otello nicht als Farbigen zu portraitieren (Dramaturgin Wiebke Hetmanek erinnert daran, dass das moro der Vorlage wie moor neben Mohr auch mit Maure übersetzt werden kann), es muss nicht die andere Hautfarbe sein, die ihn zum Außenseiter macht. Hier ist es sein Aufstieg vom ehemaligen Boxer zum Besitzer oder Präsidenten eines exklusiven Clubs und zum Medienstar, der ihm Neid und mehr oder minder offen gezeigte Verachtung einträgt. Und auch der Umstand, dass wir es mit einem attraktiven grauhaarigen Mann in den besten Jahren zu tun haben, der eine deutlich jüngere Frau geheiratet hat, widersprechen der Vorlage nicht: "Jagos Einflüsterungen sind für ihn insofern glaubwürdig, als er einen Ehebruch durchaus für möglich hält; und zwar nicht, weil er an Desdemonas Untreue glaubt, sondern weil er sich selbst für minderwertig und nicht liebenswert hält", weiß man im Programmheft, in dem auch das Boxen an sich beleuchtet wird, das demnach keine schlechte Illustration von psychologischen Phänomenen sein soll - ich muss es glauben, gestehe aber offen, dass sich mir diese Sportart (?) und alles, was mit ihr zusammenhängt, in keiner Weise mitteilt und dass ich daher das Verlegen der Handlung in diese mir verschlossene Szene und ihr Ambiente nicht bis ins Letzte nachvollziehen konnte. Immerhin, die Geschichte geht auch dort weitgehend problemlos auf, sieht man davon ab, dass Regisseur Dieter Kaegi in den ersten Szenen die Übertitelungsanlage ausgeschaltet ließ und sich in einem Boxring romantische Verliebtheit nicht recht einstellen will. Viel dichter wird der Abend gegen Ende, wenn das Boxszenario fast völlig verschwunden ist, wenn Otello und Desdemona sich vor zwei Wänden treffen und ohne Bett und Hochzeitskleid das vermeintlich Unvermeidliche geschieht, wenn der Regisseur sich ganz auf die Figuren konzentriert und in bemerkenswerter Reduktion viel berührender erzählt und größere Dichte schafft als mit der lauten, spektakulären Aktualisierung in Stefanie Pasterkamps Ausstattung mit Zuschauertribünen und Übertragungswänden, mit unnötigem Aktivismus, eben doch sehr künstlich wirkenden Kämpfen und schwerfälliger, nicht besonders synchron vorgeführter Cheerleading-Choreografie.

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Iago (Jee-Hyun Kim, links) nährt die Eifersucht Otellos (Keith Olsen, rechts).

Mit Keith Olsen hatte man namhafte Verstärkung für das grundsätzlich ja sehr kompetente Ensemble engagiert, der Amerikaner hat in London, Paris, Mailand und Berlin das große italienische Fach gesungen. Man freute sich, mit wie viel Details er ein vielschichtiges Portrait des Titelhelden zeichnete, wie viele lyrische Töne und Pianofeinheiten er der oft pauschal gebrüllten Partie abgewann, aber bei aller Bewunderung für vokale Sensibilität vermisste man mitunter eben doch tenoralen Forteglanz, heldisches Strahlen und eine weniger vorsichtige Höhenattacke - insofern waren die Töne, die er ins Mikrofon zu singen hatte und die wirklich nach einem richtigen Otello klangen, letztlich so etwas wie ein Offenbarungseid (ein mattes, glanzloses "Esultate" darf man gemessen am Gesamtumfang der Rolle und ihrer Schwierigkeit vielleicht nicht überbewerten, ein Indiz war es aber immerhin). Die Geister schieden sich an Noriko Ogawa-Yatakes Desdemona: Die Japanerin hat viele Jahre im lyrischen und jugendlich-dramatischen Fach hinter sich, ein nicht geringes Vibrato und ein eher frauliches als mädchenhaftes Timbre künden davon, und in der Tat gab es arge Momente des Zitterns vor allem im dritten Akt, als die ohnehin etwas steife Höhe versagte und mancher Ton schmerzlich zu tief geriet. Umso überraschender dann, mit welchem Stilgefühl, welcher großen Ruhe und interpretatorischen Reife sie die große Szene des letzten Aktes zu einem Höhepunkt des Abends machte - eine sicher nicht unproblematische Besetzung und sicher ein Hinweis dafür, dass man ihr in Zukunft die ganz großen Partien ihres Fachs wohl nicht mehr anbieten wird.

