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Was machen 14 Ritter im Nonnenkloster? Genau das! LE COMTE ORY Ein fabelhafter Opernspaß am MiR Rossinis Ferkeleien auf der Opernbühne absolut jugendfrei.
Von Peter Bilsing
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Fotos von Rudolf Majer-Finkes
Rossinis "Le Comte Ory" ist eigentlich rein musikalisch gesehen die französische Variante seiner Oper "Il Viaggio a Reims", die bereits 2003 am Musiktheater im Revier vom gleichen Regisseur höchst erfolgreich inszeniert wurde. Worum es geht? Worum es immer in der Oper geht, wenn mal keiner umgebracht wird: um Sex! Andreas Baesler und sein Regie-Team belassen die Geschichte vom Grafen Ory, der mit seinen Mannen (als Nonnen verkleidet) gleich ein ganzes Kloster schwängerte, nicht im Mittelalter, sondern versetzen sie höchst phantasievoll ins Frankreich der 50er Jahre. Nicht gleich abschalten liebe Opernfreunde, denn es paßt perfekt. Auch eine moderne Inszenierung kann, wenn sie brillant gemacht ist, werktreu und überzeugend sein. Hand aufs Herz!
In medias res: Unser Comte Ory ist im ersten Akt dieser köstlichen Opernklamotte ein über die Dörfer reisender Blümchenhippie & Sex-Guru, dem sich die Frauen gleich scharenweise nicht nur an den Hals werfen; dabei dient sein Reisemobil ein phantastisch für die Bühne restaurierter original Citroen Camionette (Bravo der Requisite!) nicht nur als Papa-Mobil christlicher Bekehrung, sondern eher als ein Beglückungslager für die ländliche Weiblichkeit. Es ist geradewegs unfassbar wie viele Mädels dieses Prachtfahrzeug in sich aufnehmen kann. Die bekannt weiche Federung französischer Autos läßt die orgienartigen Aktivitäten frech und unverblümt dreist zum Takte der Musik unzweideutig erahnen honi soit, qui mal y pense! Natürlich dachten alle an dasselbe, versteht sich. Zwar weicht diese Deutung etwas vom Original ab (wo zwar alle wollen, aber lokalbedingt nicht können) sei´s drum, es ist dennoch sehr witzig und jungendfrei spaßig inszeniert, obwohl es um puren Sex geht. Der antiklerikale Aspekt des Originals geht zumindest im ersten Akt etwas unter; was dem Spaß aber keinen Abbruch tut.
Die prachtvoll und wunderbar detailreich hergerichtete Bühne von Harald Thor zeigte im ersten Akt den von hohen Mauern umgebenen, fast schon gefängnishaft anmutenden Eingang zu einer Art Klostergebäude, in welches sich die edlen Damen der Gesellschaft - zurzeit etwas unbemannt - als vorübergehende Ornatsträgerinnen zurückgezogen haben. Ihre Gatten, alles hochdekorierte Fremdenlegionäre (so werden wir später sehen), befinden sich derweil noch auf Kreuzzug in Algerien. Der zweite Akt zeigt den Wandelsaal des Klosters, wo unsere Ladies sich gerade mittels brandaktueller Technik (portabel akkubetriebene Fönhauben!) und sorgfältig im Gesicht platzierter Gurkenscheiben sozusagen für ihre Männer frisch halten. Zur Erinnerung und Memento Mori an das abgelegte Keuscheitsgelübte zieren die Großportraits ihrer Ehemänner in Paradeuniform den holzgetäfelten Raum, im Hintergrund läuft ein Fernseher. Was dann folgt, ist ein einstündiges Actionfinale ohne Leerlauf und Ruhepause Baesler entzündet ein Gagfeuerwerk ersten Ranges, welches dem seligen Louis de Funès gewidmet sein könnte. Bis hin zum durchaus auch etwas nachdenklich, kritischen Finale wird ein Orkan entfesselt, der dem Zuschauer fast ununterbrochen Sturzbäche von Lachtränen aus den Augen treibt. Baesler zeigt sich nicht nur als Meister der Parodie unzähliger Filme, sondern beweist auch durch die effektvolle und passende Platzierung wirklich plattester und abgefahrendster Späßchen in immer neuen Dimensionen, daß er ein Meisterarrangeur nicht nur subtilen Witzes, sondern auch grobstolligen Klamauks ist. Dabei ist bis auf die kleinste Szene alles feinsinnig zur Musik passend ausziseliert und choreographiert. "Einer flog über das Kuckucksnest."
