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Musiktheater
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Doktor Faust
Dichtung für Musik in zwei Vorspielen,
einem Zwischenspiel, und drei Hauptbildern
von Ferruccio Busoni

Aufführungsdauer: ca. 3 h (1 Pause)

Premiere am 24. September 2006
Besuchte Vorstellung: 27. September 2006


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Opernhaus Zürich
(Homepage)

Von Rainhard Wiesinger

Ferruccio Busoni gelangte erst über mehrere Umwege zu "Faust" als Ausgangspunkt für ein neues Werk: Vorübergehend zog er auch andere Größen der Literaturgeschichte wie Don Juan oder Merlin in Betracht, ebenso hatte ihn kurzfristig auch Leonardo da Vinci als Opernfigur interessiert. Dennoch kam Busoni von "Faust" nicht wirklich los. Wie es im Prolog des Dichters in "Doktor Faust" heißt, handelt es sich hier um ein Stück, das Busoni "von Kind auf hingerissen" hat. Natürlich war der Faust-Stoff auch für ihn untrennbar mit Goethe verbunden. So machte es Busoni die "Ehrfurcht vor der übermächtigen Aufgabe" schwer, sich an eine Vertonung von Goethes Tragödie zu wagen. Erste, noch auf dem Schauspiel basierende Skizzen entstanden schon 1910, die entscheidende Idee für das Libretto, die ihn aus dem Schatten Goethes führen sollte, kam Busoni aber erst, als er sich noch einmal intensiv den Quellen zuwandte, die Goethe verwendet hatte, nämlich das Volksbuch und vor allem das Puppenspiel in einer Ausgabe von Karl Simrock. Sie sollten nun als Basis für Busonis Libretto dienen.

Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und unmittelbar vor einer Amerikatournee schrieb Busoni in nur sechs Tagen die erste Fassung seines Textbuchs "wie in einem Fieber" nieder. Nach Ende der Tournee kehrte der Komponist nicht mehr nach Berlin zurück, sondern begab sich direkt nach Zürich, wo er sich bis September 1920 niederließ und weiter an seinem "Doktor Faust" arbeitete.

Um sich gegenüber Goethe abzugrenzen und beim Zuschauer keine falschen Erwartungen zu wecken, verzichtet Busoni zu Beginn auf den großen Studienmonolog, dennoch ist die Ausgangssituation derjenigen bei Goethe nicht unähnlich: Faust, ein vereinsamter, am Leben verzweifelter Wissenschaftler, dem die höchste Erkenntnis bisher versagt blieb, erhält von drei geheimnisvollen Studenten aus Krakau ein magisches Buch zur Geisterbeschwörung; Mephistopheles erscheint, Faust geht mit diesem einen Pakt ein und begibt sich mit ihm auf eine (Traum-)Reise.

Die erste Station ist eine romanische Kapelle, in der Faust und Mephistopheles auf einen ins Gebet vertieften Soldaten stoßen. Er ist Bruder eines Mädchens, der Rache für den Tod seiner Schwester schwört. Die Gretchen-Tragödie ist nicht in Busonis Oper eingeflossen, sondern liegt hier bereits namenlos in der Vergangenheit. Es kommt zu einem Mord: Mephistopheles lässt den Soldaten auf Fausts Geheiß töten; sonst wäre dieser dessen Rachedurst zum Opfer gefallen.

Danach begeben sich Faust und Mephistopheles nach Italien, genauer gesagt an den Hof des Herzogs von Parma. Hier initiiert Busoni ein sowohl von Goethe als auch vom Puppenspiel losgelöstes Drama. Während der Hochzeit des Herzogs und der Herzogin, beschließt Faust, diese zu erobern. Mit ein paar Zaubertricks - er lässt die alttestamentarischen Liebespaare König Salomon und die Königin von Saba, Samson und Dalila sowie Salome und Johannes erscheinen - zieht Faust den Hof mitsamt der Herzogin in seinen Bann. Die Herzogin folgt ihm; sie wird später in Fausts Abwesenheit ein Kind von ihm gebären.

