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Musiktheater
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Der Rosenkavalier

Komödie für Musik in drei Aufzügen
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


Aufführungsdauer: ca. 4h 30' (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Köln am 5. Oktober 2002

Wiederaufnahme: 1. Juni 2007

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Wiedersehen mit dem etwas anderen Rosenkavalier

Von Thomas Tillmann / Foto von Klaus Lefebvre


Vor knapp fünf Jahren hatte diese Produktion des Rosenkavalier in der Domstadt Premiere (unsere Rezension), deren zentrale optische Zutat eben nicht das Rokoko-Wien ist, das Strauss und Hofmannsthal vorgesehen haben und das das Publikum seit eh und je erwartet, sondern Henri Rousseaus Urwaldlandschaft mit untergehender Sonne aus dem Jahre 1910, die nicht nur auf den Vorhang projiziert wird, sondern von Jürgen Bäckmann auf der Bühne nachgebaut wird. Das ist irritierend und verstört manchen, stört aber auch nicht wirklich, denn trotz der starken zeitlichen und örtlichen Fixierung enthält das Werk doch auch viel Überzeitliches, Allgemeingültiges über die Zeit und Vergänglichkeit, und entfaltet zudem im Verbund mit dem einmal mehr sensationellen Licht von Manfred Voss eine ganz eigene berückende Poesie. Ich mochte sehr die große Ruhe im ersten Aufzug, die auch in den Szenen mit viel Bühnenpersonal nicht in Gefahr geriet, und die weit davon entfernt war, bloßes Rampenstehtheater zu sein. Genial eingefangen ist auch die miefig-piefige Bürgerlichkeit der Faninals, interessant die Idee, die Marschallin wie eine Theaterbesucherin Zeugin der reichlich lieblos vom Grafen abgespulten Rosenüberreichung (er findet sogar noch Zeit und Gelegenheit, mit seiner fürstlichen Cousine zu flirten) und der aufkeimenden Liebe zwischen Octavian und Sophie werden zu lassen und auch die Abkühlung des Verhältnisses zwischen der Marschallin und ihrem jugendlichen Liebhaber auf die Bühne zu bringen, was sonst der Vorstellung des Zuschauers allein überlassen ist - da gibt es ganz große Momente.

Bemerkenswert finde ich den Beginn des dritten Aufzugs: Krämer verzichtet gänzlich auf den Klamauk und Bühnenzauber, den man da ansonsten mehr oder minder amüsiert über sich ergehen lassen muss, indem er dem Baron einen bewusstseinsverändernden Trank verabreichen lässt, man kann sich ganz auf das bizarre Stelldichein der beiden "Verliebten" im "Wienerwald" konzentrieren (und bewundert den Mut, mit dem der stattliche Ochs-Interpret Hemd und Hose fallen lässt). Großartig auch der Einfall, beim Terzett die Protagonistinnen traumverlorene Pirouetten drehen zu lassen, wobei die Marschallin zuvor ihre echte Trauer über den Verlust noch deutlich zeigen und nicht nur eine Lehrstunde in Haltung und Grandezza geben darf und das ja immer sehr fragile happy end durch völlige Stilisierung der Gesten und dem Verweigern echter Umarmungen vereitelt wird, was diskutabel ist, einen aber angenehm zum Nachdenken bringt - eine echte Krämer-Inszenierung eben mit Licht und Schatten, die sich auf das Wesentliche der Beziehungsgeflechte konzentriert und sicher zu Widerspruch auffordert, insgesamt aber doch ein anderes Niveau hat als vieles, was man danach in Köln zu sehen bekam und bekommt.

Vergrößerung Zentrales Moment der Inszenierung und des Bühnenbildes: Das Gemälde Urwaldlandschaft mit untergehender Sonne von Henri Rousseau.

Schwachpunkt eines jeden Rosenkavalier - traditionell oder "modern" - ist natürlich, wenn man große Teile des wunderbaren Hofmannsthal-Textes einfach nicht versteht. Das war nicht zuletzt bei der Premiere ein Kritikpunkt, und da hat die neue Intendanz nicht nachgebessert, indem man etwa die Übertitelungsanlage genutzt hätte, was ja auch im deutschen Fach heute beinahe der Standard ist. Freilich bewies Angela Denoke, die Soile Isokoski als Marschallin ablöste, dass man auch 2007 noch immens textverständlich singen und Feinheiten des Librettos ausloten kann. Leider blieb die Deutsche, die die Fürstin Werdenberg auch an der Wiener Staatsoper und der New Yorker Met interpretiert hat, die einzige, die sich wirklich ernsthaft darum bemühte, nicht nur als Sängerin und Darstellerin, sondern auch als Vermittlerin des Wortes das Publikum zu erreichen. Man freute sich auch über ausgeklügelte dynamische Nuancen, über ihr unaufgeregtes Spiel und ihr vorbildliches Reagieren auf die Impulse ihrer Mitspieler, über die großartige Mischung aus Eleganz, Natürlichkeit und Herzenswärme, über den Umstand, dass sie gar nicht erst versucht, betont wienerisch zu wirken, dass sie eben auch noch mädchenhafte Töne findet und nicht nur die grande dame gibt, dass sie melancholisch, aber nicht larmoyant ist, dass sie mit einem Wort echte Persönlichkeit ins Spiel bringt und sich damit zweifellos in den Kreis der wenigen ganz großen Interpretinnen dieser Partie einreiht, auch wenn die Stimme an sich so exzeptionell nicht ist.

