Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



L'Italiana in Algeri

Dramma giocoso in zwei Akten
Text von Angelo Anelli nach seinem Libretto für Luigi Mosca
Musik von Gioacchino Rossini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 2. März 2008


Homepage

Theater Bonn
(Homepage)

Wie gefährlich sind Muslime wirklich?

Von Thomas Tillmann / Fotos von Thilo Beu


Jede Stammtischrunde weiß, dass Muslime gefährlich sind, vor allem wenn sie mitten unter aufrechten Christinnen und Christen mit ehrwürdigen Bürojobs und doch abgeschottet von dieser Umwelt in ihren eigenen Kulturzentren und Cafés Tee trinken und Shisha rauchen, Frauen unterdrücken - und deutsche Buchhalter entführen. Letzteres jedenfalls haben sie unter Führung des gleichermaßen mächtigen wie einfältigen Macho Mustafa und seinem Handlager Haly in Andrea Schwalbachs Neuinszenierung von Rossinis Italiana in Algeri getan, wie wir aus der aufs Programmheft gedruckten Vermisstenanzeige erfahren, die Isabella während der Klänge der Ouvertüre dann in Plakatform auch auf dem gemauerten Bunker anbringt und in den zweifelhaften Palast der Andersgläubigen einschmuggelt, die ihren Geliebten Lindoro geraubt haben.


Vergrößerung in neuem Fenster Isabella (Susanne Blattert) hängt in ihrer Verzweiflung überall PIakate ihres vermissten Verlobten auf.

Man muss beide Augen zudrücken angesichts dieser hanebüchenen, zu den Handlungsmustern der typischen Türkenopern gehörenden, aber eben doch keine wirkliche Entsprechung in unseren Tagen kennenden Konstruktion (das war zur Entstehungszeit der Oper tatsächlich noch anders!), man muss unempfindlich sein gegenüber (wenn auch durchaus augenzwinkernd auf die Bühne gebrachten) Vorurteilen und Stereotypen, man muss schließlich auch einen Sinn haben für prall-komische Unterhaltung, die die Grenze zur Klamotte mitunter durchaus streift, dann kann man an dieser Rossini-Inszenierung seinen Spaß haben und sich köstlich amüsieren. Klischeevorstellungen, die Abendland und Morgenland sich mit dem Blick aus der "Ferne" voneinander gebildet haben, weist das Libretto von Angelo Anelli natürlich zur Genüge auf, das musste die Regisseurin nicht erfinden, sondern darauf konnte sie mit ihrem Team problemlos zurückgreifen und mit gutem Händchen für Personenregie, Timing und Satire in zeitgemäße Bilder umsetzen. Und auch die emanzipatorischen Töne, die diese Produktion anschlägt, kommen ohne dogmatische Schwere und allzu politischen Anspruch daher.


Vergrößerung in neuem Fenster

Das Objekt konkurrierender Begierden: der von Muslimen gefangene Lindoro (Jonas Gudmundsson).

Großen Anteil am Erfolg hatte dabei zweifellos das mit viel Liebe gestaltete "Kulturzentrum", in dem Mustafa und seine Machofreunde herumlungern, vor der Tapete mit übergroßem Bild der südlichen Heimat seufzen und sich von verschleierten Damen hinter der schäbigen Fischtheke (mit abgeplatzten Kacheln und einem großen Kühlschrank daneben, mit dessen Hilfe sich die von Stephan von Wedel zunächst in unauffälliges Grau gewandete und bebrillte "L'Italiana" bei ihrem Striptease später aufreizend abkühlt) mit Tee versorgen lassen und von den Fremden "aufgemischt" werden. Das Publikum freute sich auch über die "Emma"-Ausgaben, die Zulma an den Innenseiten ihres Trenchcoats befestigt hatte, über das Ballett der Wischmopps, über das riesige Plüschkamel, die lustig flatternden Schmetterlinge und den fliegenden Teppich; das die erwähnte Fototapete zerreißende Bötchen, mit dem Isabella und Taddeo einfallen (auch hier darf man nicht lange nachdenken!), provozierte sogar Szenenapplaus, der Wirbelsturm, der nur die immer wieder in völliger Ruhe ihrer Tätigkeit nachgehenden Postbotin nichts anhaben konnte, und Halys Bauchtanzeinlage spontanes Gelächter, was auch in komischen Opern ja nicht selbstverständlich ist.


