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Lucia di Lammermoor

Oper in drei Akten
Libretto von Salvatore Cammarano
nach der Novelle von Sir Walter Scott
Musik von Gaetano Donizetti

In italienischer Sprache mit französischen und flämischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere im Théâtre Royal de Liège am 11. Mai 2007
Produktion der Opéra Royal de Wallonie

Besuchte Aufführung: 13. Mai 2007

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Opéra Royal de Wallonie
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Edgardo di Ravenswood ...

Von Thomas Tillmann / Fotos von der Opéra Royal de Wallonie


... hätte diese insgesamt sehr ordentliche Aufführung von Donizettis Lucia di Lammermoor überschrieben werden können, denn es war Stefano Secco (der mir erstmals in Amsterdam in einer konzertanten Aufführung von Il Pirata und dann als Duca im Lütticher Rigoletto sehr positiv aufgefallen war), der die Nachmittagsvorstellung angenehm dominierte mit seinem ungemein farbigen, vielerlei vokale wie interpretatorische Nuancen umsetzenden, aber auch die nötige metallische Durchschlagskraft, markante Virilität und den entsprechenden Höhenglanz aufweisenden Tenor. Besonders berührend fand ich, wie er die Trauer Edgardos in der großen, schwierigen Arie des letzten Aktes zu vermitteln verstand, ohne unangemessen larmoyant zu sein oder ins Schluchzen zu verfallen - gehaltvolle Piani, ganz in den Dienst der Interpretation gestellte mezza-voce-Effekte, eine gewisse elegisch-melancholische Färbung der Stimme waren es, die hier so viel mehr Eindruck machten als die Äußerlichkeiten, die einem da manchmal geboten und leider auch von vielen beklatscht werden -, bemerkenswert, wie uneitel er seinen vorher so glanzvollen Tenor am Ende gleichsam erstickt klingen ließ. Hier hörte man nicht zuletzt endlich einmal wieder einen Sänger, der sich Mühe mit dem Text machte und auf diese Weise auch den Rezitativen die Aufmerksamkeit zukommen ließ, die sie verdienen, und der große Expressivität nicht als Nebeneffekt vokaler Probleme oder auf Grund außermusikalischer Tricks entwickelte.

Vergrößerung Edgardo di Ravenswood (Stefano Secco, zweiter von rechts) platzt in die Hochzeit von Lucia di Lammermoor (Rosanna Savoia, zweite von links) und Lord Arturo Bucklaw (Jairo Nunez, rechts) hinein, die Lucias Bruder Lord Enrico Ashton (Luca Grassi, Mitte) eingefädelt hat; Raimondo (Wojtek Smilek, links) ist fassungslos.

Anstelle der zunächst angekündigten Ekaterina Siurina hatte man die Italienerin Rosanna Savoia engagiert, die die Lucia bereits an der Scala gesungen haben soll. Man hörte eine junge, noch ziemlich kleine und für mein Empfinden noch nicht wirklich ausgereifte Stimme, die in der Höhe schon zu viel Vibrato aufweist und die zu wirklich guten Trillern nicht zu bewegen ist, wie überhaupt die virtuosen Fähigkeiten der Künstlerin zwar ordentlich, aber nicht exzeptionell sind, auch wenn sie mit mitunter hart erarbeiteten und einige Härte und Schärfe aufweisenden Stratosphärentönen das Publikum (und auch den Rezensenten, so ist es nicht) beeindruckte. Wirklich schön klang Savoias Sopran, wenn sie am Bühnenrand piano und in der Mittellage singen durfte, etwa in Teilen des Duetts mit Edgardo im ersten Akt, wirklich an Grenzen kam sie an den nicht wenigen tiefen Stellen der Partie (sehr schwach etwa die "Fantasma"-Rufe in der Wahnsinnsszene). Insgesamt empfand ich die Leistung der Sopranistin gerade auch in expressiver Hinsicht als noch nicht ausgereift, viele an sich überzeugende Interpretationsmomente wirken noch zu sehr kalkuliert, unverbunden aneinandergereiht und nicht wirklich gefühlt - die Rolle kommt vielleicht doch ein wenig früh.

Vergrößerung

In ihrem Wahnsinn hält Lucia (Rosanna Savoia) ihren Bruder (Luca Grassi) für ihren Geliebten Edgardo.

