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Moshammeroper
Von Bruno Nelissen (Musik)
und Ralph Hammerthaler (Libretto)

Auftragswerk der Neuköllner Oper an den
Gewinner des Berliner Opernpreises 2006


Aufführungsdauer: ca. 1,5 Std. (ohne Pause)

Uraufführung am 23. August 2007
in der Neuköllner Oper, Berlin

Rezensierte Aufführung: 31. August 2007


Homepage

Neuköllner Oper
(Homepage)
Die Atonalitäten eines Lebens

Von Annika Senger / Fotos von Matthias Heyde


Er inszenierte sich selbst als Kunstfigur - schrill, schillernd, exzentrisch, so ist der Münchner Modemacher Rudolph Moshammer der Öffentlichkeit nach seiner Ermordung am 14. Januar 2005 im Gedächtnis geblieben. Eine Tunte, die zeitlebens Angst vor Misserfolg hat, sich für ihre Homosexualität schämt und schließlich von einem Stricher erdrosselt wird - was liegt da näher, als solch ein Leben in Form einer Oper nachzuzeichnen? Zu dieser Erkenntnis kamen der niederländische Komponist Bruno Nelissen und der Librettist Ralph Hammerthaler - und gewannen dafür den Berliner Opernpreis 2006.


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Ein Kreis schließt sich:
Ludwig entsteigt seinem Himmelbett
und wird auch in ihm ermordet.
Hubert Wild

Sie stellen "Mosis" Leben in den letzten Zügen dar, nicht als dokumentarische Aufarbeitung der realen Ereignisse, sondern als fiktive Anlehnung an die Biographie des Modezars. Die Hauptfigur Ludwig ist nach dem bayerischen "Märchenkönig" Ludwig II. benannt, mit dem sich Moshammer häufig verglichen hat. Verfremdung und Künstlichkeit sind die Kernelemente dieses düsteren Musikdramas: Die überzeichneten Charaktere verweisen nur in Andeutungen auf die reale Grundlage der Geschichte - ohne jegliche Chronologie.

Der untalentierte Herrenschneider Ludwig trägt eine wallende braune Langhaarperücke, um zu demonstrieren, dass die Oper zwar Parallelen zu Moshammer aufwerfen soll, die Figur allerdings wie die öffentliche Erscheinung des Modedesigners ein Kunstprodukt ist. Ansonsten hätte man Ludwig genauso gut in originaler "Mosi"-Manier mit schwarzer Turbanfrisur und Bärtchen auftreten lassen können.


Vergrößerung in neuem Fenster Klette und Von Klunker verhöhnen
den Herrenschneider am laufenden Band.
Leigh Adoff und Friederike Harmsen

Das Stück lebt von Symbolen: In einem giftgrünen Samtanzug entsteigt Ludwig beispielsweise zu Anfang einem Himmelbett, das gleichzeitig Assoziationen mit einem Käfig erweckt. Vereinsamt, ständig in Sorge, dass sein Ruhm verblasst und der Tod ihn heimsucht, ist Ludwig gefangen in sich selbst und den Mühlen von Zwängen ausgesetzt. Allegorisch verkörpern der Engel und der Bengel verschiedene Personen mit - vereinfacht zusammengefasst - ein und denselben Charaktereigenschaften. Der Engel tritt in der ersten Szene als Wahrsagerin auf, die in Ludwigs Hand nur Dunkelheit liest, später als Mutter und als Alkoholwrack. Ludwigs Vater, sein Mörder und ein unzufriedener Kunde vereinen sich dagegen im Bengel.

Der psychisch gemarterte Modemacher betet den Märchenkönig an, während sich sein Vater im Suff erschießt, seine Mutter daran verzweifelt, Klatschpresse und High Society ihn verhöhnen und Kunden seine Schneiderkünste bemängeln. Auch Daisy (hier ein Stoffhund namens Lazy) ist nicht mehr klein und niedlich wie Moshammers Yorkshire Terrier, sondern ein laut Ludwig nach Tod stinkendes, zerrupftes Vieh.


