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Im flotten Sound der 20er-Jahre
Tolle Idee: Wenn sich der Vorhang über dem Husaren, zunächst in sibirischer Gefangenschaft und deshalb ohne Viktoria, hebt, liegt dichter Nebel über der Bühne, und der wird kräftig in den Zuschauerraum geblasen, bis man seinen Nebenmann kaum noch erkennen kann und der Dialog im kollektiven Husten des Publikums untergeht. Warum sollte man auch angesichts eines Straflagers mit angekündigter Hinrichtung fröhlich sein? In Wuppertal bringt Regisseur Johannes Weigand es fertig, dem Publikum etwaige Operettenfröhlichkeit auszutreiben, noch bevor die Operette so richtig begonnen hat.
ViKtoria (Susanne Geb) mit Husar (Andreas Scheidegger)
Was wohl pfiffig gemeint war, sich aber umgehend als Stimmungskiller erweist (und hoffentlich ganz schnell gestrichen wird), ist dabei gar nicht notwendig, denn was man auf der Bühne sieht und hört, sobald der Nebel sich gelichtet hat, gehört durchaus zu den besseren Operettenproduktionen der letzten Zeit. Weigand nimmt das Genre als das, was es zu seinen besseren Zeiten war: Gehobene Unterhaltung an der Grenze zur Revue, der man nicht unbedingt mit Tiefsinn, auf jeden Fall aber mit besonderer Sorgfalt begegnen muss. Das Orchester ist etwas erhöht auf die Bühne gesetzt, von der Spielfläche zunächst durch große Vorhänge wie in einer Show abgetrennt. Akustisch geht dabei vielleicht etwas an Transparenz des Klangs verloren, was aber nicht schadet. Unter der engagierten Leitung von Kapellmeister Evan Christ erweisen sich die Wuppertaler Sinfoniker als formidable Tanzkapelle, in deren flexiblem, locker swingenden Sound man etwas von der Nostalgie alter Grammophonplatten mitzuhören glaubt eine vorzügliche Umsetzung der bunten Schlagerfolge aus den späten 20er-Jahren. Graff Ferry (Stephan Boving) und dessen Verlobte O Lia San (Elemna Fink, Mitte) im Gespräch mit Viktoria (Susanne Geb) Davor wird viel (und ordentlich) getanzt, die Kostüme sind bunt, die Mädchen hübsch die Erwartungen eines konservativen Operettenpublikums werden aus vollen Zügen bedient, wofür es auch schon 'mal Szenenapplaus gibt. Auf der anderen Seite liegt immer ein Hauch von Ironie in der Luft. Vieles ist eine winzige Spur überzeichnet, wird mit einem Augenzwinkern serviert, und der Zwischenkriegszeitgeist ist allenthalben spürbar. Dadurch ist es möglich, die Operette ganz naiv und gleichzeitig distanziert zu betrachten. Allerdings dürfte das mitunter zu behäbige Tempo hier und da ein wenig anziehen. Auf die große sentimentale Geste lässt die Regie nicht ein, und die Ambivalenz und innere Tragik der Situation immerhin wird hier eine Frau zwischen den Ansprüchen zweier Männer innerlich zerrissen wird zwar immer wieder angedeutet, letztendlich verlässt Weigand aber nicht das sichere Terrain der Komödie. Großes ungarisches Finale (Ensemble) Susanne Geb ist eine veritable Operettendiva mit einem etwas engem, aber absolut höhensicherem und agilen Sopran, die der Viktoria große Souveränität verleiht. dagegen bleiben ihre Verehrer, Husar Koltay (mit sicherem Tenor, aber zurückhaltend spielend: Andreas Scheidegger) und Botschafter Cunlight (elegant in Auftreten und Stimme, aber mit Höhenproblemen: Olaf Haye) ein wenig blass. In den Vordergrund spielt sich das komische Paar: Hans Richter, Schauspieler aus dem Wuppertaler Ensemble, spielt mit Witz und Routine den Burschen Jancsi, Carin Schmidt-Schenk steht dem nicht nach und singt noch dazu im hübschen und verspielten Soubrettenton die Kammerzofe Riquette. Auch die zweite Soubrettenpartie, die Halbjapanerin O Lia San, ist mit Elena Fink gut besetzt; stimmlich weitet die Sängerin die Partie mit großem Ton noch auf. Ihr Verlobter, Graf Ferry, wird von Stephan Boving mit viel Charme gespielt; stimmlich bleibt Bovings sehr leichtgewichtiger Tenor trotz elektronischer Verstärkung einiges schuldig. Der Chor singt und spielt sehr zuverlässig; hier zahlt sich wie in den vielen kleineren Rollen die sorgfältige Personenregie und das spielerische Engagement des Ensembles aus. Da kommt dann doch noch Stimmung auf: Spätestens nach der Pause hat das Wuppertaler Publikum den Ärger über den anfänglichen Nebel vergessen.
Im Wesentlichen kitschfrei: Grundsolide Operettenproduktion, die das Genre nicht neu erfindet, aber mit feiner Ironie im Geist der Revue unterhaltsames Musiktheater bietet. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Choreographie
Dramaturgie
Choreinstudierung
Licht
SolistenCunlihgt, BotschafterOlaf Haye
Viktoria
Graf Ferry
O Lia San
Stefan Koltay
Jancsi Barnay
Riquette
Pörkölty, Bürgermeister
Shinto-Priester
Wachtmeister
Kosak
Japanischer Diener
James, Butler
Kamakuri O Miki
O Fifi San
Offizier
Bauernbursche
Tänzerinnen und Tänzer
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