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Mode-Oper ohne Bodenhaftung
Von Stefan Schmöe / Fotos von Eduard Straub Düsseldorf boomt. Die Stadt ist schuldenfrei, die Immobilienpreise steigen, und die Modemessen stehen vor der Tür. Als Modestadt sieht man sich gern, und so hat die Rheinoper eine große Oper zum Thema Mode in Auftrag gegeben. Komponist ist der Italiener Giorgio Battistelli, Jahrgang 1953, der bereits 1995/96 als Composer in residence in Düsseldorf seine Orchesterprobe (nach Federico Fellini) zur Uraufführung brachte. In der vergangenen Spielzeit war im Theaterzelt am Landtag Richard III. (unsere Rezension) als deutsche Erstaufführung zu sehen. Die Vorfreude auf das neueste Werk des Italieners war so groß, dass gleich die komplette Spielzeit unter das Motto Oper ist fashion gestellt wurde. Zimmermädchen Meli (Kristen Leich) mit den Türstehern Bow (Tony Rizzi) und Scrape (Anton Skrzypiciel) Das englischsprachige Libretto zu Fashion von Bob Goody erzählt eine ziemlich banale Geschichte: Tarquin, das männliche Starmodel einer Modeshow, sagt nach einem Streit mit der Stardesignerin Maria Maria (gleichzeitig Geliebte Tarquins) den Auftritt ab, und das Zimmermädchen Meli wittert seine Chance: Als Mann verkleidet schleicht sie sich ein und wird zum Star und alle verlieben sich in den schönen Unbekannten. Ganz neu sind die hier verwendeten Motive nicht, und das Libretto lebt weniger von der Handlung als von der bewusst trivialen Sprache, die oft in (englischen) Knüttelversen vor sich hin reimt. (in der neueren deutschen Literatur hatte wohl am ehesten Robert Gernhardt, man denke an seine Texte für Otto Waalkes, die Gabe zu solcher hintersinnigen Albernheit). Stardesignerin Maria Maria (Jeanne Piland) zwischen den Klatschreportern Viv (Elisabeth Selle) und Micky (Steven Harrison)Düsseldorf nimmt sich also musiktheatralisch selbst auf die Schippe? Schön wär's. Mit Lokalkolorit hat Regisseur Michael Simon überhaupt nichts am Hut. Die Kostüme (Stephan Galloway) nehmen den dräuenden Karneval vorweg schrill, abgefahren, aber ohne jeden Realitäts- oder Zeitbezug. Hier wird nichts parodiert oder karikiert, hier wird im verfremdenden Sperrholz-Bühnenbild vor sich hin geblödelt, mal mehr und mal weniger lustig. Simon hat sich längst einen Personalstil als Markenzeichen zugelegt (unbestimmt abstrakt mit Beleuchtungseffekt oder, wie hier, mit Videoprojektion). Darin zitiert er sich bereits selbst: Die Sitzbank vor weißer Projektionsfläche aus Gounods Faust (unsere Rezension) erscheint hier - diesmal in Schräglage wieder. Mit Installationskunst ist der bösen Gesellschaftskomödie, die Fashion zumindest vom Text her sein möchte, aber nicht beizukommen. Wenigstens wäre ein halbwegs realistischer Rahmen erforderlich, in dem eine Geschichte erzählt werden könnte. In seiner gezielten Albernheit weckt das Libretto Assoziationen an die britische Komikergruppe Monty Python; deren Sketche aber bauen darauf auf, dass eine vordergründig seriöse Situation von Absurditäten unterwandert und schließlich bis zum Kollaps durchsetzt wird. In dieser Inszenierung ist bereits alles zersetzt. Was bleibt, ist mäßige Unterhaltung und phasenweise Langeweile. Geradezu desaströs ist der Schluss, als wolle Simon demonstrativ auf die Schwäche des Librettos hinweisen: Wo die Handlung auf eine große finale Pointe hinausläuft, passiert nichts. Es steht an dieser Stelle aber auch nichts in Libretto und Partitur, was zu inszenieren lohnte. Die Oper hört einfach auf. Aus dem Zimmermädchen Meli ist das vermeintliche männliche Model Mel geworden (Kristen Leich, r.) - und da kommt das echte Topmodel Tarquin (Jörg Waschinski) denkbar unpassend Klangbeispiel: 1. Szene - Desk Clerk (Bruce Rankin), Day Manager (Daniel Djambazajan)(MP3-Datei)
Klangbeispiel:
2. Szene - Meli (Kristen Leich), Max (Günes Gürle)
Klangbeispiel:
3. Szene: Bow (Tony Rizzi), Scrape (Anton Skrzypiciel), später Maria Maria (Jeanne Piland)
Die Musik Giorgio Battistellis ist da stark, wo sie sich auf den schnoddrigen Text einlässt und auch das Vulgäre nicht scheut. Aber anstatt durchgehend einen schrägen Tonfall zu suchen, weicht der Komponist gerne in die Tradition der großen belcantistischen Oper mit ihren großen Gefühlen aus: Mit kantablen Gesangslinien, was auch heißt: mit viel Zeit für den Text. Dadurch nehmen die Übertitel manche sprachliche Pointe vorweg, lange bevor sie ausgesungen ist. Das betrifft vor allem die Partie der Designerin Maria Maria. Große Musikkomödien wie Verdis Falstaff oder Puccinis Gianni Schicchi funktionieren, weil der vorherrschende Parlando-Ton nur an ausgewählten Stellen (dort aber umso effektvoller) von lyrischen Phrasen durchbrochen wird. In Fashion fehlt solche Parlando-Leichtigkeit fast vollständig, und deshalb zündet der ironische Funke nicht. Oft grummelt es in den tiefen Instrumenten, darüber liegt eine dissonant verzerrte, aber immer noch erkennbare Melodie scharf genug, um modern zu sein, expressiv genug, um sich in die Tradition einzureihen. Diesem Verfahren ist an sich nichts vorzuwerfen, es hat auch in Richard III. funktioniert; aber in der Komödie wirkt es austauschbar, dem Sujet oft nicht angemessen, und auch nicht frei von Abnutzungserscheinungen. Und warum in aller Welt aber komponiert der Traditionalist Battistelli in einer Komödie nicht ein einziges Mal ein richtiges mehrstimmiges Ensemble, was sich von der Story her geradezu aufdrängen würde? "Richtige" Models gibt's auch, und die umlagern hier Designerin Maria Maria (Jeanne Piland, mitte). Links steht eine Figur namens "Jeanne Paul" (Monique Simon), die für die Handlung aber so unwichtig ist, dass sie nicht einmal in der Inhaltsangabe im Programmheft auftaucht.Überzeugend gelingt die musikalische Umsetzung. John Fiore leitet die Düsseldorfer Symphoniker umsichtig und hält gut die Balance zur Bühne, ohne den vollen Klang aufzugeben. Vielleicht könnte man die Partitur stärker kammermusikalisch akzentuieren; andererseits lässt Fiore das spielen, was man schließlich eingekauft hat: Große Oper. Kristen Leich singt das Zimmermädchen Meli mit schlanker, dennoch intensiver Stimme, die dem Rollenwechsel zum männlichen Model Mel mit hinreichend knabenhafter Färbung gut gerecht wird, und überzeugt auch durch pointierte Deklamation. Jeanne Piland gibt der Designerin Maria Maria die Züge einer alternden Diva, gleichwohl mit leuchtender Stimme. Dass lyrische Emphase mit versierter Linienführung den ironischen Charakter nicht unbedingt hervorhebt, ist dem Komponisten, nicht der Sängerin anzukreiden. Bruce Rankin und Daniel Djambazian erweisen sich als komödiantische Charakterdarsteller. Günes Gürle hat sicher schon bessere Abende gesungen als diesen mit einem etwas lustlosen Max, dem Liebhaber des Zimmermädchens. Brillant agieren Tony und Anton Skrzypiciel als Türsteher mit skurrilen Tanzeinlagen und effektvollem Sprechgesang. Hier hat die Inszenierung ihre besten Momente (wie überhaupt die Personenregie durchaus überzeugt und vom Ensemble engagiert umgesetzt wird). Jörg Waschinski singt das Starmodel Tarquin mit schöner, flexibler und kräftiger Altus-Stimme aber warum komponiert Battistelli nur eine so kleine Partie, wenn er schon einen Countertenor einfordert? Die kleine Einlage als singender Aufzug (!), die Waschiski zusätzlich bekommt, macht das auch nicht wett. Die Models der Agentur A ONE sind hübsch anzusehen. Nur gibt es auf der Bühne niemanden, der das tut Statisterie gibt es nicht. Das Showpublikum sitzt im Zuschauerraum. Und applaudiert höflich.
Am guten Düsseldorfer Ensemble liegt es nicht, dass Fashion die hohen Erwartungen an das Auftragswerk nur ansatzweise einlöst. Vielleicht kann ein anderes Regiekonzept die Komödie, die zu wenig komisch ist, retten als Klamauk in schrillen Kostümen hinterlässt die Oper nur mäßigen Eindruck. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Bühne
Kostüme
Video
Licht
Models der Agentur A ONE
Solisten
Meli / Mel
Max
Maria Maria
Desk Clerk
Jeanne Paul
Day Manager / Christian
Bow
Scrape
Micky
Viv
Tarquin / singing lift
Coco
Karl
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