In einer Schenke, zurück in Wittenberg, diskutiert Faust mit Studenten. Die Frage nach den Frauen, die er gekannt hat, löst in Faust die Erinnerung an die Herzogin aus. Auf dieses Stichwort erscheint Mephistopheles mit der Nachricht, die Herzogin sei gestorben - und wirft Faust deren totes neugeborenes Kind vor die Füße. Mephistopheles verwandelt die Leiche in eine Strohpuppe, der das Bild Helenas entsteigt, als sie Mephisto in Brand setzt. Faust wünscht die vollkommene Schönheit zu berühren, diese entzieht sich ihm allerdings. In diesem Moment wird Faust die Sinnlosigkeit seines bisherigen Strebens und sein Versagen klar, da der Mensch dem Vollkommenen nicht gewachsen ist. Als die drei Studenten aus Krakau von Faust das magische Buch zurückfordern ist er sich bewusst, dass seine Zeit abgelaufen ist.

Im letzten Bild spricht er eine vor der Kirche kauernde Bettlerin an. Sie offenbart sich als die Herzogin, die ihm noch einmal sein totes Kind übergibt. Diesmal nimmt Faust das Kind an und überträgt ihm in einer magischen Handlung sein Leben. Faust stirbt, das Kind, nun in einen jungen Mann verwandelt, lebt weiter.

Busoni konnte die Oper, die er als sein "Haupt- und Staatswerk" sah, nicht vollenden. Die fehlenden Stellen der Partitur, die Erscheinung Helenas und der Schlussmonolog Fausts, hat sein Schüler Philipp Jarnach ergänzt: In dieser Form gelangte das Werk 1925 in Dresden auch zur Uraufführung. In den achtziger Jahren stieß der Dirigent Anthony Beaumont auf bisher unberücksichtigte Skizzen Busonis und legte daraufhin eine neue Bearbeitung der Partitur vor, die 1985 in Bologna erstmals gespielt wurde: In Zürich griff man nun allerdings wieder auf Philipp Jarnachs Fassung zurück.

Klaus Michael Grüber entschied sich für eine narrative Herangehensweise an das Werk. Als Bühnenbild dient dazu ein modernes, mit hunderten von Reagenzgläsern bestücktes Labor.

Mit Thomas Hampson steht der Produktion ein Titelrolleninterpret zur Verfügung, der sich mit dem Intellektuellen und Zweifelnden zu identifizieren scheint, wie mit kaum einer anderen seiner Bühnenfiguren. Stimmlich muss man erwartungsgemäß Abstriche akzeptieren, die Stimme hat in allen Lagen durch Partien wie Amfortas, Simon Boccanegra und Renato unwiderleglich an Qualität verloren. Der Höhepunkt gelingt ihm mit dem Schlussmonolog, in den er primär seine Erfahrung als Liedsänger einzubringen vermag.

Positiv überraschte Gregory Kunde als Mephistopheles: Sein greller, im Belcantofach oft nur mehr schwer zu verkraftender Tenor eignet sich für die hohe Tessitura dieser Charakterrolle ganz vorzüglich, hier scheint sich offenbar ein ähnlicher Fachwechsel wie bei seinem Kollegen Chris Merritt anzubahnen.
Sandra Trattnigg bewährt sich trotz der nicht ganz gefestigten Höhe durchaus als Herzogin von Parma.

Philippe Jordan erarbeitete mit dem Orchester des Opernhauses eine Interpretation, die eine ideale Balance zwischen dramatischer Steigerung und instrumentaler Detailarbeit bereithält.


FAZIT

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philippe Jordan

Inszenierung
Klaus Michael Grüber

Bühnenbild
Eduardo Arroyo



Chor und Orchester des
Opernhauses Zürich


Solisten

Doktor Faust
Thomas Hampson

Wagner/Zeremonienmeister
Günther Groissböck

Mephistopheles
Gregory Kunde

Herzog von Parma / Soldat
Reinaldo Macias

Herzogin von Parma
Sandra Trattnigg

Leutnant/Student von Wittenberg
Martin Zysset

Student in Wittenberg/Student aus Krakau
Matthew Leigh

Student aus Krakau
Thilo Dahlmann

Gravis/Theologe
Giuseppe Scorsin

Levis/Jurist
Günther Groissböck

Asmodos / Naturgelehrter
Gabriel Bermudez



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Zürich
(Homepage)



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