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Tannhäuser

Romantische Oper in drei Akten
Dichtung und Musik von Richard Wagner
Hagener Erstaufführung der Pariser Fassung von 1861|1875


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h (zwei Pausen)


Premiere im Theater Hagen am 10. Juni 2007

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Happy end in weißer Gleiße

Von Ralf Jochen Ehresmann / Fotos von Stefan Kühle

Nach 7 fruchtbaren Jahren verlässt Rainer Friedemann Hagen und verabschiedet sich mit einem deutlichen Akzent. Als wollte er seiner Deutung des Fazits seiner Hagener Zeit die Richtung weisen, greift er Wagners eigenes Verständnis auf, „der Welt noch den Tannhäuser schuldig“ zu sein und erteilt dem heimatlosen Wandler zwischen den Welten nach 160-jähriger Verdammung Absolution und nimmt ihn in den Himmel auf. Denn hat man in der Moderne daran sich gewöhnt, dem Erlösungsgedanken zu misstrauen und ihn in der Darstellung durch bildliche Verweigerung zu brechen, geht Friedemann in seiner letzten Hagener Inszenierung den umgekehrten Weg und präsentiert der erstaunten Öffentlichkeit erstmals einen Tannhäuser mit happy end.

Vergrößerung in neuem Fenster »Reut es dich so sehr, ein Gott zu sein?« Venus (Dagmar Hesse) umgarnt den Minnesänger Tannhäuser (Dario Walendowski).

Dem kann man freilich fröhlich weiter misstrauen, ist doch die Auslagerung des Glückes in die Gefilde der postmortalen Lichtwesen zugleich eine Kapitulation vor dem Beharrungsvermögen der irdischen Hierarchien und ihrer Schrecknisse. Stimmig - wenn auch nicht zwingend - stellt Friedemann im Bühnenbild von Walter Perdacher Bilder zusammen, die im Hirn haften bleiben. Das beginnt schon gleich in der ersten Szene mit dem wuchtigen Venus-Koloss, der zusammen mit dem darauf tanzenden Paar an erotischer Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Es setzt sich fort in der nicht minder kolossalen Madonnenstatue des dritten Aufzuges und mündet in das unersehene Erlösungsgeschehen, das allerdings die von Wagner selbst gespürten Werk-Schwierigkeiten nur teilweise auflöst.

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„Heraus zum Kampfe mit uns Allen!"

Denn die Wartburggesellschaft im zweiten Aufzug präsentiert sich weniger in steifer Lustfeindlichkeit als durch Grobschlächtigkeit ihres Gehabes, Intoleranz gegen Außenseiter sowie Kälte und Gewaltbereitschaft gegen ihre Behinderten und Armen; dort ist Elisabeth von Anfang an vollkommen ausgestoßen, die folglich am ganzen Sängerkrieg rein passiv teilnimmt und auch bei Tannhäusers Beiträgen nicht reagiert. In dieser Umgebung mit zahlreichen uniformierten Militärs – darunter sehr passend Biterolf – gibt es keine Wärme des Landgrafen zu seiner Nichte oder eine irgendwie nähere Freundschaft zwischen Heinrich und Wolfram, was vom Text so nicht gedeckt ist. Elisabeth, scheinbar Polio-geschädigt auf Krücken humpelnd, muss sich gar vom Onkel ihre Gehhilfen weghauen lassen. Weder wird richtig klar, was diese sich und ihren Status recht ausgelassen feiernde Gesellschaft an Tannhäusers Botschaft so verwerflich finden könnte, noch warum diese chauvinistische Gewalttruppe ausgerechnet vom Flehen einer halbstummen Behinderten – noch dazu einer Frau – derartig sich beeindrucken lässt, dass sie ihren Racheplan aufgibt.
Dass und wie viel dies mit uns zu tun habe, will die Regie uns wohl dadurch nahe legen, dass ab dem zweiten Aufzug der Hintergrund des Bühnenraumes mit Theaterrängen ausgemalt ist, als ob Publikum und Akteure vertauscht wären, ein zwar nicht mehr ganz frischer, aber immer noch aufklärerischer Gedanke.

Vergrößerung in neuem Fenster Wolfram (Frank Dolphin Wong): "Elisabeth, dürft' ich dich nicht geleiten?" Elisabeth (Dagmar Hesse) ist von den Schergen des Landgrafen ertappt worden, als sie den Armen ihre Besitztümer schenken wollte.