Vergrößerung in neuem Fenster Otello (Keith Olsen) demütigt Desdemona (Noriko Ogawa-Yatake) in aller Öffentlichkeit.

Den meisten Beifall des Solistentrios ersang sich Jee-Hyun Kim als Iago, den er szenisch wie vokal differenziert-nuancenreich gab. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen und wiederhole mich: Die Stimme selber ist die edelste und schönste nicht, das Timbre für Puristen sicher eine Prüfung, aber so differenzierten, ausdrucksstarken, am Wort orientierten Gesang hört man wahrlich nicht alle Tage (und auch nicht so präzise Acuti etwa im Trinklied). Keinen Grund zum Jubeln löste dagegen der zweite Gast des Abends aus: Mir war die metallisch-helle Stimme des Franzosen Rémi Garin einfach nicht schön genug für die Partie des Cassio. Interessiert wird man die Entwicklung des jungen Bassisten Christian Helmer verfolgen, der sich hier als noch leichtgewichtiger, aber absolut rollendeckender Lodovico empfahl. Stellvertretend für die übrigen Mitwirkenden sei Anna Agathonos genannt, die als Emilia wenig Möglichkeiten der Profilierung hatte und die man insgesamt engagierter und präsenter in Erinnerung hat. Keinen guten Eindruck hinterließ an diesem Abend der Chor unter Leitung seines neuen Direktors Christian Jeub, der sich mit Tempo und Tessitura vor allem im ersten Akt überfordert zeigte, vielleicht aber auch einfach nicht genügend Probenzeit hatte.

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Desdemona (Noriko Ogawa-Yatake) fleht Otello (Keith Olsen) vergeblich um Gnade an: In wenigen Augenblicken wird er sie erwürgen.

Die reifste musikalische Leistung der Abends verantwortete Samuel Bächli, dieser unermüdliche Arbeiter im Orchestergraben, den man vermissen wird. Wie packend und vorwärtsdrängend und doch stets kontrolliert war das Spiel der Neuen Philharmonie Westfalen, die nicht vorgibt, die Wiener Philharmoniker zu sein, die aber hier einen mehr als ordentlichen Verdi spielt, angeführt von einem Dirigenten mit wachem Blick für die Bühne und großem Herzen für Solisten, die an ihre Grenzen kommen.


FAZIT

Eine gewagte Modernisierung, die für meinen Geschmack wenig austrägt, aber auch nicht wirklich stört und nicht von großen musikalischen Momenten ablenkt, die nicht nur aus dem Orchestergraben kommen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Samuel Bächli

Inszenierung
Dieter Kaegi

Bühne und Kostüme
Stefanie Pasterkamp

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Wiebke Hetmanek
Sascha Mink (Lübeck)



Statisterie des
Musiktheater im Revier

Chor und Extrachor des
Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

*Besetzung der Premiere

Otello, Feldherr
Keith Olsen

Iago, Fähnrich
Jee-Hyun Kim

Cassio, Hauptmann
Rémi Garin

Roderigo, Edelmann
William Saetre

Lodovico, Gesandter
* Christian Helmer/
Nicolai Karnolsky

Montano, Offizier
Wolf-Rüdiger Klimm

Desdemona,
Otellos Gattin
Hrachuhí Bassénz/
* Noriko Ogawa-Yatake

Emilia, Iagos Gattin
Anna Agathonos



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Da capo al Fine

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