Einen tadellosen Eindruck hinterließ Luca Grassi als Enrico mit seinem nicht riesigen, aber gut fokussierten, mit einem exzellenten Legato beeindruckenden Bariton, der sich besonders in der scheinbar mühelos erreichten, sehr entschlossen attackierten hohen Lage wunderbar entfaltete und der sicher auch im Piano nicht seinen Klang verlöre, auf das der Italiener zu wenig setzte. Wojtek Smilek ließ sich als Raimondo vor der Vorstellung ansagen (er war nach der Premiere zwei Tage zuvor erkrankt und war mit Fieber auf die Bühne gegangen), der Stimme war allerdings nichts anzuhören, das Publikum freute sich einmal mehr über die satten Töne eines typischen slawischen Basses und sah ihm einmal mehr nach, dass er interpretatorisch ziemlich pauschal bleibt und kein Spezialist in diesem Fach ist. In den kleineren Partien tat sich Jairo Nunez als Arturo vor, dem man auf Grund seines angenehm timbrierten, durchdringenden Tenors auch größere Aufgaben zutraut, während Christine Solhosse mit lauten, steifen Tönen im Ensemble irritierte und Guy Gabelle einen zwar verlässlichen, aber doch auch sehr reifen Normanno gab. Ein Riesenkompliment verdienen indes die Damen und besonders die Herren des Chores, die Edouard Rasquin zu erstaunlich präzisem, differenzierten Gesang anhalten konnte, den man auf diesem Niveau an deutschen Häusern dieser Kategorie so oft vermisst. Antonino Folgliani bewies am Pult große Übersicht bei den Ensembles, die zum Besten gehörten, das man an diesem Nachmittag in der Opéra Royal zu hören bekam, er verschaffte dem Bühnenpersonal ein gutes Fundament, wie es sich bei Belcantoopern gehört, wobei ich im ersten Teil das Spiel des Orchesters mitunter als etwas zu laut empfand, aber immerhin hatte es immer den nötigen Schwung und Drive, der wichtig ist für dieses Repertoire.

Vergrößerung Lucia (Rosanna Savoia) ist dem Wahnsinn verfallen.

Es war eine richtige Entscheidung von Mireille Larroche, deren Produktion bereits im Oktober 2003 in Liège zu sehen war, auf aufwändige Dekorationen zu verzichten und stattdessen bei Danièle Barraud erstklassige Kostüme in Auftrag zu geben. An verschiedenen Positionen auf der Bühne finden sich Projektionswände angeordnet, auf denen Handlungsaspekte oder Gefühle der Figuren unterstreichende Aquarelle, Zeichnungen oder auch nur Farbflächen zu sehen sind oder Handlungsorte angedeutet werden. Projektionen sind überhaupt wichtig in dieser Inszenierung: Nicht nur um den Zuschauern kleinere Umbaupausen zu verkürzen werden ein Wald, Wasser, ein aufgewühltes Meer als gleichermaßen "romantische" wie psychologisch interessante Ingredienzien auf einen Vorhang geworfen, mitunter entwickeln sich Szenen hinter ihm, verbindet sich Projektion mit den Bühnenaufbauten und dem Spiel der Darsteller. In einigen Szenen kommt ein schlichtes Metallgerüst mit Geländer dazu, das zunächst als Galerie für die Hochzeitsgäste dient, aber auch als eine Art Warte für die Protagonisten zu verwenden ist, die sich in ihrem Wahnsinn aus der starren Gesellschaft verabschiedet haben. Wichtig ist der Regisseurin und ihrem Bühnenbildner Guy-Claude Francois auch ein Wasserbassin, der aber seine Tücken hat: Die Feuchtigkeit und der Bühnennebel dürften der Grund dafür gewesen sein, dass der Tenor bei seinem Auftritt ausrutschte, Sekunden vor seinen ersten Tönen (seiner Partnerin sollte es wenig später nicht besser ergehen, aber anders als er konnte sie sich zumindest auf den Beinen halten).

Vergrößerung

Edgardo (Stefano Secco) kann sich mit dem Tod der Geliebten nicht abfinden und verliert ebenfalls den Verstand.

Großen Anteil an den schönen Bildern hat zweifellos das geniale Licht von Philippe Quillet, auch wenn mancher vielleicht beklagen könnte, dass die Bühne die längste Zeit ziemlich dunkel ist, und dabei die vielen Nuancen vergisst, die der Künstler zu zaubern versteht. Völlig im Dekorativen bleibt der Abend freilich nicht, dem grundsätzlich konservativen Publikum in Lüttich wird auch eine Portion Psychologie zugemutet, etwa wenn Lucia von Anfang an als besonderes Mädchen portraitiert wird, das nicht zu dem Rest dieser (Männer-)Gesellschaft passt, die in einigen Szenen aus Seitenlogen voyeuristisch an diesem Drama partizipiert, und das sich häufig so fühlt wie die junge Statistin, die als kindliches Double Lucias in vielen Szenen auf der Bühne präsent ist. Nicht uninteressant fand ich auch den Einfall, dass auch Edgardo am Ende in einer Zwangsjacke auftritt - nicht nur empfindsame Frauen entfliehen dieser brutalen Gesellschaft, auch Männer können in ihr nicht leben.



FAZIT

Eine Reprise der Lucia di Lammermoor, die in weiten Teilen mehr als ordentlich geriet und dank der exquisiten Leistung des Tenors sicher länger im Gedächtnis bleibt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonino Fogliani

Inszenierung
Mireille Larroche

Assistenz
Alain Patiès

Bühne
Guy-Claude Francois

Kostüme
Danièle Barraud

Licht
Philippe Quillet

Chöre
Edouard Rasquin

Chor und Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Lucia di Lammermoor
Rosanna Savoia

Alisa
Christine Solhosse

Edgardo de Ravenswood
Stefano Secco

Lord Enrico Ashton
Luca Grassi

Lord Arturo Bucklaw
Jairo Nunez

Raimondo
Wojtek Smilek

Normanno
Guy Gabelle



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

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