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Musiktheater
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Otello

Musikdrama in vier Akten
Text von Arrigo Boito nach William Shakespeare
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3' (eine Pause)

Premiere an den Wuppertaler Bühnen
im Schauspielhaus Wuppertal am 13. Juni 2007


Besuchte Aufführung: 20. Juni 2007


Logo: Wuppertaler Bühnen

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Warum?


Von Thomas Tillmann / Fotos von Michael Hörnschemeyer

Otello "ist für die Wuppertaler Bühnen eine ganz besondere Produktion", lässt uns der Pressetext wissen. So kann man es auch beschreiben, wenn man sich an ein Werk heranwagt, das deutlich die Kapazitäten übersteigt, was bereits der Umstand erkennen lässt, dass man alle drei Hauptpartien mit Gästen besetzen muss. Die Finanzierbarkeit solcher Unternehmungen zu diskutieren, ist nicht vorrangige Aufgabe des Kritikers, wohl aber die künstlerische Umsetzung des ambitionierten Planes zu kommentieren, und die ist problematisch: Größter Schwachpunkt war für mich in der besuchten (immerhin ausverkauften) Vorstellung die streckenweise schwer erträgliche Leistung des Sinfonieorchesters Wuppertal, das den Notentext mitunter geradezu buchstabierte, durch permanente Spielfehler und Unsauberkeiten (Blech, Streicher) unangenehm auf sich aufmerksam machte, vor allem aber den durchaus erkennbaren Gestaltungswillen und die erratischen Tempovorstellungen von Toshiyuki Kamioka nicht recht umzusetzen verstand. Hatte man sich zu Beginn noch über ein pulsierend-vorwärtsdrängendes und angenehm transparentes Musizieren gefreut, so wählte er im weiteren Verlauf derart breite Tempi, dass er der Musik jeden Fluss nahm, und ließ es im Finale des dritten Aktes so knallen, dass man es mit der Angst zu tun bekam, während die Einleitung zum letzten Teil ähnlich unangenehm "stand" wie die Luft im Schauspielhaus an diesem schwülen Juniabend und das Bemühen um immer subtilere Pianoeffekte und ziseliert-verklärte Klangmomente schließlich nur noch nervte.

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Noch ist alles in bester Ordnung: Desdemona (Capucine Chiaudani) und Otello (Kor Jan Dusseljee) vergewissern sich ihrer Liebe zueinander.

Kein wirkliches Ärgernis, aber auch kein Grund zum Jubeln ist die Inszenierung von Johannes Weigand, die zwar klar, eng an Boitos Libretto und schnörkellos-reduziert die Geschichte erzählt, aber an keiner Stelle wirklich über die solide Leistung hinauskommt, die man von einem Oberspielleiter erwartet, und der es folgerichtig an der Inspiration und Kreativität fehlt, die große Regisseure auszeichnet. Ganz zu Beginn fällt der rote Vorhang zu Boden, der den ganzen Abend über bedeutungsvolles Requisit bleibt, Symbol der gefährdeten Liebe Otellos und Desdemonas ist, ihnen aber auch sehr praktisch als Decke dient. Ziemlich leer und düster ist die Bühne von Moritz Nitsche, die Maschinerie ist immer deutlich zu erkennen (was mich weniger störte als die älteren Damen in meiner Nähe), die Beleuchtung von Fredy Deisenroth streckenweise weder besonders atmosphärisch noch professionell ausgeführt. Wichtigstes Bühnenelement ist eine dreieckige Spielfläche, die gelegentlich um fahrbare Treppen ergänzt wird und in ihrer Position verändert wird, die vor allem aber eine Zumutung für das singende Personal ist und als Idee nun auch wirklich alles andere als neu ist. Die zunächst düsteren, dann dezent in verschiedenen Grau-Beige-Tönen und schließlich in cremigem Weiß gehaltenen Kostüme von Judith Fischer weisen mehr in unsere Zeit als in die originale Handlungszeit, im Falle Desdemonas sind sie zwar grundsätzlich schön anzusehen, aber nicht gerade vorteilhaft; überzeugend fand ich hingegen die Idee, Otello und Iago nach dem Zelebrieren ihrer Blutsbrüderschaft mit ähnlichen Uniformen zu versehen. Hinsichtlich der Personenführung halten sich Licht und Schatten die Waage, hektisches Auf- und Abgehen etwa als Zeichen innerer Erregung ermüdet das Auge des Zuschauers schnell, und gerade die Protagonisten hätten einfach vielschichtiger gezeichnet werden müssen.

