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Musiktheater
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Giulio Cesare in Egitto
(Julius Caesar)


Oper in drei Akten, HWV 17
Text von Nicola Francesca Haym
nach einem Libretto von Giacomo Francesco Bussani
Musik von Georg Friedrich Händel


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 26. Mai 2007
(Übernahme einer Inszenierung der Hamburgischen Staatsoper)

(rezensierte Aufführung: 10.6.2007)

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Fuck Egypt

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre

Von Triumph keine Spur: Zu Caesers Einmarsch in Ägypten kommt der Huldigungschor reichlich stillos vom transportablen Casettenrecorder, und Caeser und Konsorten, raue Gestalten, genehmigen sich erst einmal ein Dosenbier. Ägypten wird reduziert auf ein Toristennest, das die besten Jahre hinter sich hat. Assoziationen an aktuelle Krisenherde liegen nahe, werden aber nur in Andeutungen weiter verfolgt: Bilder von Gefangenen, die bis auf die Unterhosen entkleidet und bemalt werden (hier Achilla, der Caesar das Haut des Pompejus als „Begrüßungsgeschenk“ überbringt), oder wie Hunde an der Leine geführt werden (hier die Haremsdamen), erinnern an Aufnahmen aus Abu Gharib. Kriege können nicht gewonnen werden, das ist eine Leitidee der Inszenierung, die von der Hamburgischen Staatsoper nach Köln übernommen wurde. Regisseurin Karoline Gruber tut gut daran, es bei Andeutungen – die sich nach und nach zu einer (keineswegs eindeutige)n Collage zusammenschließen - zu belassen. Im Assoziationsreichtum des Konzepts liegt auch dessen Stärke.


Vergrößerung in neuem Fenster Tolomeo (Martin Wölfel, hinten) und Cornelia (Susanne Schaeffer)

Kontrastiert wird die Kriegsszenerie durch überdimensionale Werbeplakate. Über der verwüsteten Bühne des dritten Akts grüßt Caesars Abbild im Stil eines Filmstars, während der reale Herrscher sich davonstiehlt – das abschließende Liebesduett mit Cleopatra wird szenisch bewusst konterkariert durch ein trostloses Ende, das nur psychisch Verstörte zurücklässt. Schein und Sein klafft weit auseinander, und das ist eine weitere Ebene dieser sehr komplexen Regie. Casar, mit einer Sopranistin besetzt, wird einerseits mit aufgeklebtem Bärtchen sehr maskulin gezeichnet, trägt aber unter seinem Kampfanzug Stöckelschuhe. Sesto, Sohn des ermordeten Pompejus, ist ein fescher Punker, andererseits sehr weiblich gezeichnet. Da manifestieren sich die Widersprüche der Personen bereits in den Kostümen. Tolomeo, ägyptischer Herrscher und um die Macht rivalisierender Bruder Cleopatras, scheint sich unentwegt auf durchgeknallten Gay-Transvestiten-Partys herumzutreiben; sein erster Auftritt wird flankiert von einer Leibgarde in Badehosen und Taucherflossen. Cornelia, Witwe des Pompejus, erinnert an Kim Novak in einem Film Alfred Hitchcocks. Und auch das durchbrochene, alles andere als realistische Bühnenbild von Thilo Reuter wirft mehr Fragen als Antworten auf.


Vergrößerung in neuem Fenster Cleopatra (Iride Martinet) gibt sich als Dienerin Lydia aus, um Caesar (Kristina Wahlin) zu umgarnen

Der erste Akt ist gekennzeichnet von viel Aktionismus; so darf Sesto mit den Worten „Fuck Egypt“, flugs an die Wand geschmiert, Ausdruck seiner Trauer über den Tod des Vaters verleihen und gleichzeitig die Situation im besetzten Land ebenso knapp wie treffend umreißen. Es passiert viel in diesem ersten Akt, aber die Wirkung verpufft. In der hier beschriebenen Aufführung, zwei Wochen nach der Kölner Premiere und vor bestenfalls zu zwei Dritteln gefülltem Haus, schien die Luft längst heraus: Was in der Premiere vielleicht noch provoziert und Publikumsreaktionen hervorgerufen hat, wurde von einem Publikum, das längst durch die Presse vorgewarnt war, eher gelangweilt hingenommen. An Kontur gewinnt die Inszenierung erst im zweiten, vor allem aber im dritten Akt, die durch zunehmenden Verzicht auf Bühnenaktionen konzentrierter wirken. Dass die Regie im Widerspruch zur Musik steht, ist kein Nachteil, sondern erzeugt ein besonderes Spannungsfeld – die großen Bilder, die hier entstehen, prägen sich ein.


