Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum



Così fan tutte
ossia La scuola degli amanti
(So machen’s alle oder Die Schule der Liebenden)

Dramma giocoso von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Lorenzo da Ponte


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 11. Oktober 2006
(Rezensierte Vorstellung: 15. Oktober 2006)

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Wenn bei Napoli die rote Sonne im Meer versinkt

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre

Vergrößerung in neuem Fenster Auf Frauentreue wettend: Guglielmo (Miljenko Turk, l.), Alfonso (Bernd Weikl, mitte) und Ferrando (Hauke Möller)

Abenddämmerung am Golf von Neapel: Das Meer ist ruhig, man ahnt die leise Wellenbewegung; der Blick des Betrachters gleitet über die Stadt zum Vesuv, und nach und nach wird die anmutige Szenerie in güldenes Abendlicht getaucht. Wenn die Sonne im Meer versinkt, leuchtet der Abendstern, und alsbald prangen die Sterne am Firmament. Und ganz nebenbei spielt sich vor dem wolkenlosen Sommerhimmel eine (nicht allzu bedeutende) Komödie ab. In Köln gibt es Cosi fan tutte beinahe in Echtzeit zu bestaunen.


Vergrößerung in neuem Fenster Ruhebedürftig: Fiordiligi (Ausryne Stundyte, l.) und Dorabella (Regina Richter)

Es ist, als wolle man am Kölner Offenbachplatz die Opern-Uhr zurück drehen in eine Zeit, in der es noch kein Regietheater gab: Zur Saison-Eröffnung stellte Klaus Maria Brandauer den Lohengrin im schneidigen Ritterkostüm an die Rampe und überließ ihn dort bar jeder Personenregie seinem Schicksal (unser Bericht); in der zweiten Premiere der Spielzeit speist Michael Hampe Mozarts Cosi fan tutte mit dem bewährten szenischen Vokabular einer doch recht fernen Theaterepoche, als das Textbuch noch beim Wort genommen wurde. In einem klugen Beitrag im Programmheft weist der Regisseur und langjährige ehemalige Kölner Opern-Intendant zu Recht darauf hin, dass man Cosi fan tutte kaputt inszenieren kann, wenn man die Handlung „glaubhaft“ machen möchte, und in der Tat sind „moderne“ Inszenierungen mit einem Ansatz à la „das könnte sich heute genauso zutragen“ kläglich gescheitert. Ob im Umkehrschluss eine hübsch anzusehende, aber recht biedere Inszenierung wie jetzt in Köln der richtige Weg ist, scheint mindestens genauso fraglich: Teile des Publikums in der hier besprochenen (zweiten) Aufführung beschlossen recht schnell, alles auf die leichte Komödienschulter zu nehmen und zum Schenkelklopfen lustig zu finden, ganz gleich, welche Seelenqualen sich in der Musik abspielen. Aus der seichten Handlung könne man ja sowieso nicht viel machen, war in der Pause vielerorts zu hören, also amüsieren wir uns köstlich über voreheliche Untreue.


Vergrößerung in neuem Fenster Im Türkenkostüm: Ferrando und Guglielmo

Jüngst hat Elke Heidenreich in der FAZ – explizit mit „schönem Gruß nach Köln“ – aus dem offenbar regietheaterfreien Glyndebourne eine Hasstirade auf das deutsche Theater abgefeuert („Wie mir in Glyndebourne, in den Hügeln von Sussex, die Wahrheit über die Oper aufging“), auf die Claus Spahn in der ZEIT („Kein Weg zurück in die Gemütlichkeit“) mit einem Verweis auf Così fan tutte parierte: Diese Oper sei „eben kein arglos anmutiges Engelsgeflatter von verwirrten Liebenden […] sondern ein sarkastisches Lehrstück über das Scheitern von Beziehungen.“ Hampes Inszenierung unterstreicht das ungewollt; die jederzeit nett anzusehende und (allerdings der Sänger, nicht der Regie wegen) durchaus nicht langweilige Aufführung verbleibt im unbestimmt Dekorativen. Dabei gibt es sogar ein paar kleinere Brüche: Am deutlichsten in den Kostümen, die weitgehend dem frühen 20. Jahrhundert entlehnt sind (die Damen sind mondäne Frauen von Welt); ein wenig auch im ausgesparten Rokoko-Dekor der dadurch recht spartanischen Villa am Meer. In der fingierten Hochzeits-Szene kommt sogar ein Hauch von barocker Opulenz, jetzt auch in den Kostümen, auf. Das alles reicht aber nicht, um den Rahmen der Komödie aufzusprengen (und ist daher letztendlich überflüssig). Die Figuren sind zu schematisch angelegt, gewinnen zu wenig Eigenleben, als dass daraus so etwas wie Interpretation würde. Kein Engelsgeflatter, aber viel Belanglosigkeit.


Vergrößerung in neuem Fenster Kuppelnd: Despina (Claudia Rohrbach)

Jede Inszenierung muss sich der Frage stellen, wie es nach dem bösen Spiel mit Partnertausch eigentlich weiter gehen kann. Dem vermeintlich guten Ende traut schon lange kein Regisseur mehr, auch Hampe nicht. Er beendet die Oper einfach einen Moment früher: Bevor es zu einer Stellungnahme kommt, fassen sich die Beteiligten an den Händen: Seht, alles nur Theater. Man klatscht brav, geht nach Hause – und im Gedächtnis bleibt am ehesten die Perfektion, mit der Chefbeleuchter Hans Toelstede den Sonnenuntergang plastisch gestaltet hat (und Fiordiligis großen Auftritt parallel dazu unfreiwillig zur Nebensache degradiert). Mozarts Musik bräuchte es da nicht. Da stellt sich die Frage nach vermeintlicher „Werktreue“ von der anderen Seite: Wird man einem Meisterwerk wie diesem gerecht, wenn man die Abgründe übertüncht, weil man alles wörtlich nimmt – und überhört, was zwischen den Zeilen steht?


Vergrößerung in neuem Fenster Treuelosigkeit planend: Dorabella (l.) und Fiordiligi

Die – insgesamt sehr überzeugende - musikalische Seite lässt sich nicht vollständig davon trennen. Bernd Weikl gestaltet den Don Alfonso mit der ganzen Routine seiner großen Karriere, ein charmanter und sehr eleganter älterer Herr mit ausgesprochen sonorem Tonfall und vielen leisen Zwischentönen, der sich auch in Rage singen kann – wenn er glaubt, seine Wette zu verlieren. Bei allem Wohlklang bleibt (auch musikalisch) offen, wofür die Figur steht, weil es allzu vordergründig ums Geld (jederzeit sichtbar auf dem Souffleurkasten) geht. Regina Richter als furiose, energiegelade Dorabella setzt die stärkeren Akzente als Ausryne Stundyte, die der Fiordiligi zwar schöne, aber eher lyrische Töne verleiht und in den extrem hohen wie tiefen Lagen etwas matt bleibt – in Mozarts Disposition müssten die beiden Rollen, was den stimmlichen Charakter betrifft, eigentlich andersherum besetzt sein. Ähnlich ist es bei den Männern: Miljenko Turk singt mit schlankem, aber durchsetzungsfähigem und sehr präsentem Bariton einen draufgängerischen Guglielmo erster Güte, während Hauke Möller einen lyrisch-verträumten Ferrando gibt, höhensicher, aber stimmlich ein wenig zu leicht. (Das mag in dieser Vorstellung zum Teil auch an einer - vorab angekündigten - Indisposition gelegen haben). So steht musikdramaturgisch das falsche, weil eher der Buffo-Oper verpflichtete Paar im Vordergrund. Claudia Rohrbach ist eine wunderbare, stimmlich in jeder Phrase überragende Soubretten-Despina mit einigem Witz – auch hier kann man sich gut vorstellen, dass eine mutigere Regie der Figur noch mehr Facetten verleihen könnte.


Vergrößerung in neuem Fenster Barockes Finale mit fingierter Hochzeit unter Sternenhimmel

Mit Howard Arman steht ein Spezialist für historische Aufführungspraxis am Pult des Gürzenich-Orchesters. Mit schlankem, im Forte angemessen hart konturiertem und in den Piano-Stellen samtenen Klang gelingt ihm und dem Orchester eine über weite Strecken fein nuancierte Interpretation, die allein in den Extremen noch zupackender sein könnte. Bei der aberwitzig kreiselnden Overtüre geben wackere Oboe, solide Klarinette und leicht verschlafenes Fagott den musikalischen Staffelstab nicht immer so reibungslos weiter, wie man sich das wünschen würde; solche kleinen Ungenauigkeiten gibt es im Verlauf immer wieder. Recht pauschal spult Arman die Rezitative ab, aus denen man mehr machen könnte. Auch hier zeigt sich: Das Kleben am Text - in diesem Fall am Notentext - führt nicht automatisch zur musikalischen Wahrheit.


FAZIT

Musikalisch beachtliche, zum Teil großartige Produktion, die szenisch hübsch, aber zahnlos vieles von Mozarts Meisterwerk verschenkt.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Howard Arman

Inszenierung
Michael Hampe

Bühne
Michael Hampe
Carlo Tommasi

Kostüme
Carlo Tommasi

Licht
Hans Toelstede

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Oliver Binder


Chor der Oper Köln

Statisterie der Bühnen Köln

Gürzenich-Orchester Köln
Howard Arman, Hammerflügel
Joachim Griesheimer, Violoncello



Solisten

Fiordiligi
Ausryne Stundyte

Dorabella
Regina Richter

Ferrando
Hauke Möller

Guglielmo
Miljenko Turk

Don Alfonso
JBernd Weikl

Despina
Claudia Rohrbach


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

© 2006 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -