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Lèlisier d'amore
(Der Liebestrank)

Opera buffa in zwei Aufzügen
Text von Felice Romani nach Eugene Scribé
Musik von Gaetano Donizetti


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (zwei Pausen)


Premiere im Theater Hagen am 17. März 2007

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Das Tanken als emotionaler Ausnahmezustand

Von Stefan Schmöe / Fotos von Stefan Kühle

Für viele ist sie eine ganz sonderbare Welt – die Tankstelle. Jeder Tankvorgang ist eine Mischung aus reiner Routine und dem Abtauchen in einen ganz eigenen Mikrokosmos. Das Tanken ist eine zwiespältige Angelegenheit, Frauen empfinden hier völlig anders als Männer.
(aus der „Aral Mobilitätsstudie 2006“ – www.aral.de)

Eine kleine Tankstelle mit angeschlossener Werkstatt irgendwo in der italienischen Provinz in den 60er-Jahren. Hier herrscht das Matriarchat: Die attraktive Chefin und ihre strenge Buchhalterin führen ein straffes Regiment. Geschniegelte Carabinieri wie schmierige Mafiosi gehen aus und ein. Und ausgerechnet ein unscheinbarer Mechaniker, graue Maus durch und durch, ist unwiderstehlich verliebt in die – für einen wie ihn scheinbar unerreichbare - Besitzerin. Das ist der Handlungsrahmen, in den Regisseurin Anette Leistenschneider Donizettis L'elisier d'amore einbettet - und heraus kommt eine wunderbar leichte, sehr stimme Inszenierung auf dem feinen Grat zwischen Komödie und Beinahe-Tragödie.

Vergrößerung in neuem Fenster Emotionaler Mikrokosmos Tankstelle: Giannetta (Tanja Schun, l.), Nemorino (Jeffery Krueger, o.), Adina (Stefania Dovhan, r.) und Angestellte (Opernchor und Extrachor)

Die überdrehte Komödie funktioniert nur, weil die ernsten Passagen keineswegs ausgeblendet sind. Nemorinos naiven Glauben an den Liebestrank (den er ja nur unter völliger Selbstaufgabe, nämlich der Verpflichtung zum Militärdienst, erhält) und die Verzweiflung über den scheiternden Plan nimmt die Regisseurin sehr ernst. Sehr sorgfältig zeichnet sie die Entwicklung Nemorinos nach, der zu Beginn mit riesiger Brille und einem gehörigen Maß Tollpatschigkeit ein Bruder Woody Allens sein könnte, dann aber eine Metamorphose zum attraktiven Lover mit gegelter Frisur und muskelbetontem Shirt durchlebt. Der junge Tenor Jeffrey Krueger ist schauspielerisch wie vom Erscheinungsbild eine Idealbesetzung; sehr glaubwürdig in seiner Verwandlung. Musikalisch allerdings kommt die Partie für seine entwicklungsfähige Stimme etwas früh. Mit recht dünnem und scharfem Klang und in der Höhe forcierend fehlt ihm vor allem das lyrische Element, was er auch durch bewundernswertes Engagement nicht ganz wettmachen kann.

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Süße Liebe zwischen Ölkanne und Auspuff: Belcore (Peter Schöne) und Adina (Stefania Dovhan)

Stefania Dovhan ist eine äußerlich wie stimmlich sehr attraktive Tankstellenchefin Adina. Der jugendlich-leichte, aber für die lyrischen Momente tragfähige Sopran zeigt auch musikalisch ausgezeichnet die Mischung aus verspieltem Mädchen und der begehrten Frau. Peter Schöne ist ein eleganter Sergeant Belcore, eine blendende Erscheinung, dazu makellos sauber mit klarem, raumfüllenden Bariton gesungen. Szenisch wird hier sehr schön deutlich, wie groß der Abstand zwischen dieser attraktiven Erscheinung und dem Underdog Nemorino zunächst ist und welche Kluft Nemorino überwinden muss. Das ist von der Regie sehr sorgfältig beobachtet und unter Umgehung gängiger Lustspielschemata punktgenau und dennoch augenzwinkernd umgesetzt.

Vergrößerung in neuem Fenster Schönheitskorrekturen aus dem letzten Jahrtausend: Dulcamara (Christian Tschelebiew) hilft Adina (Stefania Dovhan) auf die Sprünge

Christian Tschelebiew ist ein schmieriger Dulcamara, halb Clown und halb Mafiosi, jedenfalls ein dubioser Hochstapler – die Regie lässt keinen Zweifel daran, dass Liebestränke in dieser Welt nichts zu suchen haben und allein der Glaube an die vermeintliche Wirkung Berge versetzten kann. Christian Tschelebiew zieht souverän alle Spielbassregister, um klangmächtig wie virtuos eine Figur zu zeichnen, die nie ganz zu fassen ist. Tanja Schun rundet im warm eingefärbten Soubrettenton mit einer Fülle komödiantischer Kabinettstückchen als Buchhalterin Gianetta ein starkes Ensemble ab.

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Kein Liebestrank, sondern das Privatvermögen macht attraktiv: Giannetta (Tanja Schun) flirtet mit Nemorino (Jeffery Krueger)

Der von Uwe Münch bestens präparierte und sowohl klangschön wie präzise singende Chor ist auch schauspielerisch stark gefordert: Eine solche Fülle hilfsbereit herbei eilender Mechaniker kennt man bestenfalls aus der Fernsehwerbung. Die witzigen Kostüme wie überhaupt liebevolle Ausstattung von Karel Spanhak, die auch auf Oldtimer und den Pizza-Service nicht verzichtet, trägt zum Erfolg der Produktion wesentlich bei. Undankbarer ist die Angelegenheit für das gut disponierte Orchester, dass in dieser Oper über eine unauffällige Begleitung selten hinaus kommt (Nemorinos berühmte harfenbegleitete Romanze „Una furtiva lagrima“ ist da eine eher untypische Ausnahme). Unter der souveränen Leitung von Gwennolé Rufet ordnen die Musiker sich dem turbulenten Bühnengeschehen pflichtbewusst unter. Aber auch das spricht für eine rundum gelungene Produktion: Dass man vor lauter Einfällen auf der Bühne kaum einmal Gelegenheit findet, auf das Orchester zu achten.


FAZIT

Brillante Inszenierung mit schrillen Ober- und leisen Zwischentönen – mit ausgesprochen viel Spielwitz vom vorzüglichen Hagener Ensemble präsentiert. Wer glaubte, der Liebestrank sei bieder, wird hier eines besseren belehrt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gwennolé Rufet

Regie
Anette Leistenschneider

Ausstattung
Karel Spanhak

Choreinstudierung
Uwe Münch

Dramaturgie
Stefan Klawitter

Opernchor und Extrachor
des Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Adina
* Stefania Dovhan /
Johanna Krumin

Nemorino
* Jeffrey Krueger /
Dominik Wortig

Belcore
Peter Schöne

Dulcamara
Christian Tschelebiew

Gianetta
Tanja Schun


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




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