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Beziehungslosigkeiten
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Thomas M. Jauk / Stage Picture Gmbh Achtung Folklore: Der Verkauften Braut haftet hartnäckig das Etikett volkstümlich an. Fröhliche Bauern, die in böhmischen Dörfern Polka und Furiant tanzen, das klingt nach Heimatidylle im Herzen Europas, die der Realität kaum entspricht. Schon Bertold Brecht hat gewusst: "Das Volk ist nicht tümlich", und bei der an Brecht geschulten Dortmunder Intendantin und politischen Regisseurin Christine Mielitz (wobei das Politische zuletzt zusehends undeutlich erschien) durfte man mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine folkloristisch entrümpelte Inszenierung wetten. Und tatsächlich erscheint das Dorfleben nur noch als Andeutung, fast ein Zitat. Vor Kitsch braucht man sich in dieser Inszenierung nicht zu fürchten. Welchem Mann käme in solcher Situation nicht der Wunsch, die Braut zu verkaufen? Hans (Timothy Richards) und Marie (Peggy Steiner)
Christian Rinke hat eine Dorfkulisse aus stark abstrahierten, schiefwinkligen Bretterverschlägen gebaut, die wie Beton aussehen (ob da Gottfried Böhms zerklüftete Wallfahrtsdom in Velbert-Neviges, knappe 50 km vom Dortmunder Opernhaus entfernt, Pate gestanden hat?) Die Elemente sind leicht dreh- und verschiebbar, und wie schon in ihren vorigen Inszenierungen macht Christine Mielitz davon eifrig Gebrauch und erneut stellt sich das Gefühl ein, Drehen und Verschieben seien in erster Linie Selbstzweck und kaum durch die Handlung motiviert. In kalten Grüntönen ausgeleuchtet wird eine menschenfeindliche (Stadt-)Landschaft angedeutet. Die Kostüme von Tatjana Ivschina bewegen sich irgendwo im undefinierbaren Niemandsland zwischen Alltagskleidung und Dorftracht. Das Regiekonzept sorgt also zuerst einmal für eine weitgehende Entstaubung und Bereinigung. Mit dem Fehlen einer erkennbaren Dorfstruktur ist aber auch der soziale Hintergrund verschwunden, der für das Funktionieren der Geschichte unverzichtbar ist. Hans und Marie bleiben heimat- und beziehungslos, mit dem Dorfleben wird ihnen auch ihre Biographie genommen und die Regie liefert nichts, was diese ersetzen könnte. Ohne Verwurzelung in ihrer Tradition sind die hier abzuarbeitenden Konfliktfelder zwischen Liebe, Täuschung und Enttäuschung nicht tragfähig, sondern lediglich banal. Ein Hauch von Volkstümlichkeit in kubistischer Dorflandschaft
Dramaturg Christian Baier hat im Programmheft bemerkt, dass Smetana die Sprachmelodie des Tschechischen in Musik quasi übersetzt und ein slawischer Charakter der Musik schon dadurch hergestellt wird. Gespielt wird in Dortmund allerdings Übersetzung von Kurt Honolka. Mit der Entscheidung für eine deutsche Fassung stellt sich die Regisseurin in die Tradition Walter Felsensteins, der an der Komischen Oper Berlin (wo Christine Mielitz selbst einige Zeit Oberspielleiterin war) modellhaft deutschsprachige Aufführungen mit ausgefeilter Personenregie, wie sie nur ein funktionierendes Ensembletheater ermöglicht, propagierte. Seit es auch in Dortmund - Übertitelungsanlagen gibt, sind die Argumente für deutsche Sprache allerdings nicht mehr ganz so stichhaltig. Vor allem aber müsst erst einmal der deutsche Text überhaubt verständlich gesungen werden, was er in Dortmund in weiten Teilen nicht der Fall ist und wenn schon unverständlich, dann doch lieber mit der originalen Sprachmelodie. Und auch eine wirklich ausgefeilte Personenregie (die ohnehin unabhängig von der Sprache sein sollte) bleibt die Produktion schuldig; zwar gibt es hier und da interessante Ansätze, in der Summe aber bleibt die Figurenzeichnung konventionell und an der Oberfläche. Gespräch unter Männern: Hans (Timothy Richards) und Kecal (Bart Driessen)
