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Die Atonalitäten eines Lebens
Von Annika Senger / Fotos von Matthias Heyde Er inszenierte sich selbst als Kunstfigur - schrill, schillernd, exzentrisch, so ist der Münchner Modemacher Rudolph Moshammer der Öffentlichkeit nach seiner Ermordung am 14. Januar 2005 im Gedächtnis geblieben. Eine Tunte, die zeitlebens Angst vor Misserfolg hat, sich für ihre Homosexualität schämt und schließlich von einem Stricher erdrosselt wird - was liegt da näher, als solch ein Leben in Form einer Oper nachzuzeichnen? Zu dieser Erkenntnis kamen der niederländische Komponist Bruno Nelissen und der Librettist Ralph Hammerthaler - und gewannen dafür den Berliner Opernpreis 2006.
Ein Kreis schließt sich:
Sie stellen "Mosis" Leben in den letzten Zügen dar, nicht als dokumentarische Aufarbeitung der realen Ereignisse, sondern als fiktive Anlehnung an die Biographie des Modezars. Die Hauptfigur Ludwig ist nach dem bayerischen "Märchenkönig" Ludwig II. benannt, mit dem sich Moshammer häufig verglichen hat. Verfremdung und Künstlichkeit sind die Kernelemente dieses düsteren Musikdramas: Die überzeichneten Charaktere verweisen nur in Andeutungen auf die reale Grundlage der Geschichte - ohne jegliche Chronologie. Der untalentierte Herrenschneider Ludwig trägt eine wallende braune Langhaarperücke, um zu demonstrieren, dass die Oper zwar Parallelen zu Moshammer aufwerfen soll, die Figur allerdings wie die öffentliche Erscheinung des Modedesigners ein Kunstprodukt ist. Ansonsten hätte man Ludwig genauso gut in originaler "Mosi"-Manier mit schwarzer Turbanfrisur und Bärtchen auftreten lassen können. Klette und Von Klunker verhöhnen den Herrenschneider am laufenden Band. Leigh Adoff und Friederike Harmsen
Das Stück lebt von Symbolen: In einem giftgrünen Samtanzug entsteigt Ludwig beispielsweise zu Anfang einem Himmelbett, das gleichzeitig Assoziationen mit einem Käfig erweckt. Vereinsamt, ständig in Sorge, dass sein Ruhm verblasst und der Tod ihn heimsucht, ist Ludwig gefangen in sich selbst und den Mühlen von Zwängen ausgesetzt. Allegorisch verkörpern der Engel und der Bengel verschiedene Personen mit - vereinfacht zusammengefasst - ein und denselben Charaktereigenschaften. Der Engel tritt in der ersten Szene als Wahrsagerin auf, die in Ludwigs Hand nur Dunkelheit liest, später als Mutter und als Alkoholwrack. Ludwigs Vater, sein Mörder und ein unzufriedener Kunde vereinen sich dagegen im Bengel. Der psychisch gemarterte Modemacher betet den Märchenkönig an, während sich sein Vater im Suff erschießt, seine Mutter daran verzweifelt, Klatschpresse und High Society ihn verhöhnen und Kunden seine Schneiderkünste bemängeln. Auch Daisy (hier ein Stoffhund namens Lazy) ist nicht mehr klein und niedlich wie Moshammers Yorkshire Terrier, sondern ein laut Ludwig nach Tod stinkendes, zerrupftes Vieh.
Der Alkoholmissbrauch des Vaters schweißt
Ob Moshammer diese geballte Ladung an Negativität gefallen hätte? Gründe, dies zu bezweifeln, bietet die Oper genügend: Die Komposition besteht von Anfang bis Ende aus gequälten Dissonanzen auf Basis von Anton Schönbergs Zwölftonmusik. Anstelle von Arien kommen atonale Rezitative zum Einsatz. Das Kammerorchester aus Streichern und Trompete entlockt den Instrumenten symbolische Schmerztöne einer gebeutelten Seele. Zitiert wird kurz ein bayerischer Schunkelwalzer oder Richard Wagners "Walkürenritt", um gleich darauf in ein kreischendes "Wuff, Wuff" aus den Mündern der Klatschkolumnistin Klette und der High Society-Dame Von Klunker zu münden. Auf der Bühne (hauptsächlich ein roter Teppich, der sich quer durch den Zuschauerraum schlängelt) herrscht buntes Durcheinander: Im Flirren einer Lichtorgel rezitieren die Akteure oft gleichzeitig, so dass es schwer fällt, der ohnehin zusammenhanglos wirkenden Handlung zu folgen. Einige Zuschauer reagieren so verstört, dass sie nach etwa der Hälfte des Stückes den Saal verlassen. Eine gebrochene Existenz: Im Spiegel erblickt Ludwig nur den Tod. Hubert Wild
Nichtsdestotrotz tun die Darsteller ihr bestes, die musikalische Vorlage mit Lebens zu füllen: Bariton Hubert Wild als Ludwig artikuliert nicht nur wunderbar klar, sondern erweist sich auch als lobenswerter Schauspieler. Ludwigs tänzelnd tuntige Gesten wirken authentisch; seine Gebrochenheit spiegelt sich ebenso in der Körpersprache wieder. Die Sopranistinnen Friederike Harmsen (Von Klunker) und Leigh Adoff (Klette) stechen hervor mit schrillen Rezitativ-Passagen, die ihren Rollen entsprechen, und unterstreichen ihren Spottgesang mit höhnischer Mimik. Schade, dass der Bengel (Markus Vollberg) auf der schauspielerischen Ebene im Vergleich zum Rest des Ensembles etwas schwach besetzt erscheint. Schließlich handelt es sich beim Vater und beim Mörder um die wichtigsten Lenker in Ludwigs zum Tode hin gesteuerten Leben. Warum Nelissen und Hammerthaler die Zerstörung der Hauptfigur über knapp 90 Minuten ausdehnen, bleibt am Ende allerdings fraglich. Im Anbetracht der Länge der Oper wäre es durchaus möglich gewesen, mehr Aspekte aus Moshammers Leben in Szene zu setzen. Mit derartig viel Atonalität am Stück bombardiert zu werden, kann dann doch die Nerven eines jeden Musikliebhabers strapazieren
Eine Oper, die krampfhaft modern sein will und Handlungsfetzen wild aneinanderreiht. Sie wird damit automatisch zum bizarren Kunstobjekt - genau wie ihr Sujet Rudolph Moshammer. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Solisten
Ludwig
Von Klunker
Klette
Engel, Spielfigur
Bengel, Spielfigur Orchester
Violine 1
Violine 2
Bratsche
Cello
Trompete
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