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Operette - einfach, lebendig, unterhaltsam
Von Gerhard Menzel
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Fotos von Hans-Peter Habel
Während man andernorts meint, der "alten" und "verstaubten" Operette müsse mittels einer "Geschlechtsumwandlung" neues Leben eingehaucht werden - was bei den meisten dramaturgisch operierten Versuchen zwangsläufig scheitert -, nahmen in Gera Regisseurin Renate Liedtke und Ausstatterin Franziska Harborts die Operette wirklich "ernst" und brachten sie so auf die Bühne, dass ihre Meriten - vor allem die Musik - auch richtig zur Geltung kommen konnten. Der Zuschauerraum des Theaters Gera
Da spotte keiner über die sogenannte Provinz. Immerhin besitzt Gera, das als Theater & Philharmonie Thüringen zusammen mit Altenburg eine "Theaterehe" führt, eines der ambitioniertesten Mehrspartentheater. Es gibt Oper, Schauspiel, Musical und Operette, Tanzproduktionen des größten Thüringer Ballettensembles, Puppentheater für Groß und Klein, die Jugendarbeit der TheaterFABRIK sowie experimentelle Produktionen in der neu eröffneten Bühne am Park Gera und im Altenburger Heizhaus. Von überregionaler Bedeutung sind dabei vor allem die Geraer Ballett-Tage und die Prinzenraubfestspiele.
Nachdem das Altenburger Landestheater - von einigen auch "Kleine Semperoper" genannt - schon 1995 gründlich renoviert wurde, erstrahlt seit April 2007 nun auch das wunderschöne Jugendstiltheater in Gera wieder in neuem Glanz. An den nicht gerade an das blühende Leben erinnernden und gewöhnungsbedürftigen braunen Außenanstrich muss man sich zwar gewöhnen und der völlig leb- und trostlos gepflasterte Vorplatz ist auch nicht besonders einladend, aber das Innere, vor allem die beiden separaten Räume des Konzert- und Theatersaales, ist eine wahre Augenweide. Ein Fest für die Augen war jetzt auch die Inszenierung von "Wiener Blut", ein Erfolgsstück von Johann Strauß, das eigentlich gar nicht von Johann Strauß ist. Zwar stammen die Melodien von ihm, aber die Operette selbst ist ein regelrechtes Pasticcio. Der Möchtegerngiovanni Balduin Graf Zedlau (Tommaso Randazzo) macht sich an die Tänzerin Franziska Cagliari (Katrin Strocka) heran.
Da sich 1898 der damals 73-Jährige Johann Strauß nicht mehr in der Lage sah, eine neue Operette für das Wiener Carltheaters zu komponieren, arrangierte Adolf Müller (Theaterkomponist und Kapellmeister des Theaters an der Wien) bereits vorhandene Kompositionen von Johann Strauß (bevorzugt Walzer, Märsche und Polkas) so, dass sie wie Maßgeschneidert für das von den erfahrenen Operettenlibrettisten Victor Leon und Leo Stein verfasste Textbuch schienen. Obwohl "Wiener Blut" einen Sonderfall darstellt, ist auch in den meisten anderen Operetten der Zeit - vornehmlich von Johann Strauß - dieses seltsam undramatische Verhältnis von Text und Musik zu erkennen (von einigen Ausnahmen, wie der "Fledermaus", abgesehen) und oft genug mussten versierte Textdichter den bereits fertig komponierten Musikstücken ihre Texte so geschickt als möglich unterlegen. Schon bei seiner Kritik über die erste Operette von Johann Strauß ("Indigo", 1871) brachte es Eduard Hanslick auf den Punkt: sie sei "Tanzmusik mit untergelegten Worten und vertheilten Rollen". Zu versuchen, aus diesen Stücken ein dramaturgisch stringentes, womöglich noch sozialkritisches Drama zu machen ist einfach Unsinn und beraubt letztendlich dem wesentlichen Träger der Werke, die spritzig leichte, wiegende bis sentimental schwelgende Musik, all ihrer Reize (Offenbach & Co. sind dagegen eine ganz andere Welt).
Katrin Strocka (Franziska Cagliari) und
Wie dieses lediglich unbeschwert unterhalten wollende Genre ansprechend auf die Bühne gebracht werden kann, zeigten jetzt in Gera Regisseurin Renate Liedtke und Ausstatterin Franziska Harborts auf sehr sympathische Art und Weise. Statt aufwändiger Bühnenbilder diente eine schwarze, mit weißen Notensystemen verzierte Treppenkonstruktion als Spielraum. Diverse Requisiten (u.a. eine riesige Blüte als Referenz an die zur Zeit in Gera stattfindende Bundesgartenschau und vogelkäfigartige Lauben für das Finale in Hietzing) deuteten dabei die jeweiligen Handlungsorte an.
