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Nicht fertig mit Mozart!Von Christoph Wurzel
Ein Aufatmen geht um in den Feuilletons: Ende des Mozartjahres! Dagegen scheint bei Publikum und Theaterleuten eine ganz andere Stimmung vorzuherrschen: Mozart, ja bitte! So jedenfalls, als im Südwesten am Ende des Gedenkjahres nochmals zwei Mozartproduktionen neu auf die Bühnen kamen: Don Giovanni in Mannheim und Idomeneo in Freiburg, beide mit höchstem Engagement produziert und mit großem Beifall vom Publikum quittiert; beide Produktionen auch in gleichem Maße musikalisch erregend und szenisch spannungsvoll. Mozarts Geniestreich für den ehemaligen Mannheimer Kurfürsten Carl Theodor für München geschriebener Idomeneo wurde in der Münchner Fassung in Freiburg von Ludger Engels, dem Aachener Opern-Oberspielleiter inszeniert und Don Giovanni in der Prager Fassung von Nikolas Brieger, der in Mannheim einst Schauspieldirektor gewesen war. Beide Regisseure haben den Produktionen eine unverwechselbare Handschrift eingeschrieben und beide erhellen die Handlung aus heutigen Perspektive deutlich, genau und aktuell. Idomeneo wird in Freiburg als das Drama der ersten Liebesverwirrungen junger Leute gezeigt. In Mannheim landet Don Giovanni final in der Hölle des Pflegeheims, das heißt der Komtur holt ihn gleich mit zwei Dutzend alten Männern in Unterhosen und Schlabberlätzchen zur Feier seines 4. Lebensabschnitts dorthin ab. Das schlimmstmöglich anzunehmende Ende für den Erotomanen! Dieser ironische Schicksalsschlag für einen, der zuvor alle in seinen Bann geschlagen hatte, ist nur das letzte Apercu einer Inszenierung, die den Spagat zwischen Grauen und Komik immer genau zu halten vermag und mit szenischem Witz nicht spart, ebenso wenig wie mit eindringlich tragischen Momenten.
Don Giovanni in Mannheim Der Schluss von Idomeneo, der in der Berliner Deutung so für Aufregung sorgte, ist in Freiburg nicht minder eindringlich als das Mannheimer Giovanni-Finale. Es ist nicht die Stimme von oben, aus dem mystischen Himmel, die Idamantes Erlösung herbeiführt, sondern ganz human und bewegend der Chor, der nach Ilias Bitte um Verschonung des Geliebten dem grausamen Ritual ein Ende bereitet. So sind es die Menschen selbst, die sich von den Verstrickungen ins Böse befreien. Ludger Engels hat das Dreieck Ilia - Idamante - Elettra schlüssig als eine Geschichte junger Leute erzählt, die ihre Identität noch suchen, sich ihrer Liebe zu- und untereinander ganz unsicher sind, sich noch mehr in äußeren Posen darstellen, als authentisch über ihre Gefühle zu bestimmen. Halt finden sie noch in den Tröstern ihrer Kindheit, einer Puppe oder dem Teddybär. Diese von der Regie subtil ausgefeilten Charakteren sind, wie von Mozarts Musik nur allzu nahe gelegt, Figuren des Stürmens und Drängens. Und treffend ist daher auch die Chiffre, die für diese Handlungskonstellation gefunden wurde, die der Reise, der gepackten Koffer. Natürlich ist es auch das Unterwegssein vom Krieg in Troja in die heimatlichen Gefilde, das hier gemeint ist und Idomeneos seelische Qualen werden noch verständlicher angesichts der grausamen Erlebnisse, die er hinter sich haben muss. Bernard Richter prägt der Titelrolle in dieser Version das packende Portrait eines fast wahnsinnigen Davongekommenen auf.