Vergrößerung in neuem Fenster

Mustafa (Martin Tzonev) ist die Unterwürfigkeit seiner Frau Elvira (Anna Virovlansky) gründlich leid.

Bei aller szenischen Geschäftigkeit kommt die musikalische Seite keineswegs zu kurz: Star des insgesamt sehr engagierten, kompetenten Ensembles ist natürlich Susanne Blattert, die man seit vielen Jahren als Expertin für Rossinis Koloraturmezzopartien aus Gelsenkirchen, Essen und Bonn kennt und schätzt und die bei entsprechenden Ambitionen sicher auch eine noch größere Karriere hätte machen können. Sicher, riesig ist ihr Mezzosopran nicht, aber auch in der tiefen Lage sehr präsent und klangschön, insgesamt sehr ebenmäßig und auch bei hohen Tönen niemals spitz oder scharf, dazu ungemein flexibel und technisch souverän bei all den Fiorituren und Rouladen, ohne dass diese Virtuosität unangenehm zur Schau gestellt würde. Das würde auch nicht passen zu dieser sehr natürlich agierenden, ungeheuer sympathischen und witzigen Darstellerin, deren Charme man sich einfach nicht entziehen kann.


Vergrößerung in neuem Fenster

Isabella (Susanne Blattert) kann sich der Annäherungsversuche Mustafas (Martin Tzonev) kaum erwehren.

Mit Jonas Gudmundsson hatte man für den Lindoro erfreulicherweise keine Verlegenheitsbesetzung wie in Köln zur Verfügung, sondern einen jungen lyrischen Tenor mit sehr schlanker, vielleicht nicht besonders "italienisch" timbrierter, aber sehr agiler, höhenstarker Stimme, bei dem man um die Ausführung der vertrackten Verzierungen und Spitzentöne keine Angst haben musste und der zudem das Regiekonzept herrlich trocken und mit großem komischen Talent umsetzen konnte. Auch Martin Tzonev bemühte sich als Mustafa sehr um vokale Sorgfalt und entwickelte mehr Stil als mancher Kollege, blieb mir aber insgesamt zu zurückhaltend und blaß - der eine oder andere kräftige Forteton steht dieser Machopartie hervorragend, ohne dass man deswegen den Notentext verraten oder permanent poltern muss. Und so fragte man sich, ob nicht vielleicht Algis Lunskis, der einen sehr präsenten, aber nie aufdringlichen Haly gab, vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre, seine reife, aber vollkommen intakte Stimme hatte zumindest an diesem Abend mehr Volumen, Klang und Persönlichkeit als die des Kollegen. Anna Virovlanksy krönte nicht nur die Ensembles mit durchdringenden, angenehm frischen Soprantönen, Anjara I. Bartz entwickelte als sich emanzipierende Zulma eher darstellerische als vokale Qualitäten, während Haris Andrianos ein gleichermaßen eleganter wie trotteliger Taddeo war, der aufgrund seiner Optik und seines Alters anders als in anderen Produktionen durchaus eine Konkurrenz zu Lindoro hätte sein können und auch stimmlich punkten konnte. Großen Schwung, Präzision, Transparenz und Musizierfreude kennzeichnete das Spiel des Beethoven Orchesters, dem Wolfgang Lischke vorstand, dem es in den kommenden Vorstellungen sicher gelingen wird, dem Bühnenpersonal noch mehr Sicherheit zu geben.


FAZIT

Furchtbar originell ist es nicht, ein paar Monate nach der Oper Köln Rossinis Italiana ins Spielplanrennen zu schicken, zumal es auch noch funktionierende Produktionen in Düsseldorf/Duisburg und Essen gibt. Ein unterhaltsamer, auch musikalisch weitgehend überzeugender Abend ist der Bonner Abend aber allemal.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Wolfgang Lischke

Inszenierung
Andrea Schwalbach

Bühne
Anne Neuser

Kostüme
Stephan von Wedel

Licht
Max Karbe

Chorleitung
Sibylle Wagner

Choreografie
Bärbel Stenzenberger


Statisterie des Theater Bonn

Herrenchor des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten



Mustafa
Martin Tzonev

Elvira
Anna Virovlansky

Zulma
Anjara I. Bartz

Haly
Algis Lunskis

Lindoro
Jonas Gudmundsson

Isabella
Susanne Blattert

Taddeo
Haris Andrianos



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Bonn
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2008 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -