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Puccinis Nachfolger
Von Rainhard Wiesinger /
Bei ihrer fiktiven Reise durch das Inferno machen Dante und Vergil in der Divina comedia auch die Bekanntschaft mit den Ehebrechern Paolo und Francesca, die zur Strafe auf ewig in einem Wirbelsturm umher getrieben werden. Die beiden Verdammten befinden sich dort in Gesellschaft namhafter Leidensgenossen wie Semiramis, Kleopatra, Helena, Achilles, Paris und Tristan, denen alle ihr (zügelloses) Liebesleben zum Verhängnis geworden ist. Die Umstände von Paolo und Francescas Verbindung sollten - so wie sie in der Oper dargestellt werden - zumindest für mildernde Umstände genügen: Der hässliche Giovanni möchte Francesca heiraten, fürchtet allerdings, abgewiesen zu werden. Um erst gar nicht in diese Verlegenheit zu kommen, schickt er als Brautwerber seinen attraktiven Bruder Paolo. Francesca fällt auf den Betrug herein und verliebt sich in Paolo, den sie für ihren zukünftigen Gemahl hält. Als Giovanni von dem Verhältnis der beiden erfährt, ertappt er sie durch eine List und tötet sie im Affekt. Francesca (Emily Magee)Dantes Schilderung hat vor allem im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ganze Heerscharen von Künstlern zur eigenen Auseinandersetzung mit Francesca da Rimini angeregt, darunter die Komponisten Hermann Goetz, Peter Tschaikowski und Sergej Rachmaninow, die Maler Jean-Auguste Dominique Ingres und Anselm Feuerbach sowie die Schriftsteller John Keats, Paul Heyse und eben auch Italiens exzentrischen Literaten des Fin-de-siècle, Gabriele d'Annunzio. In einer äußerst fruchtbaren und ebenso erfolgreichen Periode seines Schaffens brachte D'Annunzio im Sommer 1901 die fünfaktige Tragödie in Versen Francesca da Rimini zu Papier, die im Dezember desselben Jahres mit Eleonora Duse, seiner Muse und Geliebten, in der Titelrolle am Teatro Costanzi in Rom uraufgeführt wurde. D'Annunzio verwendete nicht nur Dantes Vorlage, sondern bediente sich auch bei Boccaccios Kommentar zur Göttlichen Komödie und übernahm daraus die Geschichte des bereits geschilderten Heiratsbetrugs. D'Annunzio bezeichnete sein ausuferndes, mit Archaismen und Metaphern durchsetztes Versdrama als ein Poem aus Blut und Wolllust, wobei er die Geschichte Francescas in eine grausam-brutale und durchaus präfaschistische Männerwelt eingebettet hat. Seine Begeisterung für diesen Stoff teilte D'Annunzio mit dem 1883 in Norditalien geborenen Zandonai, der bereits als Teenager, den fünften Gesang aus Dantes Inferno für Tenor und Klavier vertont hatte. Zandonai begann ein Musikstudium in Rovereto, und setzte es später in Pesaro bei Pietro Mascagni fort. Entsprechend groß waren die Hoffnungen, ihn als legitimen Nachfolger Giacomo Puccinis aufbauen zu können. Giovanni (Juan Pons) Das Libretto von Francesca da Rimini erstellte der Verleger Tito Ricordi. Er stand vor der nicht einfachen Aufgabe, D'Annunzios Schauspiel auf librettogerechtes Format zu stutzen. Der Schriftsteller hatte für die Probleme der Textbucherstellung durchaus Verständnis und ersetzte beispielsweise die schwer realisierbare Szene, in der Paolo Francesca von seiner Begegnung mit Dante und anderen Künstlern in Florenz berichtet. Die Uraufführung der Francesca am 19. Februar 1914 am Teatro Regio in Turin geriet zum Triumph. In der Folgezeit verdrängte die Oper auch D'Annunzios Tragödie und verschwand zumindest in Italien nie ganz von den Spielplänen. Der Schriftsteller hat Zandonais Oper allerdings nie auf der Bühne gesehen. Warum Zandonais eklektisches aus Stilelementen Verdis, Wagners, des Verismo sowie des französischen Impressionismus bestehendes Werk heute außerhalb Italiens nur mehr ein Schattendasein führt, dürfte primär wohl mit den schwer zu erfüllenden Anforderungen an das Sängerensemble zu erklären sein. Die Züricher Oper hat das Glück, für die Titelrolle die optisch und stimmlich attraktive Emily Magee engagiert zu haben. Die im ersten Bild noch unschön wirkende Höhe gewann rasch an Klangqualität und Stahlkraft, sodass man hier von einem wirklich gelungenen Rollendebüt sprechen kann. Dramaturgisch ist die Titelrolle die mit Abstand umfangreichste Partie, sie ist als einzige auch in jedem Bild auf der Bühne präsent. Als Paolo hörte man einen wie immer höhensicheren Marcello Giordani, dessen Mittellage und Tiefe belegt und heiser klang. Man muss dem sizilianischen Tenor jedenfalls zugestehen, die zum Forcieren einladende Rolle mit Bemühen um eine beinahe belcanteske Linie gesungen zu haben. Juan Pons verfügt nach fast drei Jahrzehnten Karriere nur mehr über einen trockenen und brüchigen Bariton, der für die eher kurze Charakterpartie des Giovanni noch durchaus rollen deckend ist. Wie viel man aus der kleinen, hoch liegenden Partie des Malatestino herausholen kann, bewies der lautstark bejubelte Boiko Zvetanov. Giancarlo del Monaco folgt mit seiner Inszenierung dem Modetrend, die Handlung in die Entstehungszeit zu verlegen. Den optischen Rahmen bildet dafür - wenig überraschend - D'Annunzios opulente Villa Vittoriale. In diesem mystischen Ambiente entwickelt sich die Geschichte mit einer durchaus bemerkenswerten Personenführung, die vor allem aus dem meist statischen Juan Pons einen eindrucksvollen Singschauspieler machte. Für Spannung und eine sehr detailreiche Auslegung der Partitur sorgte Nello Santi.
Eine gelungene Premiere, die mehr Publikumsinteresse verdient hätte. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreinstudierung
Solisten
Francesca
Samaritana
Ostasio
Giovanni der Hinkende
Paolo der Schöne
Malatestino
Biancofiore
Garsenda
Altichiara
Adonella
Die Sklavin Smaragdi
Spielmann
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