In diesem relativ neutralen und unaufdringlichen Raum kamen die farbenfrohen und eleganten Kostüme umso mehr zur Geltung. Zu den optischen Höhepunkten gehörten vor allem die von Torsten Händler choreographierten Ballettszenen. Das leichtfüßige Schweben über den alltäglichen Missständen brachten auch die im dritten Akt eingefügten und von Günter Markwarth beseelt vorgetragenen Wiener Lieder ("Fiakerlied" und "Das ist die Wiener Spezialität") besonders gut zur Geltung. Die unterschwellige Kritik und Hinweise auf diverse Missstände gipfelt in ihnen zumeist in der Zuversicht, dass schwere Zeiten nur durch Optimismus und Humor gemeistert werden können und nicht durch ewiges Jammer und Greinen. Eine Einstellung, die heute vielerorts ebenfalls zu wünschen wäre.
Günter Markwarth und
Bei der Personenregie achtete Renate Liedtke bewusst darauf, die verschiedenen Operettentypen deutlich, aber nie zu übertrieben, herauszuarbeiten, wobei sie wohl die unterschiedlichen darstellerischen Möglichkeiten der Protagonisten so gut es ging berücksichtigte. Franziska Rauch war als Gräfin sowohl darstellerisch, als auch sängerisch die dominierende Persönlichkeit der Aufführung. Da hatte es Tommaso Randazzo als ihr auf den Spuren Don Giovannis wandelnder Gatte nicht leicht, sich als unwiderstehlicher Operettenheld zu profilieren. Als "Dienerpaar" sorgten Kathrin Frey (Pepi) und Peter-Paul Haller (Josef) für frischen Wind und auch Katrin Strocka als Tänzerin Franziska Cagliari sowie Günter Matthes als ihr Vater und Karussellbesitzer Kagler fügten sich blendend in das spielfreudige Ensemble mit ein. Kathrin Frey (Pepi) und Peter-Paul Haller (Josef)
Bernhard Hänsch in der Rolle des Fürsten Ypsheim-Gindelbach brachte die Geschehnisse durch seine Missdeutungen der Situationen zwar ordentlich durcheinander, blieb aber in der Gesamtdarstellung doch etwas zu blass. Dabei hätte er als einer der beiden wirklichen Ost-Thüringer aus dem Duodezfürstentum Reuss-Schleiz-Greiz, die es als Protagonisten sogar in eine Wiener Operette geschafft haben, die Gesellschaft doch einmal so richtig aufmischen können. Sehr erfreulich war jedenfalls die nicht an allen Theatern selbstverständliche Textverständlichkeit - die zumindest in den vorderen Reihen gewährleistet war -, die das Verständnis des zum Teil heillos erscheinenden Durcheinanders zumindest ermöglichte.
Bernhard Hänsch (Fürst Ypsheim-Gindelbach) und
Für das letztendliche Gelingen der Produktion war aber vor allem der Dirigent Adrian Prabava verantwortlich, der dem größtenteils aufmerksam folgenden und engagiert musizierenden Philharmonischen Orchester Altenburg-Gera einen wahrlich operettenhaften Ton entlockte. Die Tempi waren schwungvoll, ohne je gehetzt zu wirken. Die Binnendynamik war sorgsam austariert und das behutsame Beschleunigen und Abbremsen wirkte nie unnatürlich oder aufgesetzt. Die Musik lebte und atmete und trug Solisten, Ballet und den von Bernhard Ott bestens vorbereiteten Opernchor der Theater & Philharmonie Thüringen durch einen herrlich beschwingten Abend.
Was an ständebedingten Übergriffen der Handlung in "Figaros Hochzeit" noch schwerwiegende Folgen hätte haben können, ist in "Wiener Blut" ungefährlicher Spaß, bar aller Realität. Szene und Musik passen in Gera akkurat zusammen und sorgen so für ein ungetrübtes Operettenvergnügen. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAdrian Prabava
Regie
Ausstattung
Choreographie
Chor
Solisten
Fürst Ypsheim-Gindelbach
Balduin Graf Zedlau
Gabriele, seine Frau
Graf Bitowski
/ Winfried Roscher
Franziska Cagliari
Kagler
Pepi Pleininger
Josef
Kutscher
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- Fine -