Doch diese wunderbar humorvolle Produktion wäre ohne die phantastischen Damen und Herren des Chores kaum möglich gewesen. Und was ist das für eine Chortruppe! Sie agieren schauspielerisch geradezu oscarreif; fallen, kugeln und rollen über die Bühne wie ausgebildete Stuntmen & Stuntwomen. Jeder einzelne hat eine Bühnenpräsenz und individuelle Ausstrahlung, die die vieler gutbezahlter Sänger neidlos in den Schatten stellen würde. Daß sie dabei auch noch prachtvoll singen (dank Chorleiter Christian Jeub), ist ein göttliches Wunder. Mein absolutes Bravissimo für diese grandiose Leistung! Wenn Rossinis Musik wie Offenbachscher Champagner aus dem Graben sprudelt, dann zeugt das von guter Vorbereitung des Orchesters und einem feinfühlig spritzigem Dirigat. Dies bot Cosima Sophia Osthoff mit der Neuen Philharmonie Westfahlen gestern in bestechender Art und Weise. Alles funkelte und perlte mit einer Leichtigkeit, welche die Mühen, die hinter solcher großartiger Erarbeitung liegen, kaum mehr spüren lassen. Mein absolutes (sicherlich gestern auch kaum überhörbares) Bravi Nummer zwei.
So ein Stück in solch aktionsreicher Inszenierung ist natürlich nur mit überragenden Sängerdarstellern realisierbar, und da weiß der Kritiker kaum, mit wem anfangen in dieser gemeinsamen Lobeshymne; Gratulation und multiple Bravi allen: dem vielseitigen Christopher Lincoln als Comte Ory, der sich in einer Hosenrolle präsentierenden bewundernswerten Anke Sieloff als Diener Isolier, dem prachtvollen Bass des Joachim Gabriel Maaß als Erzieher, der höchste Töne in feinsten Nuancen betörenden Leah Gordon als Comtesse, oder dem geschmeidigen Raimbaud des Melih Tepretmez. Nicht bei diesem Lobeskanon zu vergessen: Jordanka Milkova als Dame Ragonde, Noriko Ogazawa-Yatake als Alice und Artavazd Zakaryanan als Coryphée. Ein wirklich beglückendes Ensemble.
Wer auch nur über ein Restquentchen Humor verfügt, sich einen tollen fröhlichen sowie gagreichen Opernabend mit traumhafter Musik und schönem Gesang hingeben will, ohne sich dabei auf der bekannten Seichtigkeitsebene des sonst ja allgegenwärtigen und meist unvermeidlichen TV-Humors zu verlieren, sollte, nein muß ! sich diese köstliche Produktion anschauen. Ich habe in den letzten Jahren selten soviel gelacht und bin nie besser unterhalten worden als mit diesem Comte Ory, welcher so begnadet leichtfüßig von Andreas Baesler gestern auf die Bühnenbretter des MiR gebracht wurde. Die Opernkarte wird Sie, verehrte Opernfreunde, nur den Bruchteil einer Flasche Dom Perignon 53er kosten, die erheiternde Wirkung wird aber um ein vielfaches größer sein und bestimmt länger anhalten. Ich sag´s mal frei nach Heinz Erhard: Auf, auf und auf! Lasst uns von Theater zu Theater eilen und allen eine Abfuhr erteilen. Auf nach Gelsenkirchen, um da zu verweilen! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten* Alternativbesetzung
Le comte Ory
Le Gouverneur
Isolier,
Ritter und närrischer
La comtesse Adèle
Dame Ragonde, Pförtnerin
Alice, junge Bäuerin
Coryphée
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