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Familienzwist im Königshaus von ThrakienVon Rainhard WiesingerRadamisto ist Händels erste Oper für die Royal Academy of London, mit der er auch gleich einen triumphalen Einstand feierte. Wie aus den Aufzeichnungen seines ersten Biografen John Mainwaring hervorgeht, konnte sich der zum Wahlengländer gewordene Händel 1720, also lediglich ein Jahr nach der Gründung dieses kommerziellen Opernunternehmens, über ein großes Publikumsinteresses freuen: Viele, die sich mit Ungestüm den Weg zum Theater gebahnt hatten, fielen wegen der dort herrschenden unerträglichen Hitze und Schwüle in Ohnmacht. Verschiedene Herren, die verzweifelt versucht hatten, einen Platz zu erhalten, wurden abgewiesen. Der Premierenerfolg blieb auch den Hamburgern nicht verborgen: In Händels früherer Wirkungsstätte brachte sein Jugendfreund Johann Mattheson die Novität schon zwei Jahre nach der Uraufführung am Gänsemarkt auf die Bühne. Das Publikum war so begeistert, dass das Stück bis 1726 30 Vorstellungen erlebte. In Hamburg wurde es allerdings stark bearbeitet und unter dem Titel Zenobia oder Das Muster rechtschaffener ehelicher Liebe gezeigt. Die Story ist, wie bei Händel üblich, komplex und verwirrend: Die Geschwister Radamisto und Polissena haben durch ihre jeweilige Gattenwahl eine unglückliche Konstellation herbeigeführt, denn Polissenas Mann Tiridate hat sich in seine Schwägerin verliebt, nämlich in Radamistos Frau Zenobia. Er lässt nichts unversucht, um sie und auch gleich ihr Land zu bekommen. Auf die Liebeswirren folgt ein Eroberungskrieg und schließlich ein Finale, das man von Tosca kennt: In seinem Macht- und Sinnesrausch fordert Tiridate seine Beute Zenobia auf, sich ihm hinzugeben oder ihr Mann wird sterben Am Ende zieht der Bösewicht aber den Kürzeren: Es wird zum Sturz des Diktators aufgerufen. Von seinen Soldaten verlassen muss Tridate schließlich aufgeben. Polissena verzeiht ihrem Ehemann, auch Radamisto will nichts von Rache wissen. Der Librettist stammt von Nicola Francesco Haym, dem Domenico Lallis Libretto L'Amor tirannico, o Zenobia als Vorbild diente. Dieses war 1710 von Francesco Gasparini für Venedig und 1713 von Francesco Feo vertont worden. Der Stoff geht übrigens zurück auf die Annalen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus. Dem Wechsel der Stimmungen entspricht auch die kontrastreiche Partitur: Zwischen kriegerisch auftrumpfenden Trompetentönen und melancholischen Trauergesängen gibt es reiche Zwischenschattierungen. Völlig neu für die Londoner Theater war die Verwendung von Hörnern, die Händel freilich schon aus dem Orchester der Hamburger Oper kannte. Um die farbige Instrumentierung noch zusätzlich zu unterstreichen, entschied sich der Dirigent der Hamburger Neuproduktion, Martin Haselböck, zwei komplette Continuogruppen einander gegenüber zu stellen. Man merkt, dass Barockmusik für die Hamburger Philharmoniker kein fremdes Terrain darstellt, sie folgen Haselböcks Intentionen mit geschmeidigem Klang und einer großen Farbenvielfalt. Im Lauf des Abends zeigt sich aber immer wieder, dass die Spannung nicht durchgehend gehalten werden kann, weshalb diverse Durchhänger nicht wegzudiskutieren sind. Auch Marellis Inszenierung will es nicht immer gelingen, den ganzen langen Abend das Interesse aufrecht zu erhalten. Bei dem Bestreben, den schmalen Grad zwischen Heroismus und Lächerlichkeit zu zeigen reüssiert Marelli durchaus, indem er dazu die Arien illustrierende Arrangements verwendet. Der Gefahr der optischen Reizüberflutung ist er dabei allerdings nicht immer entgangen, auch gewinnt man gelegentlich den Eindruck, dass diese von einer gewissen Ideenarmut die Personenführung betreffend, ablenken soll. Für die Marellis (Dagmar Niefeld-Marelli ist verantwortlich für die Ausstattung) typisch ist auch das schicke Bühnenbild, die bunten Kostüme und - last but not least - der Einsatz eines anscheinend unverzichtbaren roten Vorhanges. Das Durchschnittsniveau der eher mäßigen Besetzung überragen einzig Maite Beaumont als Zenobia und Alksandra Kurszak in der kleinen Partie des Fraarte.
Eine brauchbare Produktion, die aber weit davon entfernt ist, bestmöglich zu sein. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild und Kostüme
Solisten
Tiridate
Farasmane:
Radamisto
Zenobia
Tigrane
Fraarte
Polissena
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- Fine -