Idomeneo in Freiburg
Auch die musikalische Bilanz fällt in beiden Häusern positiv aus. Das Mannheimer Orchester musiziert mit energetischem Schwung, deutlich der Klangrede verpflichtet, trocken, agogisch pointiert und manchmal schroff. Wolfram Koloseus schlägt ein zügiges Tempo an, das dem dramatischen Fluss entgegen kommt und das bisweilen recht handfeste Spiel auf der Bühne unterstützt. Doch auch der ausgekostete lyrische Moment kommt ebenso zu seinem Recht, wie das feinfühlig knisternde "La ci darem" oder Giovannis Ständchen vor dem Fenster von Elviras Zofe. Doch da sein Liebesobjekt gar nicht erscheint, schlägt er unmittelbar darauf das zarte Instrument in Stücke. So pendeln Musik und Spiel in angespannter Konkurrenz hin und her, ebenso wie sich Komik und Ernst in dieser Inszenierung die Hand geben. In Freiburg gelingt es Sébastien Rouland, die emotionalen Untergründe von Mozarts Musik freizulegen. Das Orchester musiziert höchst engagiert und klangschön (Bläser!). Im Eifer des Gefechts gerät Rouland an wenigen Stellen die Koordination etwas außer Kontrolle. Aber als Gesamteindruck bleibt eine musikalisch eminent theatralische und dramatisch animierte Aufführung, die auch hier mit dem Bühnengeschehen bestens korrespondiert. Ein junges Ensemble in Freiburg spielt und singt auf hervorragendem Niveau. Bernard Richter als Idomeneo meistert seine Koloraturen brillant. Die Ilia gibt Freiburgs Sopran-Liebling Nicole Chevalier anrührend, warm und wahrhaftig. Auch Yaroslava Vikharova als Idamante und Jana Havrová als Elettra nehmen mit überzeugendem Spiel und ausgereifter Gesangsdarstellung für sich ein. Im Abschieds-Quartett des 3. Akts gelingt ein eindrucksvolles Ensemblespiel, in dem sich die Stimmen auf ideale Weise vermischen. Roberto Gionfriddo singt die immer etwas beiseite liegende Rolle des Arbace mit heftigem Engagement und meistert die Koloraturen zwar mit etwas Anstrengung, aber dennoch korrekt. Nicht unwesentlich ist natürlich der Chor, dem Mozart eine wichtige Rolle zuweist. Hier ist er, ganz im Sinne der antiken Tragödie, Betrachter und Akteur zugleich. So spielt er auch musikalisch durchaus keine Hintergrundsrolle. In Mannheim hat man für Don Giovanni ebenfalls ein stimmiges Ensemble zur Verfügung. Auch hier bleibt der Eindruck einer runden Ensembleleistung zurück. Die Damen singen durchaus mit Verve und koloratursicher dazu. Ludmila Slepneva ist eine präsente Anna und Marie Belle-Sandis verleiht der frustrierten Elvira, die schon mal Trost in der Flasche sucht, deutlich Kontur. Eine nicht nur zarte, sondern auch durchaus mal dominante Zerlina gibt als Gast Silke Schwarz. Thomas Berau verleiht der Titelfigur deutlich etwas von der Brüchigkeit eines mit sich selbst uneinigen Lebemannes. Gesanglich liefert er beste Qualität. Rainer Zaun als Gast spielt und singt den Leporello prächtig als Opportunisten heraus, mal im Protest, dann wieder bestochen mit Geld und zynisch gegenüber Giovannis Opfern. Die Liste der Liebschaften seines Herrn trägt er als Oberkörper-Tattoo mit sich herum, was er Elvira auch schadenfroh präsentiert. Nicht zu verachten auch der prägnante Masetto von Martin Busen, sowie als Mannheimer Bassinstanz Mihail Mihaylov in der Rolle des Komturs.
Zweimal Mozart als lebendiges zeitloses Musiktheater. Ein Beweis mehr, dass diese Opern niemals veralten. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Don Giovanni in Mannheim Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Choreografische Mitarbeit
Dramaturgie
Solisten* PremierenbesetzungDon Giovanni Markus Eiche * / Thomas Berau
Donna Anna
/ Ludmila Slepneva
Don Ottavio
/ Charles Reid
Commendatore
Leporello
/ Rainer Zaun a.G.
Donna Elvira
Zerlina
/ Silke Schwarz a.G.
Masetto
Idomeneo in Freiburg Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreographie
Choreinstudierung
Dramaturgie
SolistenIdomeneoKönig von Kreta Bernard Richter
Idamante
Ília
Elettra
Arbace
Kreter des Theaters Freiburg
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