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Musiktheater
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Pelléas et Mélisande

Drame lyrique in fünf Akten von Maurice Maeterlinck
Musik von Claude Debussy


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 8. September 2007


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Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Ein Trauerspiel, bei dem die Protagonisten nasse Füße bekommen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Eduard Straub

Es ist ein Familiendrama wie bei Strindberg: Hinter der bürgerlichen Fassade quälen sich die Angehörigen bis auf's Blut (und das ist hier ganz wörtlich zu nehmen). In der drückenden Enge im Hause Allemonde, wo jeder jeden permanent im Blick hat, reden die Personen aneinander vorbei, finden trotz größter Nähe nicht zueinander. Der geheimnisvolle Symbolismus Maurice Maeterlincks, dessen gleichnamiges Drama Claude Debussy zum Libretto seiner Oper komprimierte, hat in dieser Sichtweise keinen Platz. Regisseur Christoph Nel sucht nach den Beziehungen zwischen den Personen – genau die bleiben aber in der Oper selbst sehr vage, was nicht unerheblich zum Reiz des Werkes beiträgt. Die Gefahr, dass eine Interpretation schnell auch eine Trivialisierung zur Folge hat, ist Nel bewusst, und darin liegt sein Dilemma: Eben weil er den Figuren die Aura des letztendlich Unerklärlichen lässt, hängt das bürgerliche Trauerspiel, das psychologische Begründungen einfordert, ziemlich unentschlossen in der Luft.

Vergrößerung Zopflos: Mélisande (Catrin Wys-Davies)

Die Bühne (Jens Kilian) ist komplett unter Wasser gesetzt. Nur auf wackligen Stegen bewegen sich die Bewohner des Hauses, immer in Gefahr, abzustürzen. Der Raum selbst ist ein Wartesaal mit umlaufender Holztäfelung. Darüber öffnet sich ein zweites Geschoss, ein riesiges Kellerverlies des späten 19. Jahrhunderts. Oben und unten sind vertauscht, wie dies überhaupt ein irrationaler Raum ist, trotz Stehlampe und Flügel als Insignien des Bürgertums. Der Regisseur möchte auch hier den Realismus gleichzeitig einholen und vertreiben. Die Ambivalenz, das Stück umzudeuten und doch werktreu zu bleiben, durchzieht die gesamte Inszenierung. Im Libretto ist viel von Mélisandes Haar die Rede; Nel lässt sie dieses Haar gleich zu Beginn abschneiden und fortan den abgeschnittenen Zopf als Requisit verwenden – aber wozu eigentlich? Und wozu muss Pelléas' Vater, von dem im Libretto gesprochen wird, der aber nie in Erscheinung tritt, allgegenwärtig am Tisch sitzen? Solche Ideen hinterlassen einen reichlich verkrampften Eindruck.

Vergrößerung

Trotz Stehlampe kein Familienidyll: (von links) Geneviève (Nadine Denize), Yniold (Léa Pasquel), Pelléas (Dmitri Vargin), Golaud (Tomasz Konieczny) Arkel (Malcolm Smith) und Mélisande (Catrin Wys-Davies)

Nel und seine Mitarbeiterin Martina Jochem, die für die „szenische Analyse“ verantwortlich ist, mögen eine leidlich plausible Entschlüsselung vorgenommen haben, aber den Charakter des Werkes verfehlen sie an vielen Stellen. Die Inszenierung wirkt zu theoretisch, wie am Reißbrett konstruiert, ohne die rechte Bühnentauglichkeit zu entfalten. Aber auch für ein anständiges Psychodrama reicht's nicht – dazu fehlt den Figuren die Entwicklung. Mélisande bleibt zwangsläufig ein unbestimmter Charakter, Golaud ist von Beginn an der eifersüchtig rasende Ehemann, Pelléas ein ziemlich zielloser Schwärmer. Ein paar eindrucksvolle Momente gibt es, aber ein überzeugendes Gesamtkonzept erwächst daraus nicht.