Da sie selbst ja wenig sagt, entlehnt sich ihre Charakterisierung weitgehend der Legende von der heiligen Elisabeth, indem sie Brot verteilt als Wohltäterin jener Armen, deren Betteln zuvor von den heimkehrenden Pilgern rüde abgewiesen worden war – auch sie also ein frommer Teil der Thüringer Hartherzigkeit. Ob's da noch nötig war, die von der Legende berichteten Wohltätigkeits-Konflikte mit dem Oheim zu illustrieren durch das stumme Erscheinen einer besonderen Art Geheimpolizei, die Elisabeth abführt, als sie sich anschickt, sich eventuell mit Wolfram zu versöhnen, mag ich nicht bejahen, aber dass der Himmel ein Erbarmen habe angesichts soviel Leidens der Gerechten, leuchtet dem Gefühl unmittelbar ein. Dann mag sie auch ihren gereinigten G'spusi erlösen, um mit ihm in das Licht zu schreiten - leider musste dafür die gesamte Wiedererscheinung der Venus entfallen, waren doch beide weiblichen Partien als Wiederaufgriff von Götz Friedrichs Idee aus Bayreuth 1972 durch dieselbe Dagmar Hesse besetzt, ohne dass dem hier wie weiland vor 35 Jahren eine fundamentale Aussage über die geheime Identität scheinbar widersprüchlicher Entwürfe von Weiblichkeit zu erkennen wäre – hier wird eher die Differenz zementiert.

Stimmlich jedoch geht der Regieeinfall voll auf und kann keineswegs als Verlegenheitslösung mangels zweiter Sopranistinnen missdeutet werden; Dagmar Hesse besteht beide Partien gleichermaßen bravoureus und unerschöpft, dass man ihr gar noch einen dritten Part hätte anvertrauen können, wenn's denn einen gäbe! Kraftvoll ohne Schärfe und mit viel Sinn für sprachliche Differenzierung, traf sie für Göttin und Heilige den je richtigen Tonfall. Andrey Valiguras' Landgraf Hermann kämpfte bisweilen mit dem Akzent, tönte und spielte ansonsten engagiert entsprechend der Inszenierung betont unterkühlt.

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"Heilig die Reine, die nun vereint / göttlicher Schar vor dem Ewigen steht! / Selig der Sünder, dem sie geweint, / dem sie des Himmels Heil erfleht!"

Dario Walendowski besteht die Tannhäuser-Partie mit gemischtem Erfolg, teilweise grenzwertig in der Sprachbeherrschung und Verständlichkeit, stark in der Verve seiner Gesamtdarstellung, vom Tonfall manchmal etwas spitz – immerhin pressfrei höhenstark und kommt so unbeschadet durch die mörderischen Anforderungen der Romerzählung, wenn auch ein wenig glanzarm im Forte.
Frank Dolphin Wong als Wolfram kultiviert weniger den obertonreichen-sonoren Klang, der dem Ideal des warmherzigen, mitfühlenden Freundes entspräche. Da aber schon die Inszenierung ihn vielmehr als integralen Bestandteil des Wartburg-Establishments versteht, liegt es nahe, auch seinen Gesang mehr in Kongruenz zur Umgebung zu situieren, demzufolge wir hier weniger Engagement bis Schwärmerei als vielmehr klare Präzision bis hin zur teilnahmslosen Akkuratesse zu hören bekamen. Von seinen höfischen Gesellen unterscheidet er sich auch ohnedem noch hinreichend durch den weißen Künstlerschal, den er allein und dafür immer trägt. Von den “kleineren“ Minnesängern singt Dominik Wortig (Walther) etwas besser als Plamen Hidjov (Biterolf); doch beiden wären Partien zu wünschen, die mehr als nur einen Auftritt bieten.

Der Raumbedarf der üppigen Bilder führt aber leider auch dazu, dass der Chor – wahrlich keine unwichtige Nebenrolle und ansonsten in guter Verfassung – allzu oft aus dem off eingespielt werden muss. Beinahe intonationssicher, freut man sich stets, man ihn überhaupt zu sehen bekommt. Die Bühnentrompeten fehlen ebenfalls, und die Venus des dritten Aufzugs singt gleichfalls unsichtbar: ist es wirklich unvermeidbar, dass Leute, die leibhaftig im Theater anwesend sind, nur via Boxen eingespielt werden müssen? Dem Orchester ist zu seiner Leistung rückhaltlos zu gratulieren; das philharmonische Orchester Hagen zählt zweifellos zu den starken Klangkörpern unseres Landes.


FAZIT

Kein wegweisend neuer Entwurf trotz höchst originellem Finale, leider erkauft mit allzu vielen technischen Schwächen, dessen Gesamteindruck dennoch einzunehmen vermag.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antony Hermus

Regie
Rainer Friedemann

Ausstattung
Walter Perdacher

Choreinstudierung
Uwe Münch

Opernchor
des Theater Hagen

Statisterie des
Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

* Besetzung der Premiere

Hermann, Landgraf von Thüringen
Andrey Valiguras

Tannhäuser
*Dario Walendowski /
Paul Lyon

Wolfram von Eschenbach
Frank Dolphin Wong

Walther von der Vogelweide
Jeffery Krueger
*Dominik Wortig

Biterolf
Plamen Hidjov

Heinrich der Schreiber
Richard van Gemert

Reinmar von Zweter
Tobias Pfülb

Venus / Elisabeth
Dagmar Hesse

Ein junger Hirt
Stefania Dovhan
* Tanja Schun


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




Da capo al Fine

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