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Musiktheater
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Von Mücken, Elefanten und der Macht in den Händen

Musiktheater von Bernhard Herbordt und Melanie Mohren (Text und Regie) und Hannes Galette Seidel (Komposition)


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 15' (keine Pause)

Uraufführung in der Kunst-und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn am 23. Januar 2008
in der Reihe BONNE CHANCE!
gefördert vom Fonds experimentelles Musiktheater
in Zusammenarbeit mit der Oper Bonn


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Theater Bonn
(Homepage)

Assoziationskettenspielereien

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu



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Prima la musica e poi le parole - zuerst die Musik und dann der Text? Seit der Frühzeit der Oper wird über das Verhältnis von Wort und Ton im Musiktheater diskutiert. Der „klassische“ Weg besteht immer noch darin, zu einem vorhandenen Libretto die passende Musik zu schreiben, auch wenn viele bedeutende Komponisten immer wieder in die Textgestaltung eingegriffen und ihren Librettisten konkrete Anweisungen gegeben haben – oder, wie Wagner, die Textbücher gleich selbst verfassten. Der „Fond experimentelles Musiktheater“ versucht, dieses Prinzip eines zeitlichen Nacheinander im Entstehen aufzuheben. Gefördert werden Projekte, die „im gemeinschaftlichen Entwicklungsprozess das Verhältnis von Sprache und Musik beleuchten und unter Einbeziehung von Komponenten aus Musiktheater, Schauspiel und bildender Kunst in neuen Darstellungsformen sinnlich erfahrbar machen.“ Nach monsieur arriére's makro scrabble in Hagen (unsere Rezension) und Der Sonne entgegen in Gelsenkirchen ist Von Mücken, Elefanten und der Macht in den Händen die dritte aus dem Fonds gespeiste Produktion.


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Womöglich wäre es spannender, beim Auswahlverfahren der vierköpfigen Jury (Laura Berman, Amelie Deuflhard, Dr. Paul Esterhazy und Heiner Goebbels) zuzuschauen – es sollen sich 40 interdisziplinäre Teams beworben haben - als tatsächlich die Ergebnisse zu begutachten. Welche Kriterien mögen da den Ausschlag geben, und welche Konzepte werden überhaupt eingereicht? Offenbar eher die kleine Form. Was Bernhardt Herbordt, Melanie Mohren (beide für Text und Regie verantwortlich), Hannes Galette Seidel (Musik) und Anike Sedello (Ausstattung) für das Forum der Bonner „Kunst-und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“ konzipiert haben, ist ein hübsches Divertimento von etwas mehr als einer Stunde Spieldauer, das federleicht seine eigene Daseinsberechtigung mit hingebungsvoller Selbstironie hinterfragt.


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Klangbeispiel Klangbeispiel: Katharina Zoffmann (Schauspielerin)
(MP3-Datei)


Klangbeispiel Klangbeispiel: Andreas Hilscher, Katharina Zoffmann (Schauspieler)
(MP3-Datei)


Klangbeispiel Klangbeispiel: Theo Nabicht - Kontrabassklarinette
(MP3-Datei)


Es gibt zwei Schauspieler – Katharina Zoffmann (deren natürlicher Charme die Produktion im Wesentlichen trägt) und Andreas Hilscher – ein paar Musiker (herausragend: Theo Nabicht an der Kontrabassklarinette und Florian Juncker an der Posaune) und einen „Performer“ (Arnd Kommer). Schon beim Betreten des Raumes erläutert Katharina Zoffmann von der Bühne aus, was gleich zu sehen sein wird; bestimmte Geschichtchen werden den Abend durchziehen (etwa die vom amerikanischen Senator D'Amato, der 1992 eine 15-stündige Dauerrede hielt, um eine unangenehme Abstimmung aufzuhalten) und bestimmte pantomimische Handlungen laufen auf der Bühne ab. Das sind Elemente, mit denen Pina Bausch und das Wuppertaler Tanztheater vor 30 Jahren (da war das Team dieses Abends noch nicht geboren) das bürgerliche Publikum aufgeschreckt haben. Hier wird das Verfahren intellektuell aufgepeppt, Shakespeares Sturm geistert durch den Raum, Elias Canetti und Karl Kraus werden gestreift. Es geht um Macht und Realität von Macht, um Realität und Konstruktion von Realität. Das alles ist klug, witzig und tief und fest in der Postmoderne verankert, auch im Sich-selbst-nicht-ganz-ernst-nehmen. Daher lautet der Kernsatz des Stücks: „Ich versuche zu glauben, dass das alles doch etwas bedeutet“.


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Die Musik ist oft auf Geräusche reduziert; die spartanische Besetzung wird vom (verhalten eingesetzten) Schlagzeug dominiert. Oft sind es nur einzelne Klangereignisse, oft elektronisch verstärkt. Längere Kompositionen gibt es für eine Solo-Posaune und, am Schluss, für eine unbegleitete Sopranistin (Vardeni Davidian mit klarer Stimme). Angesichts des Konzeptes wäre es aber irreführend, Musik, Text und Szene trennen zu wollen, zumal die Solo-Musiker auch szenisch agieren. Die Musik selbst (die, wie der Komponist vor der Aufführung versicherte, keinerlei Autonomie beansprucht) schafft eine Atmosphäre des genauen Hinhörens und ist deshalb plausibler Baustein des Konzepts. Wenn man aber vom Musiktheater spricht, liegt die Betonung eindeutig auf der zweiten Worthälfte.


FAZIT

Postmodern nett. Oder nett postmodern? Und nicht zu kurz.


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Produktionsteam

Dirigent
Christopher Sprenger

Inszenierung
Bernhard Herbordt
Melanie Mohren

Ausstattung
Anike Sedello

Dramaturgie
Thomas Witzmann


Schauspieler

Katharina Zoffmann
Andreas Hilscher

Performer
Arnd Kommer


Musiker

Kontrabassklarinette
Theo Nabicht

Schlagzeug
Michael Pattmann

Posaune
Andreas Roth /
Florian Juncker (23.1.)

Live-Elektronik
Sébastian Roux

Sopran
Vardeni Davidian


Mitglieder des
Beethoven Orchester Bonn




Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Bonn
(Homepage)



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