Vergrößerung Oben sitzt man zu Tisch, unten treiben Pelléas (Dmitri Vargin) und Mélisande (Catrin Wys-Davies) Wasserspiele

Was die Inszenierung an Geheimnis vorenthält, wird erst in der Musik erlebbar. Sehr gut gelingt es den ordentlichen Düsseldorfer Symphonikern unter dem sensiblen Dirigat von Kapellmeister Andreas Stoehr, Debussys schwebenden Klang einzufangen. Immer transparent entsteht hier eine fein nuancierte und hervorragend ausbalancierte Lautstärken-Disposition, die zwischen Pianissimo und dem (sehr seltenen) Fortissimo eine große Vielfalt von Abstufungen hörbar macht. Dabei ist der Klang schlank und klar und entschlackt von jeglicher spätromantischen Breiigkeit. Stoehr hat auch viel Sinn für die musikalischen Linien und die großen Bögen, die er über komplette Akte spannt.

Vergrößerung

Misstrauischer Ehemann: Golaud (Tomasz Konieczny, links) mit Sohn Yniold (Léa Pasquel)

Sängerisch herausragend ist Tomasz Konieczny als Golaud, der zur dominanten Figur wird – darin auch unterstützt von der Regie. Mit einer Riesenstimme, die er mühelos kontrolliert und nie forcieren muss, kann er kraftvoll die dramatischen Akzente setzen, bleibt aber dennoch lyrisch und trifft den Gestus dieser Musik genau. Dazu besitzt er auch große schauspielerische Präsenz, mit der er, vor Eifersucht wütend, nicht nur Pelléas und Mélisande physisch, sondern auch sich selbst psychisch zerstört. Catrin Wyn-Davies ist eine Mélisande, deren schöne und leichte (dennoch substanzvolle) Stimme etwas sehr Flüchtiges hat, was gut zur Rolle passt. Mit knalligen Farben im vorherrschenden Graubraun ist sie eine Art frühreife Pippi Langstrumpf unter lauter bösen Erwachsenen. Statt eines Tenors singt mit Dmitri Vargin ein hoher lyrischer Bariton die Partie des Pelléas. Die tiefen Passagen gelingen Vargin, eine Mischung aus Langzeitstudent und Winnetou, sehr überzeugend, angenehm dunkel im Timbre; in der Höhe allerdings wird die Stimme eng und verliert an Glanz. Mit Malcolm Smith wird für den uralten König Arkel ein Haudegen aufgeboten, der seit 1971 an der Rheinoper singt. Natürlich ist die Zeit nicht spurlos an der Stimme vorbeigegangen, die oft verhaucht klingt; aber vor allem die erschütternde Schluss-Szene mit einem zutiefst resignativen König gelingt ihm sehr eindrucksvoll. Recht angestrengt klingt die Geneviéve von Nadine Denize. Jugendlich strahlend und auch spielerisch sehr engagiert singt Léa Pasquel den Knaben Yniold. Damit ist die musikalische Seite ungleich überzeugender gelungen als die szenische.


FAZIT

Der Spagat zwischen Symbolismus und bürgerlichem Trauerspiel fällt ins Wasser: Die Regie gibt Antworten, nach denen die Oper gar nicht fragt. Musikalisch überzeugend.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Stoehr

Inszenierung
Christof Nel

Szenische Analyse
Martina Jochem

Bühne
Jens Kilian

Kostüme
Ilse Welter

Licht
Volker Weinhardt

Dramaturgie
Hella Bartnig



Statisterie der
Deutschen Oper am Rhein

Die Düsseldorfer
Symphoniker


Solisten

Arkel
Malcolm Smith

Geneviève
Nadine Denize

Pelléas
Dmitri Vargin

Golaud
Tomasz Konieczny

Mélisande
Catrin Wyn-Davies

Yniold
Léa Pasquel

Ein Arzt
Daniel Djambazian






Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)



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