Die Leerstellen, die durch eine reichlich unentschlossene Inszenierung bleiben, müssten durch die Musik gefüllt werden aber da herrscht Mittelmaß der eher tristen Sorte vor. Dirigent Simon Rekers hat mit den Dortmunder Philharmonikern genau gearbeitet; die vertrackten Achtel der flotten Overtüre sind präzise gespielt, wie überhaupt das allermeiste erfreulich präzise erklingt. Den Charakter von Smetanas Musik trifft Rekers allerdings kaum; eher klingt es, das zieht sich durch den gesamten Abend, nach der emotionsbereinigt ablaufenden Rhethorik eines Paul Hindemith. Viele Akzente müssten schärfer und energischer gespielt werden, näher an der Volksmusik; auf der anderen Seite bräuchten die Holzbläser, allen voran die Klarinetten, mehr Freiheiten. Es gibt durchaus schön ausmusizierte Details, aber insgesamt bleibt die Interpretation sehr akademisch. Der Chor (Einstudierung: Granville Walker) singt klangvoll und präsent, ist aber bei den kleinen Notenwerten wie in der Nuancierung zu unbeweglich. Peggy Steiner ist eine jugendliche, hübsch anzuschauende Marie mit einer frischen, recht kleinen Stimme, die für das große Dortmunder Haus nicht immer tragfähig genug ist. Ein mitunter starkes Vibrato soll die Stimme groß klingen lassen, kann die für die emphatischen Ausbrüche fehlende Substanz aber nicht immer überspielen. Immerhin ist die Partie tadellos sauber und klar gesungen, was auch schon etwas ist insbesondere wenn man Timothy Richards als nicht nur rhythmisch sehr ungenauen Hans daneben hört. Der walisische Tenor bemüht sich zwar um korrekte Aussprache, bei allem guten Willen bleiben die Vokalverfärbungen oft störend. Dazu ist seine Stimme eng und gequetscht, nur selten kann er sich frei singen, und ein leichter Komödientonfall will sich schon überhaupt nicht einstellen. Bei Puccini (Richards hat alle großen Tenorpartien des Italieners im Repertoire) scheint die Stimme deutlich besser aufgehoben. (Szenisch bleibt er ein Fremdkörper, weil er so aussieht, als käme er direkt aus einem Londoner Pub hat man sein Kostüm vergessen?) Die drehbare Spanplattenwand im Hintergrund besticht durch ihre edle Beton-Optik mit dezentem aufgemalten Baum-Dekor. Davor stehen Marie (Peggy Steiner) und Wenzel (Tansel Akzeybek)
Bart Driessen spielt den Heiratsvermittler Kecal als Mischung zwischen schmierigem Zuhälter und gutmütigem Bassbuffo alter Schule (auch hier ist die Regie viel zu unentschlossen). Sein sehr direkter, teilweise scharfer Bass ist nicht eben filigran geführt, die Rolle bei manchen Ungenauigkeiten solide, aber kaum nuanciert gesungen. Tansel Akzeybeck besitzt als Wenzel musikalische Präsenz, sein leichter, aber greller Tenor und das überdrehte Spiel lassen kaum Mitgefühl für die im Stück ziemlich gebeutelte Figur aufkommen. Sehr zwiespältige Eindrücke hinterlassen die Sänger der kleineren Rollen: Überzeugend und stimmlich ausgewogen gelingt das Sextett des dritten Aktes (neben Kecal und Marie singen Brian Dore als Kruschina, Christiane Groeneveld als Ludmilla, Vidar Gunnarson als Micha und Franziska Rabl als Hata); an vielen anderen Stellen hat man bei den gleichen Sängern den Eindruck, Nebenrolle bedeutet auch: Nebensächlich gesungen. Von einer vorbildlichen Ensemblekultur im Sinne Felsensteins ist das Dortmunder Theater auch musikalisch weit entfernt. FAZIT Unaufregender geht's kaum: Szenisch wie musikalisch nicht ganz schlecht, aber keinesfalls gut. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der PremiereKrusina Brian Dore
Ludmilla
Marie
Micha
Háta
Wenzel
Hans
Kecal
Zirkusdirektor
Esmeralda
Indianer
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