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Von Stefan Schmöe
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Fotos von Michael Hörnschemeyer Mit einer außerordentlich gelungenen Produktion von Wagners Ring des Nibelungen, inszeniert zwischen 1999 und 2001, hat das Theater Münster Maßstäbe gesetzt: Ein Meilensteinstein in der Rezeptionsgeschichte des Rings urteilte damals unser Rezensent über die Inszenierung von Peter Beat Wyrsch (zur Rezension). Seitdem ist es recht still geworden um das Musiktheater der Städtischen Bühnen Münster, und unter der Intendanz von Wolfgang Quetes (seit 2004 im Amt) hat das Haus ein eigenes Profil noch nicht recht gefunden. Für die Neuinszenierung des Tannhäuser im Mai 2006 ist erneut das Regieteam des Ring zusammengekommen musikalisch steht dabei mit Rainer Mühlbach ein anderer Chefdirigent vor dem Orchester. Jetzt ist die Produktion wieder in den Spielplan aufgenommen worden. Beziehungsstress beim Sängerkrieg: Tannhäuser (hier: Wolfgang Millgramm) und Elisabeth (Anna--Katharina Behnke)
Wyrschs wohltuend abstrakter Regieansatz verzichtet auf eine allzu konkrete Ausdeutung und arbeitet mit klaren, von der Lichtregie bestimmten Bildern. Bühnenbildner Roland Aeschlimann hat die Bühne um den Orchestergraben herum bis in den Zuschauerraum erweitert und die ersten Sitzreihen überbaut. Das verlagert das Sängerfest einerseits zum realen Publikum hin und schafft eine spannungsreiche Nähe, gibt andererseits den Akteuren auch die Möglichkeit, auf Distanz zu gehen. Ganz schlüssig wirkt die Personenregie dabei allerdings nicht; den Auf- und Abtritten gerade in diesem vorderen Bereich der Spielfläche haftet eine gewisse Beliebigkeit an. Die kreisförmige Scheibe des Venusbergs erinnert an die Neubayreuther Sachlichkeit Wieland Wagners, durch dezente Videoprojektionen von Wellenbewegungen, später auch Wolkenhimmel (Video: Gilles Papain) auf einen Schleiervorhang durchaus wirkungsvoll erweitert. Lndgraf (Thorsten Grümbel) mit Nichte Elisabeth (Anna--Katharina Behnke)
Zu einem Verzicht auf die anscheinend unvermeidlichen Schwerter konnte sich das Regieteam offenbar nicht durchringen und dadurch bekommt die Inszenierung zwischenzeitlich doch einen Hang zum Kostümspektakel, auch weil die Kostüme (Renate Schmitzer) mit blutgetränkten Pilgerkutten und neckisch spitz zulaufenden Jägerhütchen insgesamt einen wohl unfreiwilligen Hang zur Karikatur haben. Plausibel, wenn auch recht plakativ ist die Identifizierung von Venus (im eleganten roten Kleid) und Elisabeth (in weiß, aber wenn Tannhäuser ihr das Kleid zerreißt, erscheint darunter das Rot der Venus) beide Partien werden auch von der gleichen Sängerin gesungen. Ein wenig fehlt dabei der Leitgedanke, der die Inszenierung prägt und die Elemente zusammenfügt. So gibt es eine reihe von gelungenen Momenten, aber keine durchgehende Interpretation. Auf's Schwert mag der Ausstatter nicht verzichten: Tannhäuser (hier: Wolfgang Millgramm)
Den Freiraum, den die Inszenierung lässt, müsste durch die Musik gefüllt werden, was aber nur teilweise gelingt. Die Stimme des norwegischen Tenors Ivor Gillhuus (der in der Titelpartie mit Wolfgang Millgramm alterniert) ist im Piano recht flach und entwickelt erst im leicht baritonal abgedunkelten Forte einen spezifischen Klang, der etwas Brüchiges hat nicht das Schlechteste, um den zerrissenen Sängerhelden darzustellen. Allerdings muss er der mörderischen Partie mit unüberhörbaren Verschleißerscheinungen am Ende des zweiten, noch massiver am Ende des dritten Akts, Tribut zollen. Darstellerisch müsste er den Außenseiter noch prägnanter herausformen zu oft steht er scheinbar unbeteiligt neben dem Geschehen. Anna-Katharina Behnke besticht in der Doppelrolle als Venus und Elisabeth mit einem sehr kultivierten, eindringlichen Piano. Auch im Forte ist die Stimme mit souveräner Phrasierung sauber geführt, macht aber das fehlende Volumen im lyrischen Fach ist die Sängerin sicher besser aufgehoben als im dramatischen teilweise durch aggressive Schärfe wett. Insgesamt wirkt die Interpretation das mag auch an der Regie liegen, die in den Frauengestalten mehr das Symbolische als das Individuelle sucht - ein wenig distanziert. Radoslaw Wielgus singt mit klarem und zupackendem Bariton einen vitalen und kämpferischen Wolfram, der als Figur stärker profiliert wirkt als die beiden Hauptpartien. Nur beim Lied an den Abendstern fällt er aus der Rolle und macht aus der Arie eine im Tempo hoffnungslos verschleppte Konzertschnulze. Aus dem ansonsten tadellosen Ensemble ragt der klare Sopran von Kirsten Hoener zu Siederdissen in der kleinen Rolle des Hirten heraus. Elisabeth (Anna-Katharina Behnke), ganz allein
Klangschön und kultiviert auch im donnernden Forte singt der große Chor, für den neben dem hauseigenen Chor und Extrachor noch Coruso, erster deutscher freier Opernchor e.V. aufgeboten werden. Am Pult des guten Sinfonieorchester Münster stand in der hier besprochenen Vorstellung der junge Amerikaner Brett Alan Austad, der Generalmusikdirektor Rainer Mühlbach bei der Einstudierung assistiert hat. Es ist ein Zeichen guter Nachwuchsarbeit, einem jungen Dirigenten dann auch die Chance zu geben, ein großes Werk zu dirigieren. Austad nutzte sie ausgezeichnet: Nach einem etwas behäbigen, zu sehr ausbuchstabierten Vorspiel gewann die Aufführung unter seinem umsichtigen Dirigat zunehmend an Fahrt und musikalischer Spannung. Mit forschen, dabei immer kontrollierten Blechbläsern an der Spitze gelang eine schlanke, in sich schlüssige Interpretation, die gut mit der sachlichen Inszenierung korrespondiert.
Eine ordentliche Aufführung, die aber nicht an die Großtat des Ring heran reicht - dazu fehlt der Regie die große Linie und sind die Sängerleistungen zu unausgeglichen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Video
Lichtdesign
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten AufführungHerrmann, Landgraf Thorsten Grümbel
Tannhäuser
Wolfram von Eschenbach
Walther von der Vogelweide
Biterolf
Heinrich der Schreiber
Reinmar von Zweter
Elisabeth
Venus
Ein junger Hirt
Edelknaben
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- Fine -