Vergrößerung in neuem Fenster

Der Alkoholmissbrauch des Vaters schweißt
Ludwig und seine Mutter zusammen.
Regine Gebhardt und Hubert Wild

Ob Moshammer diese geballte Ladung an Negativität gefallen hätte? Gründe, dies zu bezweifeln, bietet die Oper genügend: Die Komposition besteht von Anfang bis Ende aus gequälten Dissonanzen auf Basis von Anton Schönbergs Zwölftonmusik. Anstelle von Arien kommen atonale Rezitative zum Einsatz. Das Kammerorchester aus Streichern und Trompete entlockt den Instrumenten symbolische Schmerztöne einer gebeutelten Seele. Zitiert wird kurz ein bayerischer Schunkelwalzer oder Richard Wagners "Walkürenritt", um gleich darauf in ein kreischendes "Wuff, Wuff" aus den Mündern der Klatschkolumnistin Klette und der High Society-Dame Von Klunker zu münden.

Auf der Bühne (hauptsächlich ein roter Teppich, der sich quer durch den Zuschauerraum schlängelt) herrscht buntes Durcheinander: Im Flirren einer Lichtorgel rezitieren die Akteure oft gleichzeitig, so dass es schwer fällt, der ohnehin zusammenhanglos wirkenden Handlung zu folgen. Einige Zuschauer reagieren so verstört, dass sie nach etwa der Hälfte des Stückes den Saal verlassen.


Vergrößerung in neuem Fenster Eine gebrochene Existenz:
Im Spiegel erblickt Ludwig nur den Tod.
Hubert Wild

Nichtsdestotrotz tun die Darsteller ihr bestes, die musikalische Vorlage mit Lebens zu füllen: Bariton Hubert Wild als Ludwig artikuliert nicht nur wunderbar klar, sondern erweist sich auch als lobenswerter Schauspieler. Ludwigs tänzelnd tuntige Gesten wirken authentisch; seine Gebrochenheit spiegelt sich ebenso in der Körpersprache wieder. Die Sopranistinnen Friederike Harmsen (Von Klunker) und Leigh Adoff (Klette) stechen hervor mit schrillen Rezitativ-Passagen, die ihren Rollen entsprechen, und unterstreichen ihren Spottgesang mit höhnischer Mimik. Schade, dass der Bengel (Markus Vollberg) auf der schauspielerischen Ebene im Vergleich zum Rest des Ensembles etwas schwach besetzt erscheint. Schließlich handelt es sich beim Vater und beim Mörder um die wichtigsten Lenker in Ludwigs zum Tode hin gesteuerten Leben.

Warum Nelissen und Hammerthaler die Zerstörung der Hauptfigur über knapp 90 Minuten ausdehnen, bleibt am Ende allerdings fraglich. Im Anbetracht der Länge der Oper wäre es durchaus möglich gewesen, mehr Aspekte aus Moshammers Leben in Szene zu setzen. Mit derartig viel Atonalität am Stück bombardiert zu werden, kann dann doch die Nerven eines jeden Musikliebhabers strapazieren…


FAZIT

Eine Oper, die krampfhaft modern sein will und Handlungsfetzen wild aneinanderreiht. Sie wird damit automatisch zum bizarren Kunstobjekt - genau wie ihr Sujet Rudolph Moshammer.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Frank Zacher/Roland Vieweg

Inszenierung
Robert Lehmeier

Bühne
Markus Meyer

Kostüme
Amanda Freyer/Elena Zielinski




Solisten

Ludwig
Herrenschneider
Hubert Wild

Von Klunker
Präsidentin einer Tischgesellschaft
Friederike Harmsen

Klette
Klatschkolumnistin
Leigh Adoff

Engel, Spielfigur
(Wahrsagerin, Mutter, Schluckerin):
Regine Gebhardt

Bengel, Spielfigur
(Fußgänger, Vater, Kunde, Mörder):
Markus Vollberg

Orchester

Violine 1
Chatschatur Kanajan

Violine 2
Wolf Bender

Bratsche
Chang-Yun Yoo

Cello
Uwe Christian Müller

Trompete
Ulf Marcus Behrens



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Neuköllner Oper
(Homepage)



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