Vergrößerung in neuem Fenster Schriller Herrscher: Tolomeo (Martin Wölfel)

So sehr die Inszenierung (auch) von den riesigen Ausmaßen der Bühne lebt, so problematisch ist genau dies für die Musik, die – obwohl schön gesungen und musiziert wird – eine Nummer größer dimensioniert sein müsste. Das Gürzenich-Orchester in kleiner Besetzung spielt unter der Leitung von Christopher Moulds sauber und präzise und auch durchaus nuanciert, aber schon in der Mitte des Parketts sind die kleinen Noten kaum noch auszumachen, klingen unscharf - da spielt die Akustik des Hauses nicht mit. Wobei man umgekehrt wohl fordern darf, dass eine Produktion den Gegebenheiten des Theaters auch musikalisch angepasst wird. Moulds und das Orchester wären in einem intimen kleinen Rokoko-Theater jedenfalls besser aufgehoben. Auch die Continuo-Gruppe klingt oft verhuscht, allzu kammermusikalisch. Unabhängig davon dürften die Streicher griffiger, plastischer spielen – Händels raffinierte Klangfarben kommen hier erst durch die Bläser zum Vorschein.


Vergrößerung in neuem Fenster Streitbares Geschwisterpaar: Cleopatra (Iride Martinez) und Tolomeo (Martin Wölfel)

Ähnliches gilt für die Solisten: Auch die klingen merkwürdig fern, wenig präsent. Allerdings werden auch keine großen, voluminösen Stimmen aufgeboten. Das betrifft insbesondere Kristina Wahlin als Caesar, die schön und kultiviert, auch sehr sauber singt, aber eben eine recht kleine Stimme besitzt, die sich gegen das Bühnengeschehen des ersten Akts kaum behaupten kann und erst später, vor allem im insgesamt ruhiger angelegten Schlussakt und vor allem im resignativen Finale, richtig zur Geltung kommt . Sehr schön gelingt das Schlussduett mit Cleopatra, gesungen von Iride Martinez, die über den volleren und ausdrucksstärkeren Sopran verfügt und damit bessere Präsenz erzielt. Zwar ist auch bei ihr das Volumen der Stimme eher klein, was die Sängerin mit leuchtender Klangfarbe ausgleicht.

Martin Wölfel, der – als einziger Sänger der Kölner Besetzung - auch schon in der Hamburger Premiere gesungen hatte, singt tapfer gegen die schrille Rollenauslegung an der Grenze zur Karikatur an, die die Regisseurin ihm aufbürdet. Sein beweglicher Altus klingt recht leicht und kann der Figur wenig Gewicht verleihen (wobei hier schwer zu beurteilen ist, welchen Anteil die Regie hat). Susanne Zimmermann singt eine sehr gefasste und jederzeit kontrollierte Cornelia (von der Eindringlichkeit, mit der Martha Marquez bei schlechteren stimmlichen Voraussetzungen die Partie im benachbarten Düsseldorf gestaltet – unsere Rezension – ist sie dabei weit entfernt). Viola Zimmermann als klangschöner Sesto und Leandro Fischetti als raubeiniger, musikalisch etwas unscheinbarer Achilla sind solide Besetzungen. Der Chor ist (bis auf das kurze Zitat aus dem Casettenrecorder) gestrichen. In einem intimeren Rahmen ergäbe das in der Summe eine musikalische Umsetzung von Format. Unter Caesars Riesenportrait aber klingt's eine Nummer zu klein.


FAZIT

Eine kammermusikalisch feine Interpretation hat gegen die groben Klötze der Inszenierung und im weiten Raum der Kölner Oper wenig Chancen. Ansonsten eine Produktion mit Widerhaken, die neben mancher Albernheit auch eindrucksvolle Momente hat, die sich einprägen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christopher Moulds

Inszenierung
Karoline Gruber

Bühne
Thilo Reuter

Kostüme
Henrike Bromber

Choreographie
Monika Wilken

Mitarbeit Regie
Nelly Danker

Licht
Hans Toelstede

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Oliver Binder


Chor der Oper Köln

Statisterie der Bühnen Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Giulio Cesare
Kristina Wahlin

Curio
David Pichlmaier

Cornelia
Susanne Schaeffer

Sesto
Viola Zimmermann

Cleopatra
Iride Martinez

Tolomeo
Martin Wölfel

Achilla
Shanon Chad Foley /
* Leandro Fischetti

Nireno
* Raika Maier /
Adriana Bastidas-Gamboa


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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