Reinhard Dorn, geborener Kölner und bis 1994 Ensemblemitglied, besaß für den Ochs nicht nur die physique du rôle, sondern auch eine beeindruckende, aber eben auch nicht außergewöhnliche Bassstimme, er fand auch einen guten Ausgleich zwischen drastischer Komik und feineren Zügen, aber aus mir unerklärlichen Gründen blieb sein Rollenportrait dennoch merkwürdig eindimensional und blass. Dagegen stürzte sich Regina Richter mit Haut und Haaren in die Titelpartie und gab einen sehr sensiblen, quirligen, mitunter geradezu rührend pubertierenden Octavian der Sonderklasse, und auch ihr sehr leichtgewichtiger, sopranlastiger und erstaunlich durchdringender (nicht penetranter!), leuchtender Mezzo war eine Freude. Für die erkrankte Claudia Rohrbach hatte man noch einmal Iride Martinez verpflichten können, die ihre äußerst lebhafte, patente und mitunter sogar witzige Sophie wiederholte und auch keine Furcht vor zarten Stratosphärentöne zeigte. Wenig Ausstrahlung entfaltete Mark Morouse als Faninal, in Bonn hatte er mich "mit souveräner Höhe, Ausstrahlung und textlichen Feinheiten" in einer viel schwächeren Produktion vor einigen Monaten mehr beeindruckt. Von nicht mehr als durchschnittliche Leistungen ist in den kleineren Partien zu berichten, Ray M. Wade jr. etwa hatte zwar alle Töne für den italienischen Sänger, aber die Höhe klang doch sehr farb- und glanzlos.

Relativ pauschal und ohne das nötige Raffinement scheint das Gürzenich-Orchester Strauss' Musik auch vor fünf Jahren gespielt zu haben, Enrico Dovico entwickelte da im Graben nicht mehr Autorität als sein Kollege Philippe Auguin damals, und auch im Juni 2007 bemerkte man deutlich die Steigerung in den beiden letzten Aufzügen, nachdem man nach der völlig unkonturierten, wie improvisiert und ungeprobt wirkenden Einleitung zum ersten Aufzug und vielen Bläserpatzern zu Beginn noch das Schlimmste befürchtet hatte.


FAZIT

Manches mag nicht stimmen an Günter Krämers Rosenkavalier-Entrümpelung, aber ein anregender, über weite Strecken spannender Opernabend ist es auch bei dieser Wiederaufnahme fünf Jahre später noch, nicht nur wegen der bemerkenswerten Marschallin von Angela Denoke und dem flotten Octavian von Regina Richter.

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Dovico

Inszenierung
nach Günter Krämer

Choreinstudierung
Andrew Ollivant

Bühnenbild
Jürgen Bäckmann

Kostüme
Falk Bauer

Licht
Manfred Voss

Dramaturgie
Christoph Schwandt



Kölner Domchor
Einstudierung: Oliver Sperling

Opernchor und Statisterie der
Bühnen der Stadt Köln

Gürzenich-Orchester
Köln


Solisten

Die Feldmarschallin
Fürstin Werdenberg
Angela Denoke

Baron Ochs auf Lerchenau
Reinhard Dorn

Octavian
Regina Richter

Herr von Faninal
Mark Morouse

Sophie
Iride Martinez

Jungfer Marianne
Machiko Obata

Valzacchi
Johannes Preißinger

Annina
Andrea Andonian

Ein Polizeikommissar
Ulrich Hielscher

Der Haushofmeister
bei der Feldmarschallin
Werner Sindemann

Der Haushofmeister
bei Faninal
Alexander Fedin

Ein Notar
Orlando Mason

Ein Wirt
Alexander Fedin

Ein Sänger
Ray M. Wade jr.

Drei adelige Waisen
Petra Baráthová
Anita Watson
Raika Maier

Eine Modistin
Insun Min

Ein Tierhändler
Georgi Pandurov

Lerchenauer
Guido Sterzl
Alexander Nicolaescu
Robert Riener
James A. Sandle
Vukasin Savic

Leopold
Avram Sturz

Lakaien
Mineo Nagata
Hans-Ulrich Schüler
Jong-Cheol Park
Boris Djuric

Kellner
Dong-Min Suh
Piotr Wnukowski
Christopher Westerkamp
Wolfgang Weiser

Ein Hausknecht
Norbert Hermanns

Almosenier
Vukasin Savic

Hypolyte
Philip Rührmunds

Mohammed
Yannick Welo


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)




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