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Großer Streit bei den Paaren: Desdemona (Capucine Chiaudani) versteht den Ärger Otellos (Kor Jan Dusseljee) nicht, Emilia (Joslyn Rechter) ahnt, dass Iago (Károly Szilágyi) Übles im Sinn hat.

Einen glänzenden Eindruck hinterließ auf mich die junge Italienerin Capucine Chiaudani mit ihrem apart timbrierten, immer noch schlanken, aber auch in Mittellage und Tiefe keineswegs überforderten lyrischen Sopran, der in der Höhe ein wenig "klingelt", ohnehin aber vor allem durch die Intensität und hohe Kultur des Piano überzeugt (und nicht in Partien wie Tosca überstrapaziert werden sollte, so geschehen in Braunschweig) - ihre große Szene hatte bemerkenswertes Niveau und rührte immens an. Natürlich ist Kor-Jan Dusseljee, den mancher noch aus seinen Gelsenkirchener Jahren kennt, in denen er viele Rollen des lyrischen Fachs gestaltete, kein "richtiger" Otello, es fehlt der Stimme an Durchschlagskraft, an den Farben und Ausdrucksmöglichkeiten eines dramatischen Tenors, der stellenweise dunkle Klang wirkt arg künstlich und "gemacht", aber anders als sein Kollege in der Produktion des Theaters Bonn versteht er die Partie mit seinen (begrenzten) Mitteln wirklich zu singen, er bemüht sich auch stets um Legato und Piano, er lässt sich nicht zum Forcieren verleiten und muss vor allem nicht auf außermusikalische Tricks zurückgreifen. Und doch musste ich während der gesamten Vorstellung daran denken, wie ich als Kind Melodien aus Klavierauszügen mit der Blockflöte gespielt habe: Natürlich bekamen meine unfreiwilligen Zuhörer einen Eindruck von der Musik, von ihrer Größe und Schönheit, aber eben doch nur einen Eindruck.

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Otello (Kor Jan Dusseljee) lässt sich von Iago (Károly Szilágyi) eifersüchtig machen und zur Ermordung Desdemonas verführen.

Károly Szilágy ist seit Jahrzehnten eine feste Größe am Aaltotheater in Essen, wo er nicht zuletzt auch vor einigen Jahren den Iago gesungen hat (und zuletzt einen superben Don Carlo in Verdis La forza del destino), und auch in dieser Produktion war man beeindruckt davon, wie unverbraucht sein Charakterbariton doch nach wie vor klingt, wie routiniert er an die Rolle herangeht und sowohl mit elegantem Konversationston wie mit kraftvollen Ausbrüchen überzeugen kann, dabei für mein Empfinden viel gelöster als an seinem Stammhaus. Mit besseren Partnern im Graben und am Regiepult indes hätte sein Portrait zweifellos noch an Vielschichtigkeit und Konturen gewonnen. Stephan Boving machte mehr als manch anderer aus dem Rodrigo und wäre in ein paar Jahren vielleicht auch ein guter Cassio, den diesmal noch Cornel Frey ohne Fehl, aber auch ohne besondere Ausstrahlung gestaltete, ähnlich wie die anderen Comprimari, abgesehen von Joslyn Rechter als erfreulich junge, involvierte Emilia. Nicht unerwähnt bleiben soll der im Januar neu gegründete Kinderchor der Wuppertaler Bühnen, der sich in dieser Produktion erstmals dem Publikum vorstellte und wahrlich keinen schlechten Eindruck hinterließ, ähnlich wie die professionellen Kollegen, die freilich noch ein paar mehr unterstützende Extrachorkehlen hätten gebrauchen können.

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Desdemona (Capucine Chiaudani) singt, ihr nahes Ende vorausahnend, Emilia (Joslyn Rechter) das Lied vom Schleier.


FAZIT

Bei allem Respekt vor dem Wagemut und der Leistungsfähigkeit der kleineren Häuser in der Region: An diesem Otello haben sich die Wuppertaler Bühnen verhoben.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Toshiyuki Kamioka

Inszenierung
Johannes Weigand

Bühnenbild
Moritz Nitsche

Kostüme
Judith Fischer

Choreinstudierung
Jaume Miranda

Dramaturgie
Karin Bohnert

Licht
Sebastian Ahrens



Statisterie der Wuppertaler Bühnen

Chor, Extra- und Kinderchor
der Wuppertaler Bühnen


Sinfonieorchester Wuppertal



Solisten

Otello
Kor-Jan Dusseljee

Iago
Károly Szilágy

Desdemona
Capucine Chiaudani

Emilia
Joslyn Rechter

Cassio
Cornel Frey

Rodrigo
Stephan Boving

Lodovico
Christoph Stegemann

Montano
Reinhold Schreyer-Morlock

Un araldo
Oliver Picker



Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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